Teilrevision des MWSTG und aktuelle Entwicklungen

<article class="rz"><h2>1. Teilrevision MWSTG</h2> <h3>1.1 Elektronische Plattformen</h3> <p>Die 2019 eingef&uuml;hrte Versandhandelsregelung hatte nur m&auml;ssigen Erfolg. Versandh&auml;ndler, welche pro Jahr mindestens CHF 100'000 Umsatz aus einfuhrsteuerbefreiten Kleinsendungen (Einfuhrsteuerbetrag bis CHF 5) erzielen, die sie vom Ausland ins Inland bef&ouml;rdern oder versenden, wurden neu mehrwertsteuerpflichtig und mussten sich im MWST-Register eintragen lassen.^{<a title="" href="#_ftn1" name="_ftnref1">01</a>}&nbsp;Momentan finden sich erst ca. 400 mehrwertsteuerlich registrierte, ausl&auml;ndische Versandh&auml;ndler auf der publizierten Liste der ESTV. Diese kommen mehrheitlich aus dem europ&auml;ischen Raum. Insbesondere asiatische und amerikanische Versandh&auml;ndler findet man nur vereinzelt auf der Liste. Um die Steuererhebung bei ausl&auml;ndischen Versandh&auml;ndlern durchzusetzen, wird mit dem teilrevidierten Mehrwertsteuergesetz (revMWSTG), &Auml;nderung vom 16. Juni 2023, eine Plattformbesteuerung f&uuml;r Onlineshops eingef&uuml;hrt.</p> <h4>1.1.1 Definition</h4> <p>Als elektronische Plattform gilt eine elektronische Schnittstelle, die online direkte Kontakte zwischen mehreren Personen mit dem Ziel erm&ouml;glicht, eine Lieferung oder eine Dienstleistung zu erbringen.^{<a title="" href="#_ftn2" name="_ftnref2">02</a>}&nbsp;Die Definition ist weitgefasst, um der Vielfalt an Technologien, Gesch&auml;ftsmodellen und deren Entwicklung gerecht zu werden. Erfasst werden beispielsweise Marketplaces, Apps oder Portale.</p> <h4>1.1.2 Plattformbesteuerung</h4> <p>Die neue Plattformbesteuerung betrifft nur die physische Lieferung von Waren durch inl&auml;ndische sowie ausl&auml;ndische Versandhandelsplattformen. Vermietungen und Dienstleistungen sind von den neuen Regelungen zur Plattformbesteuerung ausgeschlossen.^{<a title="" href="#_ftn3" name="_ftnref3">03</a>} Das Herzst&uuml;ck der neuen Plattformbesteuerung findet sich in Art. 20a revMWSTG. Dieser sieht abweichend von den &uuml;blichen Zuordnungsregelungen die Einbindung der Versandhandelsplattform in die Lieferkette zwischen Verk&auml;ufer und K&auml;ufer vor. Sofern mit Hilfe einer elektronischen Plattform die Lieferung eines Gegenstands erm&ouml;glicht wird, gilt der Betreiber der elektronischen Plattform per Gesetzesfiktion als Leistungserbringer gegen&uuml;ber dem K&auml;ufer. In dem Fall liegt f&uuml;r Mehrwertsteuerzwecke dann eine erste Lieferung vom Verk&auml;ufer an die Versandhandelsplattform sowie eine zweite Lieferung von der Versandhandelsplattform an den K&auml;ufer vor. Als Entgelt der Lieferung der Versandhandelsplattform als Leistungserbringer an den K&auml;ufer gilt der Wert, den er dem K&auml;ufer des Gegenstandes mitgeteilt hat.^{<a title="" href="#_ftn4" name="_ftnref4">04</a>}</p> <p>Das revMWSTG enth&auml;lt eine Negativliste. Diese deklariert, wer nicht als Leistungserbringer im Sinn von Art. 20a Abs. 1 revMWSTG gilt, so dass f&uuml;r diese elektronischen Plattformen die neuen Regelungen zur Versandhandelsplattform nicht gelten.^{<a title="" href="#_ftn5" name="_ftnref5">05</a>}&nbsp;Dies betrifft elektronische Plattformen, die</p> <ul> <li>weder unmittelbar noch mittelbar am Bestellvorgang beteiligt sind;</li> <li>keinen Umsatz erzielen, der unmittelbar mit dem Gesch&auml;ft zusammenh&auml;ngt;</li> <li>lediglich die Zahlungsabwicklung im Zusammenhang mit der Lieferung vornehmen;</li> <li>lediglich Platz f&uuml;r Anzeigen zur Verf&uuml;gung stellen;</li> <li>lediglich Werbeleistungen erbringen und/oder</li> <li>den K&auml;ufer lediglich auf andere elektronische Plattformen um- oder weiterleiten.</li> </ul> <p>Diese Art von Leistungserbringern hat man von den neuen Regelungen zur Versandhandelsplattform ausgeschlossen, da diese die korrekte Besteuerung des Verkaufsgesch&auml;fts nicht oder nur mit unvertretbar grossem Aufwand durchf&uuml;hren k&ouml;nnten oder sie mangels eigenen Umsatzes die Steuer weder auf den Verk&auml;ufer noch den K&auml;ufer &uuml;berw&auml;lzen k&ouml;nnten.</p> <p>Durch die B&uuml;ndelung der Lieferungen der einzelnen Verk&auml;ufer in der Versandhandelsplattform wird es f&uuml;r die Eidgen&ouml;ssische Steuerverwaltung (&laquo;ESTV&raquo;) einfacher, die Steuerpflicht zu pr&uuml;fen. Man geht davon aus, dass die Versandhandelsplattformen in der Regel die Voraussetzungen an die Steuerpflicht erf&uuml;llen werden.</p> <p>F&uuml;r Versandhandelsplattformen gelten die allgemein g&uuml;ltigen Voraussetzungen f&uuml;r die Steuerpflicht. Entsprechend werden ausl&auml;ndische Versandhandelsplattformen steuerpflichtig, wenn sie mit Kleinsendungen, die von der Einfuhrsteuer befreit sind, im Kalenderjahr einen Umsatz von mindestens CHF 100'000 erzielen. In das revMWSTG wurde eine &Uuml;bergangsbestimmung aufgenommen, mit der erreicht werden soll, dass Plattformen, &uuml;ber die in grossem Umfang Waren in die Schweiz geliefert werden, bereits mit Inkrafttreten des Gesetzes steuerpflichtig werden.^{<a title="" href="#_ftn6" name="_ftnref6">06</a>}</p> <p>Sofern die Versandhandelsplattform f&uuml;r MWST-Zwecke registriert ist, ist die Lieferung des Verk&auml;ufers an diese von der Mehrwertsteuer befreit.^{<a title="" href="#_ftn7" name="_ftnref7">07</a>}&nbsp;Diese Steuerbefreiung betrifft inl&auml;ndische Lieferungen und stellt insbesondere f&uuml;r inl&auml;ndische Verk&auml;ufer einen neuen Gesch&auml;ftsfall dar, der in dessen System entsprechend abzubilden ist.</p> <p>Bei Lieferungen aus dem Ausland wird die Versandhandelsplattform Importeurin der Waren in die Schweiz bzw. Liechtenstein. Sie hat die M&ouml;glichkeit der Anwendung des Verlagerungsverfahrens, sofern gegen sie keine administrative Massnahme angeordnet worden ist.^{<a title="" href="#_ftn8" name="_ftnref8">08</a>}</p> <p>Die korrekte Umsetzung der Plattformbesteuerung stellt Versandhandelsplattformen vor grosse Herausforderungen. So muss sie sicherstellen, dass sie vom Verk&auml;ufer alle produktspezifischen Informationen und Angaben zum Lieferweg erh&auml;lt, um einen allf&auml;lligen Import der Waren ordnungsgem&auml;ss deklarieren sowie die Besteuerung des Ver&auml;usserungsgesch&auml;fts gegen&uuml;ber dem K&auml;ufer korrekt vornehmen zu k&ouml;nnen. Entsprechend sind Vertr&auml;ge und Systeme der Versandhandelsplattform rechtzeitig anzupassen.</p> <p>Im Entwurf der teilrevidierten Mehrwertsteuerverordnung (E-MWSTV), deren Vernehmlassungsfrist bis zum 8. Februar 2024 l&auml;uft, ist vorgesehen, dass eine Verk&auml;uferin, die entweder selbst bereits als Versandhandelsunternehmen steuerpflichtig ist oder &uuml;ber eine Unterstellungserkl&auml;rung Ausland verf&uuml;gt, als einfuhrsteuerpflichtige Person gelten kann, selbst wenn die von ihr involvierte Plattform steuerpflichtig ist.^{<a title="" href="#_ftn9" name="_ftnref9">09</a>}&nbsp;Dies h&auml;tte dann zur Folge, dass die Verk&auml;uferin keine Lieferung im Ausland an die Plattform vornimmt, sondern eine von der MWST befreite Inlandslieferung.</p> <h4>1.1.3 Durchsetzung der Besteuerung</h4> <p>Der Gesetzgeber hat erkannt, dass der ESTV neue Mittel zur Verf&uuml;gung gestellt werden m&uuml;ssen, um die korrekte Versteuerung von Leistungen sicherzustellen, die mit Hilfe von elektronischen Plattformen zustande gekommen sind. &nbsp;</p> <h5>1.1.3.1 Auskunftspflicht</h5> <p>Hierzu sieht das revMWSTG eine Auskunftspflicht von Betreibern elektronischer Plattformen vor, auf denen Leistungserbringer und -empf&auml;nger zusammengebracht werden.^{<a title="" href="#_ftn10" name="_ftnref10">10</a>}</p> <p>Die Auskunftspflicht betrifft nicht nur elektronische Plattformen, &uuml;ber die Waren ver&auml;ussert werden, und somit von der Plattformbesteuerung betroffen sind. Auch elektronische Plattformen, auf denen Dienstleistungen und Vermietungen &laquo;vermittelt&raquo; werden, sind zuk&uuml;nftig auskunftspflichtig. Der ESTV wird hierdurch die M&ouml;glichkeit gegeben, insbesondere auch die Steuerpflicht von Personentransportdienstleistern und Vermietern von Ferienunterk&uuml;nften zu pr&uuml;fen, die ihre Leistungen &uuml;ber solche Plattformen vertreiben.&nbsp;&nbsp;</p> <h5>1.1.3.2 Administrative Massnahmen</h5> <p>Gegen&uuml;ber Versandh&auml;ndlern, die einen Umsatz von mindestens CHF 100'000 im Jahr aus einfuhrsteuerbefreiten Kleinsendungen erzielen, kann die ESTV zudem sogenannte administrative Massnahmen anordnen.^{<a title="" href="#_ftn11" name="_ftnref11">11</a>}</p> <p>Sofern sich eine Versandh&auml;ndlerin bzw. eine Versandhandelsplattform nicht in das Register der steuerpflichtigen Personen eintragen l&auml;sst oder ihrer Deklarations- und Zahlungspflichten nicht oder nur teilweise nachkommt, kann die ESTV ein Einfuhrverbot von einfuhrsteuerbefreiten Kleinsendungen verf&uuml;gen. Kommt die Versandh&auml;ndlerin trotz Einfuhrverbot ihrer Pflichten weiterhin nicht nach, kann die ESTV sogar die entsch&auml;digungslose Vernichtung der Gegenst&auml;nde verf&uuml;gen. Vor Verf&uuml;gung administrativer Massnahmen ist die steuerpflichtige Person durch die ESTV anzuh&ouml;ren. Zudem hat die ESTV zuerst das mildere Mittel des Einfuhrverbots zu verf&uuml;gen. Die K&auml;ufer sind mangels Praktikabilit&auml;t vorg&auml;ngig nicht anzuh&ouml;ren, obwohl die administrativen Massnahmen einen Eingriff in ihr Eigentumsrecht darstellen. Damit diese sich jedoch vor Eingriffen in ihr Eigentumsrecht sch&uuml;tzen k&ouml;nnen, wird die ESTV die Namen der Versandh&auml;ndler bzw. Versandhandelsplattformen ver&ouml;ffentlichen, gegen die mit rechtskr&auml;ftiger Verf&uuml;gung administrative Massnahmen verh&auml;ngt worden sind. Den Konsumenten wird so vor einem Kauf der Ware die M&ouml;glichkeit gegeben zu pr&uuml;fen, ob sie bei einer Versandh&auml;ndlerin bzw. einer Versandhandelsplattform bestellen, die sich gesetzeskonform verh&auml;lt.</p> <h3>1.2 Internationalisierung</h3> <p>Bei den Ortsbestimmungsregelungen von Dienstleistungen kommt es zu zwei Anpassungen, um dem Gehalt der Dienstleistung und dem Ort ihrer Verwendung besser gerecht zu werden.</p> <h4>1.2.1 Organisationsdienstleistungen</h4> <p>Die Dienstleistungen von Organisatoren werden unter dem derzeit noch g&uuml;ltigen Gesetz dort besteuert, wo der Organisator den Sitz seiner wirtschaftlichen T&auml;tigkeit hat.^{<a title="" href="#_ftn12" name="_ftnref12">12</a>} Mit Inkrafttreten des revMWSTG unterliegen Organisationsdienstleistungen neu dem Empf&auml;ngerortsprinzip.^{<a title="" href="#_ftn13" name="_ftnref13">13</a>}</p> <h4>1.2.2 Streamingleistungen</h4> <p>Auch der zunehmenden Digitalisierung von Dienstleistungen im Bereich der Kultur, der K&uuml;nste, des Sports, des Unterrichts, der Wissenschaft und der Unterhaltung tr&auml;gt das revMWSTG Rechnung.</p> <p>Das T&auml;tigkeitsprinzip zur Ortsbestimmung wird nur noch dann zur Anwendung kommen, wenn die Dienstleistungen unmittelbar gegen&uuml;ber vor Ort physisch anwesenden Personen erbracht werden.^{<a title="" href="#_ftn14" name="_ftnref14">14</a>} Werden diese online erbracht, z.B. Fernkurse bildender Art, findet neu ebenfalls das Empf&auml;ngerortsprinzip Anwendung.^{<a title="" href="#_ftn15" name="_ftnref15">15</a>}</p> <h3>1.3 Steuerreduktionen</h3> <h4>1.3.1 Mehrwertsteuerausnahmen</h4> <p>Das revMWSTG enth&auml;lt zudem Ausweitungen bestehender Steuerausnahmen sowie neue Steuerausnahmen.</p> <h5>1.3.1.1 Gesundheits- und Sozialwesen</h5> <p>Im Bereich des Gesundheitswesens wird neu auch die Zurverf&uuml;gungstellung von Infrastruktur an Beleg&auml;rzte durch Ambulatorien und Tageskliniken f&uuml;r die &auml;rztliche Heilbehandlung im Bereich der Humanmedizin von der Steuerausnahme umfasst.^{<a title="" href="#_ftn16" name="_ftnref16">16</a>} Ebenso von der Steuer ausgenommen wird insk&uuml;nftig die koordinierte Versorgung im Zusammenhang mit Heilbehandlungen (sog. &laquo;Managed Care Services&raquo;).^{<a title="" href="#_ftn17" name="_ftnref17">17</a>} Die Steuerausnahme f&uuml;r Leistungen von Organisationen der Krankenpflege und der Hilfe zu Hause (Spitex) wird erweitert und ist gem. Art. 21 Abs. 2 Ziff. 8 revMWSTG nicht mehr auf gemeinn&uuml;tzige Spitex Organisationen beschr&auml;nkt. Auch beim Zurverf&uuml;gungstellen von Personal durch nichtgewinnstrebige Einrichtungen f&uuml;r Zwecke der Krankenbehandlung etc. ist die Steuerausnahme nicht mehr auf Einrichtungen religi&ouml;ser oder weltanschaulicher Art beschr&auml;nkt.^{<a title="" href="#_ftn18" name="_ftnref18">18</a>}</p> <h5>1.3.1.2 Kultur</h5> <p>Eine Gleichbehandlung mit dem Sport erfahren Entgelte f&uuml;r die Zulassung zur aktiven Teilnahme an kulturellen Anl&auml;ssen (z.B. Einschreibegeb&uuml;hren) samt den darin eingeschlossenen Nebenleistungen wie Medaillen, T-Shirts, Verpflegung sowie dem in Verbindung mit der kulturellen Veranstaltung stehende Personentransport. Auch diese sind neu von der Steuer ausgenommen.^{<a title="" href="#_ftn19" name="_ftnref19">19</a>}</p> <h5>1.3.1.3 Bildung und Erziehung</h5> <p>Eine Anpassung hat es in der Formulierung der Steuerausnahme f&uuml;r Leistungen im Bereich der Bildung und Erziehung gegeben. Der Begriff der &laquo;Fortbildung&raquo; ist in Art. 21 Abs. 2 Ziff. 11 lit. a revMWSTG durch den Begriff der &laquo;Weiterbildung&raquo; ersetzt worden. Welche materiellen &Auml;nderungen sich hierdurch ergeben, ist den Gesetzesmaterialien nicht zu entnehmen. Auch in der &nbsp;E-MWSTV sind diesbez&uuml;glich keine Ausf&uuml;hrungsbestimmungen enthalten, so dass die &uuml;berarbeitete Verwaltungspraxis der ESTV abzuwarten ist.</p> <h5>1.3.1.4 Anlagegruppen von Anlagestiftungen</h5> <p>Neu in die Liste der Steuerausnahmen wurde das Anbieten und die Verwaltung von Anlagegruppen von Anlagestiftungen gem&auml;ss Bundesgesetz &uuml;ber die berufliche Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge (BVG) aufgenommen.^{<a title="" href="#_ftn20" name="_ftnref20">20</a>}&nbsp;Hier kam der Gesetzgeber einem seit langem bestehendem Anliegen von Anlagestiftungen und unterschiedlichen Interessenverb&auml;nden nach.</p> <h5>1.3.1.5 Reiseb&uuml;ros</h5> <p>Urspr&uuml;nglich hatte der Gesetzgeber vorgesehen, ausl&auml;ndischen Reiseb&uuml;ros und Tour Operator, die Reiseleistungen im Inland anbieten, von der Steuer zu befreien. Dies h&auml;tte inl&auml;ndische Anbieter benachteiligt, die ihre Leistungen weiterhin zu versteuern gehabt h&auml;tten. Neu sind durch Reiseb&uuml;ros weiterverkaufte Reiseleistungen und die damit zusammenh&auml;ngenden Dienstleistungen der Reiseb&uuml;ros an dem Ort zu versteuern, an dem die das Reiseb&uuml;ro betreibende Person den Sitz der wirtschaftlichen T&auml;tigkeit hat.^{<a title="" href="#_ftn21" name="_ftnref21">21</a>} Die durch das Reiseb&uuml;ro weiterverkauften Reiseleistungen und die damit zusammenh&auml;ngenden Dienstleistungen der Reiseb&uuml;ros werden zudem von der Steuer ausgenommen.^{<a title="" href="#_ftn22" name="_ftnref22">22</a>} Sofern diese Leistungen im Ausland bewirkt oder genutzt werden, kann ein steuerpflichtiges Reiseb&uuml;ro den Vorsteuerabzug vornehmen.^{<a title="" href="#_ftn23" name="_ftnref23">23</a>}</p> <h5>1.3.1.6 Gemeinwesen</h5> <p>Leistungen zwischen Anstalten oder Stiftungen und den an der Gr&uuml;ndung beteiligten Gemeinwesen und deren Organisationseinheiten sind momentan nur dann von der Steuer ausgenommen, wenn die Anstalten oder Stiftungen ausschliesslich von Gemeinwesen gegr&uuml;ndet wurden. Neu wird nicht mehr der Umstand ausschlaggebend sein, dass bei der Gr&uuml;ndung ausschliesslich Gemeinwesen beteiligt gewesen sind. Vielmehr m&uuml;ssen die Gr&uuml;nder oder Tr&auml;ger, also die aktuellen Beteiligten, ausschliesslich Gemeinwesen sein, damit die Steuerausnahme Anwendung finden kann.^{<a title="" href="#_ftn24" name="_ftnref24">24</a>}</p> <p>Zudem sind Steuerpflichtige regelm&auml;ssig vor die schwierige Abgrenzung gestellt, ob es sich bei Mitteln der &ouml;ffentlichen Hand um ein Leistungsentgelt oder aber um eine Subvention handelt, die eine Vorsteuerk&uuml;rzung zur Folge hat. Um den Steuerpflichtigen im Bereich der Subventionen und anderer &ouml;ffentlichen Beitr&auml;ge Rechtssicherheit zu geben, sieht das Gesetz neu eine Fiktion f&uuml;r Mehrwertsteuerzwecke vor.^{<a title="" href="#_ftn25" name="_ftnref25">25</a>} Bezeichnet ein Gemeinwesen von ihm ausgerichtete Mittel gegen&uuml;ber der Empf&auml;ngerin ausdr&uuml;cklich als Subvention oder als anderen &ouml;ffentlich-rechtlichen Beitrag, so gelten diese Mittel als Subvention oder als anderer &ouml;ffentlich-rechtlicher Beitrag im Sinne der Mehrwertsteuer. Die E-MWSTV sieht hierzu vor, dass ein Gemeinwesen Mittel gegen&uuml;ber der Empf&auml;ngerin bis zum Ablauf der Finalisierungsfrist^{<a title="" href="#_ftn26" name="_ftnref26">26</a>} jener Steuerperiode, in der die Auszahlung erfolgte, als Subvention oder anderen &ouml;ffentlich-rechtlichen Beitrag bezeichnen kann.^{<a title="" href="#_ftn27" name="_ftnref27">27</a>}</p> <p>Dies gilt nicht f&uuml;r den umgekehrten Fall, in dem ein Gemeinwesen Mittel als Leistungsentgelt bezeichnet. In diesem Fall gelten die allgemeinen Nachweis- und Beweisf&uuml;hrungspflichten.</p> <h4>1.3.2 Steuers&auml;tze</h4> <p>Auf Produkte f&uuml;r die Monatshygiene findet neu der reduzierte Mehrwertsteuersatz Anwendung.^{<a title="" href="#_ftn28" name="_ftnref28">28</a>}</p> <h3>1.4 Betrugsbek&auml;mpfung</h3> <p>Das revMWSTG sieht zwei wesentliche Massnahmen zur Betrugsbek&auml;mpfung vor.</p> <h4>1.4.1 Handel mit Emissionsrechten</h4> <p>Durch internationalen Karussellbetrug beim Handel mit Emissionsrechten und &auml;hnlichen Rechten wurden insbesondere in der EU j&auml;hrlich finanzielle Sch&auml;den von mehreren Milliarden Euro verursacht. Zur Betrugsverhinderung hat die EU bereits im Fr&uuml;hjahr 2010 die Mitgliedsstaaten erm&auml;chtigt, die subjektive Steuerpflicht auf den Leistungsempf&auml;nger zu &uuml;bertragen (Reverse Charge).</p> <p>Bis zum Urteil des Bundesgerichts vom 9. April 2019^{<a title="" href="#_ftn29" name="_ftnref29">29</a>}&nbsp;stufte die ESTV die &Uuml;bertragung derartiger Emissionsrechte oder -zertifikate als von der Steuer ausgenommenen Handel mit Wertrechten ein. Seit diesem Bundesgerichtsurteil werden solche &Uuml;bertragungen nun jedoch als steuerbare Dienstleistungen qualifiziert, die nach dem Empf&auml;ngerortsprinzip zu versteuern sind.</p> <p>In Anlehnung an die europ&auml;ischen Rahmenbedingungen wird durch die Einf&uuml;hrung der Bezugsteuer auf alle &Uuml;bertragungen derartiger Rechte, Zertifikate und dergleichen^{<a title="" href="#_ftn30" name="_ftnref30">30</a>}&nbsp;sichergestellt, dass die Steuerschuld und der Vorsteuerabzug stets beim gleichen Steuersubjekt anfallen. Dabei spielt es keine Rolle, ob der oder die &Uuml;bertragende Sitz im Ausland oder im Inland hat. Durch die Bezugsteuerpflicht auch bei inl&auml;ndischen Transaktionen kann keine Vorsteuer mehr zur&uuml;ckgefordert werden, die nicht auch als Umsatzsteuer entrichtet wurde.</p> <h4>1.4.2 Serienkonkurse</h4> <p>Zur Bek&auml;mpfung des organisierten Betrugs mit Serienkonkursen wird die ESTV in Art. 93 Abs. 1bis revMWSTG erm&auml;chtigt, von einem Mitglied des gesch&auml;ftsf&uuml;hrenden Organs einer juristischen Person unter gewissen Voraussetzungen eine Sicherheit f&uuml;r Steuern, Zinsen und Kosten, die von dieser juristischen Person geschuldet sind oder voraussichtlich geschuldet werden, zu verlangen. Voraussetzung hierf&uuml;r ist, dass das betreffende Mitglied dem gesch&auml;ftsf&uuml;hrenden Organ von mindestens zwei weiteren juristischen Personen angeh&ouml;rte, &uuml;ber die innerhalb einer kurzen Zeitspanne der Konkurs er&ouml;ffnet worden ist und Anhaltspunkte daf&uuml;r vorliegen, dass sich das betreffende Mitglied im Zusammenhang mit diesen Konkursen strafbar verhalten hat.</p> <h3>1.5 Vereinfachungen</h3> <h4>1.5.1 J&auml;hrliche Abrechnung</h4> <p>F&uuml;r KMUs bedeutet die quartalsweise Abrechnung der Mehrwertsteuer einen hohen administrativen Aufwand. Um diese, aber auch die ESTV, zu entlasten, k&ouml;nnen KMUs mit einem j&auml;hrlichen Umsatz aus steuerbaren Leistungen von nicht mehr als CHF 5'005'000 unabh&auml;ngig von der gew&auml;hlten Abrechnungsmethode auf Antrag die Mehrwertsteuer j&auml;hrlich abrechnen.^{<a title="" href="#_ftn31" name="_ftnref31">31</a>} Unterj&auml;hrig sind entsprechend der bisherigen Abrechnungsperioden, d.h. bei effektiver Abrechnungsmethode sowie der Abrechnung nach Pauschalsteuers&auml;tzen quartalsweise und bei der Abrechnung nach Saldosteuers&auml;tzen halbj&auml;hrlich, Ratenzahlungen zu leisten. Die Raten werden durch die ESTV entsprechend der Steuerforderung der letzten Steuerperiode festgesetzt, k&ouml;nnen auf Antrag der steuerpflichtigen Person jedoch angepasst werden. Die unterj&auml;hrig bezahlten Raten werden dann an die Steuerforderung gem&auml;ss eingereichter Jahresabrechnung angerechnet.^{<a title="" href="#_ftn32" name="_ftnref32">32</a>}&nbsp;</p> <p>Ein Wechsel zur j&auml;hrlichen Abrechnung mittels Raten ist jeweils auf den Beginn einer Steuerperiode m&ouml;glich.^{<a title="" href="#_ftn33" name="_ftnref33">33</a>}&nbsp;Steuerpflichtige, die bereits mit dem voraussichtlichen Inkrafttreten des revMWSTG am 1. Januar 2025 j&auml;hrlich abrechnen m&ouml;chten, haben dies bei der ESTV bis zum 1. M&auml;rz 2025 zu beantragen.</p> <h4>1.5.2 Verzicht auf Steuerstellvertreter</h4> <p>Ausl&auml;ndische Unternehmen, die sich im Inland f&uuml;r Mehrwertsteuerzwecke registrieren m&ouml;chten, haben bisher einen Steuerstellvertreter zu bestellen. Die Pflichten des Steuerstellvertreters sind rein administrativer Art. Er nimmt die Korrespondenz der Steuerverwaltungen entgegen und leitet diese dem Steuerpflichtigen weiter. Besondere Relevanz hat dies bei der Zustellung von amtlichen Schriftst&uuml;cken, namentlich Verf&uuml;gungen, welche grunds&auml;tzlich im Inland zu erfolgen hat, da dies im Ausland ausschliesslich der territorial zust&auml;ndigen Beh&ouml;rde zusteht.</p> <p>Die ESTV kann insk&uuml;nftig auf die Bestimmung eines Steuervertreters verzichten, sofern die Erf&uuml;llung der Verfahrenspflichten durch die steuerpflichtige Person und der rasche Vollzug des Mehrwertsteuergesetzes auf andere Weise gew&auml;hrleistet sind.^{<a title="" href="#_ftn34" name="_ftnref34">34</a>}&nbsp;Damit sollen f&uuml;r ausl&auml;ndische Unternehmen die H&uuml;rden f&uuml;r eine Mehrwertsteuerregistrierung im Inland weiter gesenkt und die Gleichbehandlung mit inl&auml;ndischen Unternehmen sichergestellt werden.&nbsp;</p> <p>Bisher sieht nur das Doppelbesteuerungsabkommen der Schweiz mit Frankreich die M&ouml;glichkeit einer direkten postalischen Zustellung von amtlichen Schriftst&uuml;cken und Dokumenten betreffend die Eintreibung von Steuern ins Ausland vor.^{<a title="" href="#_ftn35" name="_ftnref35">35</a>}&nbsp;Die praktische Relevanz dieser Erleichterung bleibt daher abzuwarten.</p> <h3>1.6 Inkrafttreten</h3> <p>Das im Rahmen der Teilrevision der Mehrwertsteuer ge&auml;nderte Gesetz unterlag dem fakultativen Referendum. Nachdem die Referendumsfrist am 5. Oktober 2023 unbenutzt verstrichen ist, sollen das revMWSTG wie auch die teilrevidierte Mehrwertsteuerverordnung, deren Entwurf sich noch bis zum 8. Februar 2024 in der Vernehmlassung befindet, am 1. Januar 2025 in Kraft treten. Im Verlauf des Jahres 2024 sollen dann auch die neuen Praxisbestimmungen der ESTV folgen. Insbesondere zur Umsetzung der neuen Regelungen zur Besteuerung von Versandhandelsplattformen wird den Steuerpflichtigen somit nicht viel Zeit bleiben, sollte der Bundesrat am Inkrafttreten per 1. Januar 2025 festhalten.</p> <p>Aufgrund staatsvertraglicher Vereinbarungen zwischen der Schweiz und Liechtenstein bilden die Gebiete beider Staaten ein gemeinsames &laquo;Mehrwertsteuerinland&raquo;. Liechtenstein hat sich dabei verpflichtet, das materielle Schweizer Mehrwertsteuerrecht zu &uuml;bernehmen. Die &Auml;nderungen des Schweizer Mehrwertsteuergesetzes im Rahmen der Teilrevision sind daher auch in das liechtensteinische Mehrwertsteuergesetz zu &uuml;bernehmen. Ein Entwurf von diesem liegt bis anhin noch nicht vor.</p> <h2>2. Aktuelle Entwicklungen</h2> <h3>2.1 Erh&ouml;hung der Steuers&auml;tze</h3> <p>Bereits am 1. Januar 2024 wurden die Mehrwertsteuers&auml;tze wie folgt erh&ouml;ht:</p> <p><img src="https://images.ctfassets.net/bgpaxzxi3eyz/7jDxyAzavvP89AOdVHM6gP/4c0628da1da0b16092e14ecc4fc812e8/2024_Grafik_A2.png" alt="Die neuen S&auml;tze der Mehrwertsteuer (MWST) ab 1. Januar 2024. Eine Tabelle aus dem Artikel von Thomas Patt und Martin A. Meyer." width="900" height="171" /></p> <p>Die Steuersatzerh&ouml;hung hat auch Auswirkungen auf die Saldosteuer- und Pauschalsteuers&auml;tze, welche der Homepage der ESTV entnommen werden k&ouml;nnen.^{<a title="" href="#_ftn36" name="_ftnref36">36</a>}</p> <p>Massgebend f&uuml;r den anzuwendenden Steuersatz sind weder das Datum der Rechnungsstellung noch der Zahlung, sondern der Zeitpunkt der Leistungserbringung. Bei periodischen Leistungen (z.B. Abonnement) ist der Zeitraum der Leistungserbringung entscheidend.</p> <p>Bis zum 31. Dezember 2023 erbrachte Leistungen unterliegen den bisherigen Steuers&auml;tzen, ab dem 1. Januar 2024 erbrachte Leistungen den neuen Steuers&auml;tzen. Werden Leistungen, die aufgrund des Zeitraumes ihrer Erbringung sowohl den bisherigen als auch den neuen Steuers&auml;tzen unterliegen, auf derselben Rechnung aufgef&uuml;hrt, sind das Datum oder der Zeitraum der Leistungserbringung und der jeweils darauf entfallende Betragsanteil getrennt auszuweisen. Andernfalls sind die gesamten fakturierten Leistungen mit den neuen Steuers&auml;tzen abzurechnen.</p> <p>Bei Leistungen, welche der Bezugsteuer nach <a href="https://www.fedlex.admin.ch/eli/cc/2009/615/de#art_45" target="_blank" rel="noopener">Art. 45 MWSTG</a> unterliegen, ist einzig der Zeitpunkt (bzw. Zeitraum) des Leistungsbezugs massgebend daf&uuml;r, welcher Steuersatz anzuwenden ist. Das Datum der Zahlung oder Rechnung ist nicht massgebend f&uuml;r den anwendbaren Steuersatz, jedoch f&uuml;r die Bestimmung der Entstehung der Bezugsteuerschuld.</p> <p>Werden Leistungen, die aufgrund des Zeitraumes ihrer Erbringung (bzw. des Zeitraumes ihres Bezugs) sowohl den bisherigen als auch den neuen Steuers&auml;tzen unterliegen, auf derselben Rechnung aufgef&uuml;hrt, sind das Datum oder der Zeitraum der Leistungserbringung und der jeweils darauf entfallende Betragsanteil getrennt auszuweisen.</p> <p>Weitere Informationen zur korrekten Umsetzung der Steuersatzerh&ouml;hung k&ouml;nnen der <a href="https://www.gate.estv.admin.ch/mwst-webpublikationen/public/pages/taxInfos/tableOfContent.xhtml?publicationId=1003601" target="_blank" rel="noopener">MWST-Info 19 &laquo;Steuersatzerh&ouml;hung per 1. Januar 2024&raquo;</a> entnommen werden.</p> <h3>2.2 Verzugs- und Verg&uuml;tungszins</h3> <p>Das Eidgen&ouml;ssische Finanzdepartement hat die Verg&uuml;tungs- und Verzugszinsen f&uuml;r Bundessteuern und -abgaben an das gestiegene Zinsniveau angepasst. Am 1. Januar 2024 wurde im Bereich der Mehrwertsteuer sowohl der Verzugszins als auch der Verg&uuml;tungszins von 4.0% auf 4.75% angehoben.</p> <h3>2.3 Vermittlung im Finanzbereich</h3> <p>Im Bereich der von der Steuer ausgenommenen Vermittlung von Finanzdienstleistungen nach <a href="https://www.fedlex.admin.ch/eli/cc/2009/615/de#art_21" target="_blank" rel="noopener">Art. 21 Abs. 2 Ziff. 19 MWSTG</a> sind die bestehenden Unklarheiten, insbesondere betreffend das Eigeninteresse des Vermittlers, auch durch zwei neue Entscheide des Bundesverwaltungsgerichts (&laquo;BVGer&raquo;) nicht beseitigt worden.</p> <p>In einem Entscheid hat das BVGer^{<a title="" href="#_ftn37" name="_ftnref37">37</a>} festgehalten, dass die namentliche Erw&auml;hnung der Ablieferungspflicht nach <a href="https://www.fedlex.admin.ch/eli/cc/27/317_321_377/de#art_400" target="_blank" rel="noopener">Art. 400 Abs. 1 OR</a> als Vorliegen eines Eigeninteresses in Ziff.&nbsp;5.10.1 der MWST-Branchen-Info 14 keine abschliessende Aufz&auml;hlung darstellt. In seinem Entscheid hat das BVGer sich leider nicht weiter damit auseinandersetzen m&uuml;ssen. Es hat jedoch zumindest angemerkt, dass im vorliegenden Fall offenbleiben kann, ob sich diese Ablieferungspflicht als geeignetes Kriterium zur Abgrenzung des Eigeninteresses im Sinne von <a href="https://www.fedlex.admin.ch/eli/cc/2009/615/de#art_21" target="_blank" rel="noopener">Art.&nbsp;21 Abs. 2 Ziff. 19 MWSTG</a> erweist. Die Ablieferungspflicht als Abgrenzungskriterium wird in der Praxis vielfach kritisiert. In seinem Entscheid ist das BVGer erstmals der Konkretisierung des Eigeninteresses im Sinne des mehrwertsteuerlichen Vermittlungsbegriffs am Inhalt des Vertrags durch das Bundesgericht (&laquo;BGer&raquo;)^{<a title="" href="#_ftn38" name="_ftnref38">38</a>}&nbsp;in einem Urteil zur Stempelabgabe gefolgt. Darin hatte das BGer im Sinne eines obiter dictums festgehalten, dass die Frage, welches (Eigen-) Interesse der vermeintliche Vermittler am Gesch&auml;ft habe, ein wirtschaftlicher Gesichtspunkt sei. Das Urteil des BVGer wurde nicht weitergezogen und ist rechtskr&auml;ftig.&nbsp;</p> <p>In einem weiteren Fall^{<a title="" href="#_ftn39" name="_ftnref39">39</a>}&nbsp;musste sich das BVGer mit der Frage auseinandersetzen, ob ein ausgenommener Vermittlungsumsatz eines ebenfalls ausgenommenen Grundumsatzes im Finanzbereich bedarf. Konkret ging es um die steuerliche Behandlung einer Vermittlungst&auml;tigkeit im Zusammenhang mit im Rahmen einer Kapitalerh&ouml;hung ausgegebenen Aktien, welche ein Nicht-Entgelt nach <a href="https://www.fedlex.admin.ch/eli/cc/2009/615/de#art_18" target="_blank" rel="noopener">Art. 18 Abs. 2 lit. e MWSTG</a> darstellt. Entsprechend seiner Auslegung kam das BVGer zum Schluss, dass eine Vermittlungsleistung nur dann von der Steuer ausgenommen sein kann, wenn ein von der Steuer ausgenommener Umsatz von Wertpapieren, Wertrechten und Derivaten sowie von Anteilen an Gesellschaften und anderen Vereinigungen vermittelt wird. Damit verh&auml;lt sich eine Vermittlungsleistung im Sinne von <a href="https://www.fedlex.admin.ch/eli/cc/2009/615/de#art_21" target="_blank" rel="noopener">Art. 21 Abs. 2 Ziff. 19 lit.&nbsp;e MWSTG</a> akzessorisch zum vermittelten Grundgesch&auml;ft und teilt somit dessen mehrwertsteuerliches Schicksal. Dieser Entscheid ist nicht rechtskr&auml;ftig und wurde an das BGer weitergezogen.</p> <h3>2.4 Domizilgesellschaften</h3> <p>Am 20. Juni 2023 hat die ESTV einen Entwurf zur Anpassung ihrer Verwaltungspraxis betreffend die Besteuerung von Domizilgesellschaften ver&ouml;ffentlicht.</p> <p>Die vorgesehene neue Definition einer Domizilgesellschaft deutet auf eine Begriffsausweitung hin. Neu soll unter einer (in- oder ausl&auml;ndischen) Domizilgesellschaft f&uuml;r die Belange der Mehrwertsteuer eine Gesellschaft verstanden werden, welche lediglich einen statutarischen Sitz aufweist, mithin nicht &uuml;ber substanziell ausreichend Infrastruktur verf&uuml;gt, also auch nicht &uuml;ber gen&uuml;gend und hinreichend qualifiziertes Personal, und vor Ort keine eigentliche Gesch&auml;ftst&auml;tigkeit aus&uuml;bt. Nicht als Gesch&auml;ftst&auml;tigkeit im hiervor beschriebenen Sinn gilt namentlich das Erwerben, Halten und Ver&auml;ussern von Beteiligungen und Wertschriften, sofern die Beteiligungen resp. Wertschriften lediglich der Verwahrung des Verm&ouml;gens des wirtschaftlich Berechtigten dienen und die Domizilgesellschaft somit nicht am Wirtschaftsverkehr teilnimmt. Die Rechtsform der zur Beurteilung stehenden Gesellschaft ist unerheblich. Mit der expliziten Nennung des Erwerbens, Haltens und Ver&auml;usserns von Beteiligungen scheinen insbesondere Holdinggesellschaften neu in den Fokus der ESTV zu r&uuml;cken.</p> <p>Zudem scheint die ESTV ihre Praxis zur Besteuerung von empf&auml;ngerortsbesteuerten Dienstleistungen an ausl&auml;ndische Domizilgesellschaften zu versch&auml;rfen. Im Praxisentwurf wird festgehalten wird, dass der Nachweis des ausl&auml;ndischen Leistungsorts als steuermindernde Tatsache den steuerpflichtigen Leistungserbringern obliegt. Bisher hatten insbesondere Banken und sonstige Finanzintermedi&auml;re ihre empf&auml;ngerortsbesteuerten Leistungen an ausl&auml;ndische Domizilgesellschaften zu versteuern, sofern sie aufgrund der Informationen, welche sie nach ihren Standesregelungen und Sorgfaltspflichten zu den wirtschaftlichen Berechtigten einzuholen haben, nicht eine mehrheitlich ausl&auml;ndische Beherrschung nachweisen konnten. Nun mehr scheint die ESTV diesen Nachweis von jedem steuerpflichtigen Leistungserbringer zu fordern, damit dieser seine Leistung an eine ausl&auml;ndische Domizilgesellschaft ohne inl&auml;ndische Mehrwertsteuer abrechnen kann.&nbsp;&nbsp;</p> <p>Auch bei den weiteren Besteuerungsfolgen w&uuml;rden sich &Auml;nderungen ergeben. Momentan l&auml;sst die ESTV den Gegenbeweis im Fall eines Durchgriffs zu. Dies bedeutet, dass im Fall einer ausl&auml;ndischen Domizilgesellschaft der Nachweis m&ouml;glich ist, dass diese durch eine inl&auml;ndische passive Investmentgesellschaft gehalten wird, deren Mehrheit der Beteiligungsrechte durch Personen mit Gesch&auml;fts- oder Wohnsitz im Ausland gehalten werden. Der Ort der Leistung von Dienstleistungen nach <a href="https://www.fedlex.admin.ch/eli/cc/2009/615/de#art_8" target="_blank" rel="noopener">Art. 8 Abs. 1 MWSTG</a>, welche durch einen inl&auml;ndischen Leistungserbringer an die ausl&auml;ndische Domizilgesellschaft erbracht wurden, befindet sich dann im Ausland und wird folglich im Inland nicht besteuert.</p> <p>Gem&auml;ss &Auml;nderung von Beispiel 3 im Praxisentwurf beabsichtigt die ESTV den Gegenbeweis insk&uuml;nftig nicht mehr zuzulassen und eine Besteuerung von Dienstleistungen nach <a href="https://www.fedlex.admin.ch/eli/cc/2009/615/de#art_8" target="_blank" rel="noopener">Art. 8 Abs. 1 MWSTG</a> vorzunehmen, die von inl&auml;ndischen Leistungserbringern an eine ausl&auml;ndische Domizilgesellschaft erbracht werden, welche mehrheitlich von einer inl&auml;ndischen passiven Domizilgesellschaft gehalten wird.&nbsp;</p> <p>Die Publikation der definitiven neuen Praxis zu Domizilgesellschaften steht noch aus, nachdem die Frist zur Stellungnahme zum Praxisentwurf bereits am 31. Juli 2023 abgelaufen ist. Betroffene Steuerpflichtige sollten die weiteren Entwicklungen in diesem Bereich eng verfolgen.</p> <h2>3. Fazit und Ausblick</h2> <p>Mit der Mehrwertsteuer werden wirtschaftliche Vorg&auml;nge besteuert. Da sich die Wirtschaft, die Gesch&auml;ftsmodelle und auch Arten des Konsums durch die Verbraucher in einem steten Wandel befinden, ist der Gesetzgeber in immer k&uuml;rzeren Abst&auml;nden gezwungen, auch das Mehrwertsteuergesetz zu reformieren. Die n&auml;chste Anpassung scheint sich mit der Aufnahme der elektronischen Dienstleistungen in die Plattformbesteuerung bereits am Horizont abzuzeichnen.</p> <p>Da es sich bei der Mehrwertsteuer um eine Selbstdeklarationssteuer handelt, ist es die Pflicht und Aufgabe der Steuerpflichtigen herauszufinden, von welchen &Auml;nderungen sie betroffen sind, und sicherzustellen, dass sie auch zuk&uuml;nftig die Steuer gegen&uuml;ber der ESTV wie auch der liechtensteinischen Steuerverwaltung korrekt abrechnen.</p> <p>Die Einf&uuml;hrung von neuen Steuerausnahmen und insbesondere die neue Besteuerung von Versandhandelsplattformen erfordern zum Teil erhebliche Anpassungen in den ERP-Systemen sowie Prozessen der Kreditoren- und Debitorenabteilungen. Diese erfordern sorgf&auml;ltige Planung sowie entsprechende Vorlaufzeiten und sollten daher zeitnah in Angriff genommen werden.&nbsp;&nbsp;</p> <p>Die Umsetzung der Steuersatzerh&ouml;hung musste hingegen schon vor dem Jahresende erfolgen, da Kreditoren- wie auch Debitorenrechnungen zum Teil Leistungsperioden umfassten, die bereits bis in das Jahr 2024 reichten.</p></article>