Automatisierung der kantonalen Steuerveranlagung

<article class="rz"><h2>1. Einleitung<a title="" href="#_ftn1" name="_ftnref1"><strong>⁰¹</strong></a></h2> <h3>1.1 Automatisierung der Kernt&auml;tigkeiten</h3> <p>Die Kernaufgaben der kantonalen Steuerverwaltungen sind die Veranlagung und der Bezug der erhobenen Steuern.<a title="" href="#_ftn2" name="_ftnref2">⁰²</a> Im vorliegenden Beitrag fokussieren wir auf die Veranlagung, welche als ein Verwaltungsverfahren die &uuml;blichen drei Stadien der Einleitung, der Ermittlung und des Entscheids durchl&auml;uft.<a title="" href="#_ftn3" name="_ftnref3">⁰³</a> In all diesen Phasen nutzen die Steuerverwaltungen technische Hilfsmittel, wozu inzwischen vor allem Fachapplikationen geh&ouml;ren. Uns interessiert vorliegend besonders die Bearbeitung der Steuererkl&auml;rungen, welche die Pr&uuml;fung und allenfalls n&auml;here Untersuchung des Sachverhaltes, die steuerrechtliche Beurteilung und den Entscheid mittels Veranlagungsverf&uuml;gung beinhaltet. Dabei setzen die Steuerverwaltungen algorithmische, regelbasierte Anwendungen ein, um die mit den Steuererkl&auml;rungen erhaltenen und aus weiteren Quellen verf&uuml;gbaren Informationen automatisiert zu verarbeiten und gest&uuml;tzt darauf unter gewissen Voraussetzungen automatische Veranlagungsverf&uuml;gungen vorzunehmen.<a title="" href="#_ftn4" name="_ftnref4">⁰⁴</a></p> <h3>1.2 KI auf dem Vormarsch</h3> <p>Am Horizont bereits erkennbar ist ein weiterer technologischer Sprung, hin zu &laquo;KI&raquo;-Veranlagungen, bei denen das Veranlagungssystem aus einer Vielzahl von Daten mehr oder weniger autonom die Regeln bildet, welche es auf die zu beurteilenden F&auml;lle anwendet. Die Anwendung von k&uuml;nstlicher Intelligenz (KI) durch Beh&ouml;rden im Steuerbereich ist in der Schweiz auf dem Vormarsch.<a title="" href="#_ftn5" name="_ftnref5">⁰⁵</a> Dass es sich mit oder ohne KI-Einsatz bei jeder Art von automatisierter Veranlagung nicht mehr um Taschenrechner oder Excel-Tabellen handelt, welche die Mitarbeitenden der Steuerverwaltungen bloss bei ihrer Veranlagungst&auml;tigkeit unterst&uuml;tzen, ist offensichtlich. Die neueren Entwicklungen f&uuml;hren zu einer vom historischen Gesetzgeber quantitativ und qualitativ nicht vorhersehbaren Bearbeitung der Daten der Steuerpflichtigen. Die Gesetzgebung hinkt naturgem&auml;ss nach.</p> <h3>1.3 Digitalisierung in den K&ouml;pfen</h3> <p>Die Tempounterschiede zwischen technologiegetriebener digitaler Transformation und gesellschaftlich-politischer Auseinandersetzung, die in Gesetzgebungsprozesse m&uuml;ndet, erzeugen Spannungsfelder. Diese manifestieren sich mitunter im Verwaltungsbetrieb, wenn sich digitale Innovation durch ein z&auml;hfl&uuml;ssiges Recht behindert oder umgekehrt das Rechtsbewusstsein durch eine agile Digitalisierungswelle bedr&auml;ngt w&auml;hnt.</p> <p>Solche Symptome indizieren, dass eine Organisation ihren Reifegrad f&uuml;r die digitale Transformation noch erh&ouml;hen muss. Dazu geh&ouml;rt ein gemeinsames Verst&auml;ndnis der digitalen Transformation von Beh&ouml;rden im Rechtsstaat. Eine gelingende Digitalisierung ist mithin nicht bloss eine Frage der Technik und ihrer Umsetzung sowie des Rechtsrahmens. Letzterer bildet indes Gegenstand unseres Beitrags und wird nachfolgend n&auml;her behandelt.</p> <h3>1.4 Zwischen Legitimation und Innovation</h3> <p>Im Sinne der vorstehenden Ausf&uuml;hrungen befassen wir uns nachfolgend mit ausgew&auml;hlten Rechtsnormen im Kontext der Automatisierung in den kantonalen Steuerverwaltungen. Wir gehen dabei der Frage nach, welche M&ouml;glichkeiten und Anforderungen sich daraus ergeben.</p> <p>Im beh&ouml;rdlichen Bereich ist die technologisch getriebene Innovation anders als bei privaten Akteuren auf demokratisch-rechtsstaatliche Legitimation angewiesen alles Verwaltungshandeln ist Rechtshandeln. Dies gilt besonders f&uuml;r das Steuerwesen als Eingriffsverwaltung, aber ebenso f&uuml;r die Bearbeitung von Personendaten durch Beh&ouml;rden, handelt es sich doch auch hierbei um Eingriffe in die grundrechtlich gesch&uuml;tzte informationelle Selbstbestimmung. Zu diesen Fragen hat sich seit einigen Jahren eine Diskussion und Forschungst&auml;tigkeit entwickelt.<a title="" href="#_ftn6" name="_ftnref6">⁰⁶</a></p> <p>Wenig Beachtung findet, soweit f&uuml;r uns ersichtlich, bislang, dass Rechtsnormen nicht nur die Zul&auml;ssigkeit, Ausgestaltung und Grenzen einer zunehmenden Automatisierung regeln, sondern diese mitunter auch verlangen. Darauf wollen wir vorab kurz eingehen.</p> <h2>2. Automatisierungspflicht</h2> <h3>2.1 Pflicht zur Effizienz</h3> <p>Welche technischen Mittel die Verwaltung konkret einzusetzen hat, um ihre gesetzlichen Aufgaben optimal zu erf&uuml;llen, steht nicht im Gesetz. Daf&uuml;r verpflichtet das moderne Verwaltungsrecht die Verwaltung, exemplarisch die Bundesverwaltung, nach den Grunds&auml;tzen der Zweckm&auml;ssigkeit und der Wirtschaftlichkeit zu handeln.<a title="" href="#_ftn7" name="_ftnref7">⁰⁷</a> Damit sollte ein zielorientiertes, effizientes, sparsames und betriebswirtschaftliches Verwaltungshandeln verankert werden.<a title="" href="#_ftn8" name="_ftnref8">⁰⁸</a> Zusammen mit der Rechtm&auml;ssigkeit, erweitert um die Ordnungsm&auml;ssigkeit und Wirksamkeit, bilden sie die Kriterien zur &Uuml;berpr&uuml;fung des Verwaltungshandelns.<a title="" href="#_ftn9" name="_ftnref9">⁰⁹</a></p> <p>Ausgehend vom fundamentalen Prinzip der Rechtm&auml;ssigkeit geh&ouml;ren somit auch die Wirksamkeit (Effektivit&auml;t) und Wirtschaftlichkeit (Effizienz) zu den gesetzlichen Anforderungen an die Verwaltungst&auml;tigkeit. Somit muss eine Massnahme nicht nur wirksam, also objektiv geeignet sein, um die beabsichtigte Wirkung zu entfalten. Sie muss auch im optimalen Kosten-Nutzen-Verh&auml;ltnis stehen, also sparsam, wirtschaftlich sein.<a title="" href="#_ftn10" name="_ftnref10">¹⁰</a>&nbsp;</p> <h3>2.2 Pflicht zur Automatisierung</h3> <p>In seiner &laquo;Strategie Digitale Verwaltung des Kantons Bern&raquo; aus dem Jahr 2019 hebt der Regierungsrat des Kantons Bern zwei Gr&uuml;nde f&uuml;r die Digitalisierung hervor: Einerseits die Erwartungshaltung der Nutzerinnen und Nutzer an die Produkte und Dienstleistungen der &ouml;ffentlichen Verwaltungen. Anderseits die Chance, durch den Einsatz neuer Technologien und angepasster Verfahren kantonale Dienstleistungen effizienter zu erbringen.<a title="" href="#_ftn11" name="_ftnref11">¹¹</a> Die &ouml;ffentliche Hand stehe unter Spardruck.<a title="" href="#_ftn12" name="_ftnref12">¹²</a> Eine systematisch geplante und nachhaltige Entwicklung der digitalen Verwaltung verspreche mehr Effizienz und Effektivit&auml;t in der Verwaltungst&auml;tigkeit, zum konkreten Nutzen geh&ouml;rten die Einsparung von Ressourcen, die Entlastung des Personals dank Eliminierung von Medienbr&uuml;chen und Automatisierung, und die vereinfachte Verwaltungst&auml;tigkeit durch Nutzung von beh&ouml;rden&uuml;bergreifenden Daten.<a title="" href="#_ftn13" name="_ftnref13">¹³</a> Das kantonalbernische Gesetz &uuml;ber die digitale Verwaltung verankert entsprechend das &laquo;digitale Primat&raquo; im Beh&ouml;rdenhandeln (Art. 5 Abs. 1 DVG).<a title="" href="#_ftn14" name="_ftnref14">¹⁴</a></p> <p>Das Beispiel des Kantons Bern zeigt, dass die Automatisierung zu den Massnahmen f&uuml;r eine m&ouml;glichst effiziente und effektive Verwaltung z&auml;hlt. Soweit sie es erm&ouml;glicht, mit weniger Ressourcen den gleichen oder gr&ouml;sseren Arbeitsanfall zu bew&auml;ltigen und unter Umst&auml;nden sogar einen Beitrag zu einer h&ouml;heren Qualit&auml;t zu leisten, dr&auml;ngt sie sich f&ouml;rmlich auf. Zugespitzt formuliert, ist u.E. eine Verwaltung verpflichtet, eine unter den Aspekten der Effizienz und Effektivit&auml;t gebotene Automatisierung, unter Einhaltung der rechtlichen Vorgaben, vorzunehmen.</p> <p>Zum rechtlichen Rahmen geh&ouml;ren Anforderungen aufgrund des Legalit&auml;tsprinzips und des Verfahrensrechts. Nachfolgend beleuchten wir verschiedene dieser Aspekte etwas n&auml;her.</p> <h2>3. Legalit&auml;tsprinzip</h2> <h3>3.1 Eingriffe durch Besteuerung und Bearbeitung von Personendaten</h3> <p>Mit der Besteuerung greift das Gemeinwesen in die grundrechtlich gesch&uuml;tzte Sph&auml;re der steuerpflichtigen Person einie Steuerbeh&ouml;rden betreiben Eingriffsverwaltung.<a title="" href="#_ftn15" name="_ftnref15">¹⁵</a> Dem Grundsatz der Gesetzm&auml;ssigkeit der Steuer kommt im Abgaberecht deshalb die Bedeutung eines verfassungsm&auml;ssigen Rechts zu.<a title="" href="#_ftn16" name="_ftnref16">¹⁶</a> Um einen Grundrechtseingriff handelt es sich auch, wenn Beh&ouml;rden Personendaten bearbeiten.<a title="" href="#_ftn17" name="_ftnref17">¹⁷</a> Die beiden Eingriffe gehen im Steuerwesen zwar Hand in Hand, sind jedoch zu unterscheiden.</p> <p>Je nach Steuerart variieren Umfang und Ausmass der Datenbearbeitung stark. Die wenig bedeutsame reine Kopfsteuer etwa, bei der eine fixe Steuer pro steuerpflichtige Person erhoben wird, kn&uuml;pft an den Wohnsitz oder Aufenthalt an und setzt ein bestimmtes Alter voraus, ohne dass noch eine Bemessung n&ouml;tig bzw. m&ouml;glich w&auml;re. Sie kommt mit wenigen, nicht besonders sch&uuml;tzenswerten Personendaten aus. Demgegen&uuml;ber erfordert etwa die Einkommenssteuer eine Vielzahl von mitunter sogar besonders sch&uuml;tzenswerten Personendaten, beispielsweise bei Abzug von Krankheitskosten.</p> <p>Jede beh&ouml;rdliche Bearbeitung von Personendaten braucht eine gesetzliche Grundlage.<a title="" href="#_ftn18" name="_ftnref18">¹⁸</a> Wegen der strengen Geltung des Legalit&auml;tsprinzips im Abgaberecht umschreiben die Steuergesetze die Steuerpflicht, die Steuerbemessung und das Verfahren einschliesslich der beh&ouml;rdlichen Aufgabenteilung bis hin zum Bezug der Steuern.<a title="" href="#_ftn19" name="_ftnref19">¹⁹</a> Die mit der Veranlagung einhergehende Bearbeitung von Personendaten erf&auml;hrt somit mittelbar eine detaillierte Regelung. Aus dem Geflecht der umfassenden Regelung ergibt sich bereits auf Stufe des formellen Gesetzes weitgehend, welche Personendaten zu Steuerzwecken durch wen bearbeitet werden d&uuml;rfen.<a title="" href="#_ftn20" name="_ftnref20">²⁰</a> Eine gesonderte formellgesetzliche Regelung zur Bearbeitung von Personendaten ist u.E. insofern nicht n&ouml;tig.<a title="" href="#_ftn21" name="_ftnref21">²¹</a></p> <h3>3.2 Eingriffe durch Automatisierung</h3> <p>Da die Automatisierung des Veranlagungsverfahrens keine neuen Steuerpflichten und Steuertatbest&auml;nde schafft, betrifft sie nicht den spezifischen Anwendungsbereich des Legalit&auml;tsprinzips im Abgaberecht.<a title="" href="#_ftn22" name="_ftnref22">²²</a> Dennoch tangiert die Automatisierung, die es anders als die manuelle Bearbeitung erm&ouml;glicht, den grossen vorhandenen Datenbestand auf neuartige Weise zu bearbeiten, grundrechtlich gesch&uuml;tzte Positionen, namentlich die informationelle Selbstbestimmung und Verfahrensgarantien.<a title="" href="#_ftn23" name="_ftnref23">²³</a> Das DSG h&auml;lt explizit fest, dass auch die Art und Weise der Bearbeitung zu einem schweren Grundrechtseingriff f&uuml;hren kann.<a title="" href="#_ftn24" name="_ftnref24">²⁴</a> Diesfalls geh&ouml;ren die grundlegenden Bestimmungen auf Stufe des formellen Gesetzes<a title="" href="#_ftn25" name="_ftnref25">²⁵</a> und es ist weiter zu pr&uuml;fen, welche Normdichte erforderlich ist. Hier wie anderswo kommt den Regelungen des DSG wenn nicht in den Details, so doch in den groben Z&uuml;gen auch Bedeutung f&uuml;r die Kantone zu, handelt es sich dabei doch um die Konkretisierung des verfassungsrechtlichen Datenschutzes.<a title="" href="#_ftn26" name="_ftnref26">²⁶</a></p> <h3>3.3 Risikobasierter Ansatz</h3> <p>Zur digitalen Realit&auml;t geh&ouml;rt, dass es kein Nullrisiko f&uuml;r die Rechte der betroffenen Personen gibt und dass Risikobeurteilungen im technologischen Umfeld durch ein Zusammenspiel von diversen Faktoren gepr&auml;gt sind, was die Absch&auml;tzung und auch Verminderung durch Massnahmen herausfordernd macht. Das moderne Datenschutzrecht reagiert darauf, indem es vom risikobasierten Ansatz gepr&auml;gt ist. Dieser war denn auch die erste Leitlinie f&uuml;r die Totalrevision des DSG.<a title="" href="#_ftn27" name="_ftnref27">²⁷</a> Nach diesem Ansatz variieren die Anforderungen an Regelungen und Massnahmen je nach Risiko der fraglichen Vorhaben und T&auml;tigkeiten. In der Datenschutzpraxis der kantonalen Exekutivbeh&ouml;rden bzw. Verwaltungen wird der risikobasierte Ansatz regelm&auml;ssig angewendet.<a title="" href="#_ftn28" name="_ftnref28">²⁸</a> In der Auslegeordnung zur Regulierung von k&uuml;nstlicher Intelligenz vom 12. Februar 2025 zuhanden des Bundesrats stellt das BAKOM bzw. UVEK fest, dass der risikobasierte Ansatz zur Regulierung von KI, wie ihn die EU im AI Act verfolge, scheinbar auch international von weiteren Staaten &uuml;bernommen werde.<a title="" href="#_ftn29" name="_ftnref29">²⁹</a></p> <p>Wir sind der Auffassung, dass der risikobasierte Ansatz bei der Normierung von risikobehafteten Technologieeinsatz sachgerecht und zielf&uuml;hrend ist. Er sollte deshalb auch bei der Regelung der Automatisierung, einschliesslich dem Einsatz von KI, zugrunde gelegt werden.</p> <h3>3.4 Technolgieneutrale Regelung</h3> <p>Zu den Herausforderungen einer gesetzlichen Regelung der Automatisierung geh&ouml;rt, dass sich die zugrundeliegende Technologie rasch weiterentwickelt. Bei hoher Technizit&auml;t oder rascher Ver&auml;nderlichkeit der zu regelnden Verh&auml;ltnisse mag der Gesetzgeber mithin nicht als das geeignete Regelungsorgan erscheinen.<a title="" href="#_ftn30" name="_ftnref30">³⁰</a> Anderseits gibt es einen Mindestinhalt des formellen Gesetzes, welcher nicht an die Exekutive und ihr Verordnungsrecht delegiert werden kann.<a title="" href="#_ftn31" name="_ftnref31">³¹</a> Auf der Suche nach einer Balance zwischen Legitimation und Innovation, Rechtssicherheit und Flexibilit&auml;t, Verst&auml;ndlichkeit und Pr&auml;zision dr&auml;ngt es sich deshalb auf, die Rechtsnormen m&ouml;glichst technologieneutral auszugestalten.</p> <p>So macht es das totalrevidierte DSG des Bundes, namentlich wenn es mit Art. 21 DSG eine Informationspflicht bei einer automatisierten Einzelentscheidung vorsieht oder in Art. 35 DSG Erleichterungen f&uuml;r die automatisierte Datenbearbeitung im Rahmen von Pilotversuchen statuiert. Das DSG ber&uuml;cksichtigt mit besonderen Vorschriften zur Automatisierung zwar die technologische Entwicklung, um den sich daraus ergebenden Risiken begegnen zu k&ouml;nnen. Es tut dies aber auf einer h&ouml;heren Abstraktionsstufe und vermeidet es, kurzlebige Inhalte wie konkrete Technologien aufzunehmen.</p> <p>Ein anderes Beispiel ist das Bundesgesetz &uuml;ber den Allgemeinen Teil der Abgabenerhebung und die Kontrolle des grenz&uuml;berschreitenden Waren- und Personenverkehrs durch das Bundesamt f&uuml;r Zoll und Grenzsicherheit (BAZG-Vollzugsaufgabengesetz, BAZG-VG), welches von den Eidg. R&auml;ten am 20. Juni 2025 in der Schlussabstimmung angenommen wurde.<a title="" href="#_ftn32" name="_ftnref32">³²</a> Wie die Botschaft ausf&uuml;hrt, sollen namentlich die ca. 80 eigenst&auml;ndigen Fachanwendungen, die als &laquo;Monolithen&raquo; ausgestaltet sind, durch ein Informationssystem mit einer &laquo;Microservice-Architektur&raquo;, die mit verschiedenen B&uuml;ndeln von Microservices die bisherigen Funktionalit&auml;ten der jeweiligen Monolithen realisiert, abgel&ouml;st werden.<a title="" href="#_ftn33" name="_ftnref33">³³</a> Deshalb erfolgt die Datenbearbeitung im BAZG-VG nicht mehr entlang verschiedener Informationssysteme, sondern nach den Aufgaben und Prozessen des BAZG. Je nach Risiko bzw. Eingriffsintensit&auml;t erfolgt die Regelung auf Stufe des formellen Gesetzes oder des Verordnungsrechts inkl. Anh&auml;ngen.</p> <h3>3.5 Regelungsinhalte</h3> <p>Das BAZG-VG ist nicht nur als Beispiel f&uuml;r die Technologie-Neutralit&auml;t instruktiv. Als formelles Gesetz widmet es der Datenbearbeitung im 8. Titel &uuml;ber f&uuml;nfzig Artikel. Eine so umfassende Regelung ist f&uuml;r die von den Kantonen veranlagten direkten Steuern nicht n&ouml;tig. Das BAZG-VG ist im Unterschied zu den Steuergesetzen der Kantone und zum Steuerharmonisierungsgesetz (StHG) ein Rahmengesetz, welches f&uuml;r einen ganzen Strauss von hoheitlichen Aufgaben gilt und bei seinen Regelungen zwischen ihnen unterscheiden muss.<a title="" href="#_ftn34" name="_ftnref34">³⁴</a> Abgesehen davon gibt es inhaltlich kaum &Uuml;berraschungen. Geregelt werden u.a. besonders sch&uuml;tzenswerte Daten, die Risikoanalysen und Profiling-Aktivit&auml;ten, Abrufverfahren sowie die systematische Daten&uuml;bermittlungen an andere Beh&ouml;rden und ins Ausland. Weiter regelt der Entwurf die Aufbewahrung, Archivierung und Vernichtung von Daten und schliesslich die Qualit&auml;tssicherung. Bemerkenswert ist im vorliegenden Zusammenhang, dass Art. 170 Abs. 2 Bst. f. BAZG-VG die Qualit&auml;tssicherung beim Einsatz k&uuml;nstlicher Intelligenz explizit erw&auml;hnt. Bei alldem manifestiert sich offenkundig der risikobasierte Ansatz.</p> <p>F&uuml;r einen Fall wie das E-BAZG-VG h&auml;lt das Bundesamt f&uuml;r Justiz (BJ) in seinem Gesetzgebungsleitfaden allgemein fest, der Schwerpunkt liege weniger auf der technischen Informatikarchitektur als auf der Datenbearbeitungsarchitektur, d.h. den Bearbeitungszwecken und der Bearbeitungslogik sowie den Datenfl&uuml;ssen und dem Online-Zugriff auf die Daten.<a title="" href="#_ftn35" name="_ftnref35">³⁵</a></p> <p>F&uuml;r Automatisierungen, einschliesslich KI-Anwendungen, sind u.E. namentlich die nachfolgenden Aspekte technologieneutral rechtlich zu normieren:</p> <ul type="disc"> <li>Zul&auml;ssigkeit, die Veranlagungst&auml;tigkeit zu automatisieren und dabei KI einzusetzen, unter Beachtung der daf&uuml;r im Steuergesetz und der &uuml;brigen Gesetzgebung massgeblichen Rechtsnormen.<a title="" href="#_ftn36" name="_ftnref36">³⁶</a></li> <li>Risikobasierter Ansatz bei der Regelung der Automatisierung.<a title="" href="#_ftn37" name="_ftnref37">³⁷</a> Ohne dessen explizite Normierung droht bei der Auslegung der einschl&auml;gigen Rechtsnormen eine Rechtsunsicherheit dar&uuml;ber, ob der risikobasierte Ansatz zul&auml;ssig sei oder nicht.</li> <li>Folgenabsch&auml;tzungspflicht bei Automatisierungsvorhaben. Dieses Instrument hilft, Risiken zu erkennen und mittels definierter Massnahmen ausreichend zu mindern. Zudem werden so die Risiken ausgewiesen, was eine verantwortliche &Uuml;bernahme durch die entscheidende Instanz erm&ouml;glicht. In einem allf&auml;llig n&ouml;tigen Rechtssetzungsprozess erm&ouml;glicht es der gesetzgebenden Beh&ouml;rde, sich damit zu befassen und im Bewusstsein der Risiken zu entscheiden, was die Legitimation erh&ouml;ht.<a title="" href="#_ftn38" name="_ftnref38">³⁸</a></li> <li>Datenkategorien und<strong> </strong>Zwecke der automatisierten Bearbeitung. Zu den Risiken der Automatisierung geh&ouml;rt, dass grosse Mengen an unterschiedlichen Daten aus verschiedenen Quellen zu verschiedenen Zwecken bearbeitet werden k&ouml;nnen. Eine &laquo;nat&uuml;rliche&raquo; Limitierung und Fokussierung der Beh&ouml;rde aufgrund limitierter Ressourcen entf&auml;llt.</li> <li>Transparenz betreffend den Umstand, dass automatisierte Bearbeitungen stattfinden, betreffend die den Entscheiden zugrundeliegende Logik bzw. zum Entscheidprozess<a title="" href="#_ftn39" name="_ftnref39">³⁹</a> und betreffend das Ergebnis des automatisierten Entscheidprozesses mittels nachvollziehbarer Erl&auml;uterungen.</li> <li>Verfahrensrechte. Es ist zu regeln, wie die Mitwirkung im Veranlagungsverfahren sichergestellt und die Begr&uuml;ndungspflicht erf&uuml;llt wird, soweit nicht Menschen das Verfahren leiten, entscheiden und begr&uuml;nden.</li> <li>Qualit&auml;tsmanagement. F&uuml;r algorithmische Systeme festlegen, wie Regeln entstehen und deren Qualit&auml;t sichergestellt wird. F&uuml;r KI-Systeme zus&auml;tzlich namentlich normieren, welche Anforderungen an Trainingsdaten und Training gelten, inkl. in welchen Phasen (Entwicklung, Testing, nach Einf&uuml;hrung bzw. mit Wiederholung des Trainings, Audits), evtl. Festlegung eines technischen Standards, der bei der Entwicklung zwingend zu ber&uuml;cksichtigen ist.<a title="" href="#_ftn40" name="_ftnref40">⁴⁰</a></li> </ul> <p>Erg&auml;nzend zu Rechtsnormen k&ouml;nnen auch von den Beh&ouml;rden erarbeitete bzw. verabschiedete Grunds&auml;tze oder Leitlinien, namentlich zum Einsatz von KI, zu einer rechtskonformen Verwaltungspraxis beitragen.<a title="" href="#_ftn41" name="_ftnref41">⁴¹</a></p> <h3>3.6 Grundz&uuml;ge im formellen Gesetz</h3> <p>Das Wichtige<em> </em>oder Wesentliche, das ins formelle Gesetz geh&ouml;rt, ist nicht einfach zu bestimmen. Das Minimum des formellgesetzlichen Inhalts ergibt sich aus den Grunds&auml;tzen der Gesetzesdelegation an die Exekutive. Diese Delegation ist nach Lehre und Rechtsprechung betreffend die Kantone zul&auml;ssig, wenn die Delegation durch das kantonale Recht nicht ausgeschlossen ist, im Gesetz selbst enthalten ist, sich auf eine bestimmte Materie beschr&auml;nkt und wenn das Gesetz selbst die Grundz&uuml;ge der delegierten Regelung umschreibt, soweit sie die Rechtsstellung der B&uuml;rger schwerwiegend ber&uuml;hrt.<a title="" href="#_ftn42" name="_ftnref42">⁴²</a> Dies ist aber nicht im Sinne einer Grundrechtsfixierung zu verstehen Die Indikatoren f&uuml;r die Wesentlichkeit sind vielf&auml;ltiger, eine Regelung ist wesentlich, wenn sie alternativ &laquo;(1) einen grossen Adressatenkreis oder eine grosse Zahl von Lebenssachverhalten betrifft, (2) stark in die bisherige Rechtsstellung der Adressaten eingreift, (3) erhebliche finanzielle Folgen nach sich zieht, (4) f&uuml;r die politische Willensbildung, die Beh&ouml;rdenorganisation oder das Verfahren von bestimmender Bedeutung ist oder (5) besonders umstrittene Fragen zum Gegenstand hat&raquo;.<a title="" href="#_ftn43" name="_ftnref43">⁴³</a></p> <p>Nach unserem Daf&uuml;rhalten sind bei einer Gesamtw&uuml;rdigung der zunehmenden Automatisierung des Verwaltungshandelns die meisten (und bei einem Einsatz von KI s&auml;mtliche) Indikatoren gegeben. Die Automatisierung erfolgt naturgem&auml;ss vor allem bei der Massenverwaltung, wo dem daf&uuml;r n&ouml;tigen Aufwand die gr&ouml;ssten Effizienzgewinne gegen&uuml;berstehen.<a title="" href="#_ftn44" name="_ftnref44">⁴⁴</a> Somit betrifft die Regelung der Automatisierung regelm&auml;ssig einen grossen Adressatenkreis. Was die Intensit&auml;t des Eingriffs angeht, kommt es auf die jeweilige Ausgestaltung der Automatisierung an. Insgesamt aber, wenn man die Automatisierung als Teil der digitalen Transformation der Verwaltung betrachtet, sind intensive Eingriffe zu bejahen. Denn es ist damit zu rechnen, dass die Automatisierung mit der Zeit auch belastende Entscheide (erheblich von der Steuererkl&auml;rung abweichend) sowie KI-gest&uuml;tzte Entscheide beinhalten wird, und dass weiter auch automatisierte bzw. KI-gest&uuml;tzte Untersuchungsmittel eingesetzt werden.<a title="" href="#_ftn45" name="_ftnref45">⁴⁵</a></p> <p>L&ouml;st man sich von den individuellen Eingriffen und schaut auf die Gesamtwirkung, ist wegen der Skalierung in der Massenverwaltung die Wirkung einer Regelung der Automatisierung wohl ebenfalls als wesentlich einzustufen. Diese Skalierung d&uuml;rfte im Steuerwesen auch oftmals eine finanzielle Erheblichkeit begr&uuml;nden. Die Automatisierung ist weiter f&uuml;r die politische Willensbildung relevant, wenn &uuml;ber beeinflussbare Parameter des automatisierten Systems die Ergiebigkeit der Steuer direkt beeinflusst werden kann. Denn das l&auml;dt dazu ein, vom gew&uuml;nschten Ergebnis her (Budget) auf Parameter des automatisierten Systems einzuwirken. Indem eine erfolgreiche Automatisierung eine Transformation der Verwaltungsprozesse mit sich bringt und diese zu Anpassungen der Organisation f&uuml;hrt, ist sie auch f&uuml;r die Beh&ouml;rdenorganisation relevant. Automatisierte Prozesse wirken sich ferner auf das Verfahren aus, namentlich im vorliegenden gemischten Veranlagungsverfahren mit Mitwirkung der Steuerpflichtigen. Schliesslich d&uuml;rfen wohl ohne n&auml;here Erl&auml;uterungen KI-gest&uuml;tzte Automatisierungen als besonders umstritten bezeichnet werden, da mit ihnen erstmals der bestimmende Einfluss und mithin die Verantwortung von Menschen f&uuml;r Entscheide grundlegend in Frage gestellt wird und zudem ein Paradigmenwechsel vom kausalen zu einem auf Korrelationen beruhenden Entscheidmodell erfolgen k&ouml;nnte.</p> <p>Somit betrifft die Regelung der fortschreitenden Automatisierung u.E. Wichtiges oder Wesentliches im Sinne des Legalit&auml;tsprinzips, weshalb sie als Ganzes einer formellgesetzlichen Regelung bedarf. Die weiter oben genannten, f&uuml;r die Automatisierung relevanten einzelnen Regelungsinhalte sind deshalb in Grundz&uuml;gen auf Stufe Gesetz zu regeln. Je nach Schwere des Eingriffs bzw. gest&uuml;tzt auf den risikobasierten Ansatz k&ouml;nnen die Anforderungen abgestuft ausformuliert werden. Auf die Frage, welche Aspekte mit welcher Normdichte auf Stufe Verordnung zu regeln sind, gehen wir im vorliegenden, einf&uuml;hrenden Beitrag nicht ein.</p> <h3>3.7 M&ouml;gliches Vorgehen bei Automatisierungsvorhaben</h3> <p>Automatisierungsvorhaben beginnen nicht auf einer normativ &laquo;gr&uuml;nen Wiese&raquo;. Es gibt einen vorbestehenden Rechtsrahmen und &ndash; jedenfalls in der Massenverwaltung &ndash; einen bereits realisierten aktuellen Stand der Automatisierung. Unabh&auml;ngig von der u.E. n&ouml;tigen grundlegenden formellgesetzlichen Regelung der Automatisierung kann f&uuml;r ein konkretes, neues Automatisierungsvorhaben in mehreren Schritten untersucht werden, ob eine spezifische gesetzliche Grundlage auf Stufe Gesetz n&ouml;tig ist.</p> <p>Zun&auml;chst ist der Ist-Zustand festzuhalten, also die bisherigen, gesetzlich legitimierten automatisierten Bearbeitungen.<a title="" href="#_ftn46" name="_ftnref46">⁴⁶</a> Weiter ist der Soll-Zustand zu beschreiben und zu pr&uuml;fen, inwiefern dabei st&auml;rker oder anders als bisher in die grundrechtlich gesch&uuml;tzten Rechtspositionen der Betroffenen eingegriffen wird oder ob weitere im Sinne des Legalit&auml;tsprinzips wesentliche Aspekte tangiert sind. Bejahendenfalls ist n&auml;her zu analysieren, inwiefern dies von den bestehenden Rechtsgrundlagen abgedeckt ist oder nicht. Im Grundrechtskontext k&ouml;nnen auch f&uuml;r kantonale Vorhaben die legistischen Instrumente, welche das Bundesamt f&uuml;r Justiz (BJ) zur Verf&uuml;gung stellt, hilfreich sein. An dieser Stelle ist namentlich der Gesetzgebungsleitfaden Datenschutz zu erw&auml;hnen.<a title="" href="#_ftn47" name="_ftnref47">⁴⁷</a></p> <p>Bei einem algorithmischen Veranlagungssystem, welches lediglich die Steuerdaten der steuerpflichtigen Person verwendet und nur dann zu einer automatisierten Veranlagung f&uuml;hrt, wenn keine Verst&ouml;sse gegen die menschlich vorgegebenen, nachvollziehbaren, kausalen Regeln vorliegen, kann man argumentieren, im Vergleich zur Veranlagung ohne Automatisierung drohe kaum ein erh&ouml;hter Grundrechtseingriff. Jedenfalls, solange die Anforderungen der Informationssicherheit und des Datenschutzes weiterhin gew&auml;hrleistet sind. Wie erw&auml;hnt, k&ouml;nnen aber auch weitere Aspekte eine Regelung im formellen Gesetz n&ouml;tig machen.<a title="" href="#_ftn48" name="_ftnref48">⁴⁸</a> &nbsp;&nbsp;</p> <p>Anders verh&auml;lt es sich mit KI-gest&uuml;tzten oder algorithmischen Veranlagungssystemen, die auch zum Nachteil der Steuerpflichtigen entscheiden oder solche Entscheide vorschlagen. Wegen der Vielzahl der Betroffenen und der m&ouml;glichen belastenden Wirkung d&uuml;rfte ein erheblicher grundrechtsrelevanter Eingriff vorliegen, der durch die heutigen gesetzlichen Grundlagen nicht gedeckt ist. Enthielte beispielsweise ein kantonales Steuergesetz eine Regelung &uuml;ber ein steuerliches Informationssystem<em> </em>analog Art. 112a des Bundesgesetzes &uuml;ber die direkte Bundessteuer (DBG), welches steuerrelevante Personendaten enth&auml;lt und f&uuml;r die gesetzlichen Aufgaben der Steuerbeh&ouml;rde und weiterer gesetzlich berechtigter Beh&ouml;rden verf&uuml;gbar bzw. zug&auml;nglich macht, w&auml;re dies keine ausreichende Grundlage f&uuml;r ein automatisiertes Veranlagungssystem, welches KI-gest&uuml;tzt funktioniert oder belastende automatische Entscheide f&auml;llt. Gleiches gilt, sollten automatisierte Untersuchungen zur Aufdeckung von Unterbesteuerungen angestrebt werden, beispielsweise indem der gesamte Datenbestand der Steuerverwaltung genutzt wird oder gar weitere Quellen. Eine solche verdachtslose, fl&auml;chendeckende &laquo;Fahndung&raquo; im Meer der Steuerdaten w&auml;re ein erheblicher Eingriff in die verfassungsrechtlich gesch&uuml;tzten Rechtspositionen der Bev&ouml;lkerung.<a title="" href="#_ftn49" name="_ftnref49">⁴⁹</a></p> <h3>3.8 Querschnittsthema und f&ouml;deralistische Aspekte</h3> <p>F&uuml;r eine allgemeine, bereichs&uuml;bergreifende Rahmengesetzgebung auch ausserhalb des Steuerwesens spricht, dass die Automatisierung s&auml;mtliche Verwaltungsbereiche betrifft. Dagegen spricht, dass die hier im Fokus liegenden Einkommens- und Verm&ouml;genssteuern nebst der direkten Bundessteuer steuerlich harmonisierte, kantonale Steuern sind. Naheliegend ist deshalb eine Regelung im StHG und im DBG, welches bereits einen horizontalen und vertikalen Harmonisierungsbereich schafft.</p> <h3>3.9 Zwischenergebnis</h3> <p>Sowohl die Besteuerung als auch die daf&uuml;r n&ouml;tige Bearbeitung von Personendaten sind beh&ouml;rdliche Eingriffe, die eine gesetzliche Grundlage ben&ouml;tigen. F&uuml;r die herk&ouml;mmliche Datenbearbeitung zur Veranlagung der Einkommens- und Verm&ouml;genssteuern reicht die formellgesetzliche Grundlage in den Steuergesetzen von Bund und Kantonen aus, es braucht keine spezifische Regelung der Datenbearbeitungen.</p> <p>Die Automatisierung des Veranlagungsverfahrens schafft zwar keine neuen Steuerpflichten und Steuertatbest&auml;nde, tangiert aber aufgrund der neuartigen Weise der Datenbearbeitung die grundrechtlich gesch&uuml;tzte Sph&auml;re der Steuerpflichtigen. Je nach Schwere des Eingriffs braucht es deshalb eine neue gesetzliche Grundlage mit gen&uuml;gender Normstufe und -dichte. Die Regelungen zur Automatisierung sollten auf einem risikobasierten Ansatz beruhen und m&ouml;glichst technologieneutral ausgestaltet werden.</p> <p>F&uuml;r die Automatisierungen, einschliesslich KI-Anwendungen, sind namentlich folgende Inhalte zu regeln: Zul&auml;ssigkeit der Automatisierung, risikobasierter Ansatz, Pflicht zur Folgenabsch&auml;tzung bei Vorhaben, Datenkategorien und Zwecke der automatisierten Bearbeitung, Transparenz &uuml;ber die Bearbeitung als solche, die Logik bzw. den Entscheidprozess und das Ergebnis, weiter Verfahrensrechte und Qualit&auml;tsmanagement.</p> <p>F&uuml;r konkrete Automatisierungsvorhaben kann in einem mehrstufigen Vorgehen gepr&uuml;ft werden, ob eine neue formellgesetzliche Regelung n&ouml;tig ist oder nicht. Zun&auml;chst ist der Ist-Zustand festzuhalten, also die bisherigen, gesetzlich legitimierten automatisierten Bearbeitungen. Weiter ist der Soll-Zustand zu beschreiben und zu pr&uuml;fen, inwiefern dabei intensivere oder andere Eingriffe erfolgen oder weitere wesentliche Regelungsinhalte tangiert sind. Falls ja, ist n&auml;her zu analysieren, inwiefern dies von den bestehenden Rechtsgrundlagen noch abgedeckt ist oder nicht.</p> <p>Soweit es um die herk&ouml;mmliche Automatisierung geht, bei der algorithmische Systeme im Einsatz sind und eine automatische Veranlagung nur stattfindet, wenn sie im Wesentlichen im Einklang mit der Steuererkl&auml;rung ist, braucht es &ndash; zumindest aus grundrechtlicher Sicht &ndash; keine spezielle formellgesetzliche Regelung, das bestehende Recht zum Datenschutz und zur Informationssicherheit, erg&auml;nzt durch spezifische Normen auf Stufe Verordnung, kann gen&uuml;gen. Sollen aber intensivere automatisierte Eingriffe erfolgen, wie Verf&uuml;gungen zum Nachteil der steuerpflichtigen Personen oder KI-gest&uuml;tzte Veranlagungen, ist dies unabdingbar.</p> <p>Bei einer Gesamtbetrachtung der fortschreitenden Automatisierung als Regelungsmaterie schliesslich geht es um Wichtiges oder Wesentliches im Sinne des Legalit&auml;tsprinzips, weshalb sie als Ganzes einer formellgesetzlichen Regelung bedarf. Die weiter oben genannten Regelungsinhalte sind deshalb in Grundz&uuml;gen auf Stufe des formellen Gesetzes zu regeln. Dazu bietet sich das StHG (und DBG) als vorbestehender Harmonisierungsrahmen an. Alternativ k&ouml;nnen auch Regelungen in kantonalen Steuergesetzen eine gen&uuml;gende gesetzliche Grundlage bilden. Es k&ouml;nnen risikobasiert abgestufte Anforderungen vorgesehen werden, so dass risikoarme Automatisierungsvorhaben nicht vor unverh&auml;ltnism&auml;ssig hohen rechtlichen H&uuml;rden stehen.</p> <h2>4. Pr&uuml;fungs- und Untersuchungspflicht</h2> <h3>4.1 Kooperationsmodell des gemischten Veranlagungsverfahrens</h3> <p>Im ordentlichen Veranlagungsverfahren der direkten Steuern durch die Kantone handelt es sich um ein &laquo;gemischtes Veranlagungsverfahren&raquo;, bei dem die Veranlagungsbeh&ouml;rde und die steuerpflichtige Person zusammenwirken, weshalb auch vom &laquo;Kooperationsmodell&raquo; die Rede ist.<a title="" href="#_ftn50" name="_ftnref50">⁵⁰</a> Nachdem die steuerpflichtige Person die Steuererkl&auml;rung eingereicht hat, pr&uuml;ft sie die Steuerverwaltung und nimmt die erforderlichen Untersuchungen vor.<a title="" href="#_ftn51" name="_ftnref51">⁵¹</a></p> <h3>4.2 Pr&uuml;fungspflicht der Steuerverwaltung</h3> <p>Bei der Pr&uuml;fungspflicht handelt es sich zun&auml;chst um eine &laquo;mehr formale Kontrolle&raquo;, bei welcher die eingereichten Unterlagen auf Vollst&auml;ndigkeit, Stimmigkeit und rechnerische Richtigkeit &uuml;berpr&uuml;ft werden.<a title="" href="#_ftn52" name="_ftnref52">⁵²</a> Es &uuml;berrascht deshalb nicht, dass die Pr&uuml;fung der Steuererkl&auml;rung zunehmend automatisiert erfolgt.<a title="" href="#_ftn53" name="_ftnref53">⁵³</a> Da auch die steuergesetzliche Pr&uuml;fungspflicht technologieneutral ist, schliesst sie eine automatisierte Pr&uuml;fung nicht aus, solange die n&ouml;tige Qualit&auml;t sichergestellt wird. Zu den St&auml;rken eines automatisierten Pr&uuml;fsystems geh&ouml;rt, dass dieses nicht von begrenzten personellen Ressourcen abh&auml;ngt und s&auml;mtliche Steuererkl&auml;rungen nach dem gleichen Standard gleichm&auml;ssig unter zahlreichen Aspekten pr&uuml;fen kann. Es kann argumentiert werden, dass ein automatisches Pr&uuml;fsystem die rechtsgleiche Behandlung aller Steuerpflichtigen besser umsetzen kann als ein manuelles Pr&uuml;fsystem.<a title="" href="#_ftn54" name="_ftnref54">⁵⁴</a></p> <p>Wir gehen davon aus, dass die automatisierte Pr&uuml;fung und &ndash; wo keine eingehenderen Untersuchungen n&ouml;tig sind &ndash; anschliessende automatisierte Veranlagung weiterhin erheblich zunehmen werden, namentlich auch wegen einer besseren und breiteren k&uuml;nftigen Datenbasis. Dabei muss sichergestellt werden, dass ausreichende Massnahmen gegen Fehler, die in den Algorithmen selbst angelegt sind und naturgem&auml;ss skaliert werden, vorgesehen werden. Namentlich das Qualit&auml;tsmanagement ist somit von fundamentaler Bedeutung daf&uuml;r, dass mit Automaten nicht massenhaft falsche Pr&uuml;fungsergebnisse generiert werden.<a title="" href="#_ftn55" name="_ftnref55">⁵⁵</a> Dies gilt bereits bei herk&ouml;mmlichen Pr&uuml;fsystemen, welche regelbasiert sind und vordefinierte Regelverst&ouml;sse anzeigen. Auf KI bzw. maschinellem Lernen beruhende Risikomanagementsysteme, welche selbst&auml;ndig und intransparent Risikopotenziale bewerten mit Folgen f&uuml;r die weitere Veranlagung, sind umso kritischer zu w&uuml;rdigen, da diese wahrscheinlichkeitsbasierten Systeme fehleranf&auml;llig sind und mithin den Untersuchungsgrundsatz sowie die Gleichm&auml;ssigkeit der Besteuerung gef&auml;hrden.<a title="" href="#_ftn56" name="_ftnref56">⁵⁶</a></p> <h3>4.3 Untersuchungspflicht der Steuerverwaltung</h3> <p>Tauchen ernsthafte Zweifel auf oder entdeckt die Steuerverwaltung offensichtliche Fehler, kommt die Untersuchungspflicht zum Tragen, die eine vertiefte materielle Pr&uuml;fung nach sich zieht.<a title="" href="#_ftn57" name="_ftnref57">⁵⁷</a> Dabei st&ouml;sst die Automatisierung insofern an Grenzen, als auf die besonderen Umst&auml;nde im Einzelfall einzugehen ist und diese einzeln als auch in ihrer Gesamtheit zu w&uuml;rdigen sind. Die bei einer n&auml;heren Untersuchung im Einzelfall n&ouml;tige Planung des Vorgehens, die Durchf&uuml;hrung der Untersuchungshandlungen, etwa ein pers&ouml;nliches Gespr&auml;ch bzw. eine Befragung sowie die daran anschliessende Gesamtw&uuml;rdigung und die Ermessensbet&auml;tigung, lassen sich nicht in einem automatisierten Verfahren verwirklichen. Unter diesem Aspekt erfordert die Untersuchungspflicht die Untersuchungst&auml;tigkeit durch Mitarbeitende der Steuerverwaltung.</p> <p>Dabei sind von den Untersuchungsmitteln der Steuerbeh&ouml;rde die Beweismittel zu unterscheiden. W&auml;hrend es bei den Beweismitteln kaum Beschr&auml;nkungen gibt, verh&auml;lt es sich anders bei den eingesetzten Untersuchungsmitteln. So stehen den Steuerverwaltungen insbesondere keine strafprozessualen Zwangsmittel zu.<a title="" href="#_ftn58" name="_ftnref58">⁵⁸</a> Aber auch Untersuchungen ohne Zwangsmittel greifen in die Sph&auml;re der Steuerpflichtigen<a title="" href="#_ftn59" name="_ftnref59">⁵⁹</a> ein, namentlich handelt es sich bei der Beschaffung und weiteren Verwendung von Informationen mit Bezug zu den Steuerpflichtigen stets um beh&ouml;rdliche Bearbeitungen von Personendaten, welche eine gesetzliche Grundlage ben&ouml;tigt. Dies muss nicht immer eine spezifische Regelung im formellen Gesetz sein. So braucht es u.E. beispielsweise f&uuml;r einfache Internetrecherchen mit Suchmaschinen nach rechtserheblichen Informationen keine spezifische gesetzliche Grundlage, die allgemeine gesetzliche Pflicht zur Untersuchung des Sachverhalts gen&uuml;gt.<a title="" href="#_ftn60" name="_ftnref60">⁶⁰</a> Denn es handelt sich um einen minimalinvasiven Eingriff, jedenfalls wenn es sich um selbst publizierte Informationen handelt, bei denen eine Einwilligung zur Kenntnisnahme der &Ouml;ffentlichkeit angenommen werden kann. Oder wenn es um eine &ouml;ffentlich zug&auml;ngliche Medienberichterstattung geht. Recherchen im Internet<a title="" href="#_ftn61" name="_ftnref61">⁶¹</a> sind somit aufgrund der Beweisbeschaffungspflicht m&ouml;glich und angezeigt, soweit sie verh&auml;ltnism&auml;ssig bleiben.<a title="" href="#_ftn62" name="_ftnref62">⁶²</a></p> <p>Anders w&auml;re es, wenn die Intensit&auml;t des Eingriffs erh&ouml;ht w&uuml;rde, etwa mittels Applikationen, die gest&uuml;tzt auf ein im Internet gefundenes Bild durch Gesichtserkennung s&auml;mtliche Fotos und zugeh&ouml;rige Dokumente von dieser Person im Internet sucht (&laquo;reverse image search&raquo;). Eine solche beh&ouml;rdliche Bearbeitung biometrischer Daten w&auml;re ein schwerer Eingriff und w&uuml;rde eine ausdr&uuml;ckliche gesetzliche Grundlage erfordern.</p> <p>Diese &Uuml;berlegungen m&uuml;ssen u.E. f&uuml;r jeden Einsatz von Software zu Untersuchungszwecken gelten. So beispielsweise auch, wenn automatisch Steuererkl&auml;rungen und rechtskr&auml;ftige Steuerveranlagungen einer Vielzahl von Steuerpflichtigen durchforstet w&uuml;rden, um darin Tatsachen zu finden, anhand derer eine konkrete Steuererkl&auml;rung bzw. Steuerveranlagung &uuml;berpr&uuml;ft werden kann. In einem solchen Fall w&auml;re der Automat ein Untersuchungsmittel, mit dessen Hilfe der Sachverhalt untersucht bzw. anhand von Tatsachen aus anderen Verfahren &uuml;berpr&uuml;ft und erg&auml;nzt werden soll. Zwar k&ouml;nnen u.E. in einem konkreten Steuerverfahren Beweismittel aus anderen Steuerverfahren innerhalb der gleichen Beh&ouml;rde verwendet werden,<a title="" href="#_ftn63" name="_ftnref63">⁶³</a> da dies im Rahmen der Steueramtshilfe auch zwischen Beh&ouml;rden m&ouml;glich ist. Eine automatisierte Suche in einer Vielzahl von Steuerakten sprengt diesen auf einzelfallbezogene manuelle Untersuchungshandlungen gem&uuml;nzten gesetzlichen Rahmen aber. Eine automatisierte Suche in einer Vielzahl von Steuerakten k&ouml;nnte dieses Erfordernis nicht erf&uuml;llen und ist schon deshalb mangels besonderer gesetzlicher Grundlage unzul&auml;ssig.</p> <p>Eine gesetzliche Regelung w&auml;re auch n&ouml;tig, weil der datenschutzrechtliche Zweckbindungsgrundsatz verletzt w&uuml;rde. Dieser verlangt im Wesentlichen, dass Personendaten nur zu Zwecken bearbeitet werden, die mit dem Beschaffungszweck vereinbar sind. Sollen die erhobenen Daten &uuml;ber den gesetzlichen Zweck der Veranlagung der steuerpflichtigen Person hinaus automatisiert auch zu anderen Zwecken bearbeitet werden, braucht es somit eine hinreichend bestimmte, spezifische gesetzliche Regelung. Ohne eine solche Regelung d&uuml;rfen die beschafften Daten nur im Einzelfall, wie oben beschrieben, &uuml;ber ihren prim&auml;ren Zweck hinaus als Beweismittel in einem anderen Verfahren verwendet werden.</p> <p>Die Schwere des Eingriffs ergibt sich nicht nur aus der Eingriffsintensit&auml;t im Einzelfall, sondern auch aus der Anzahl der Betroffenen und weiteren Aspekten, wie z.B. systematisch fehlender Transparenz. Besonders schwerwiegend w&auml;re etwa eine automatisierte Suche zu allen Steuerpflichtigen und der Abgleich mit vorhandenen Informationen ohne Verdachtsmomente, in welchem Fall eine anlasslose &Uuml;berwachung aller Steuerpflichtigen stattf&auml;nde. Weniger problematisch w&auml;re hingegen die Bearbeitung von Daten aus anderen Steuerverfahren, etwa durch einen KI-Automaten, solange es sich um eine nicht personenbezogene Bearbeitung der anderen Steuerdaten handelt. Diesfalls geht es nur um eine automatisierte Beurteilung bzw. Pr&uuml;fung der jeweiligen Steuererkl&auml;rungen,<a title="" href="#_ftn64" name="_ftnref64">⁶⁴</a> also um eine &ndash; wenn auch automatisierte &ndash; rechtliche W&uuml;rdigung vorhandener Informationen im konkreten Steuerveranlagungsverfahren (Rechtsfrage), wobei die Bewertung auf der nicht personenbezogenen Analyse einer Vielzahl anderer Daten basiert.<a title="" href="#_ftn65" name="_ftnref65">⁶⁵</a></p> <h3>4.4 Erweiterte Untersuchungspflicht und Teilhabe am Fortschritt</h3> <p>Es ist denkbar, dass zunehmende Pr&uuml;fungs- und Untersuchungsm&ouml;glichkeiten der Steuerverwaltungen eine strengere Auspr&auml;gung der Untersuchungspflicht zur Folge haben werden. Zwar darf sich die Veranlagungsbeh&ouml;rde auf die Richtigkeit der Steuererkl&auml;rung verlassen und muss den Sachverhalt nicht nach allen Richtungen ausleuchten.<a title="" href="#_ftn66" name="_ftnref66">⁶⁶</a> Wird ein Steuerfaktor in einer j&uuml;ngeren Steuerperiode nicht deklariert und ergibt sich daraus eine Unterbesteuerung, kann die steuerpflichtige Person in einem diesbez&uuml;glichen Nachsteuerverfahren nicht erfolgreich einwenden, sie habe das doch schon vor Jahren einmal richtig deklariert, es l&auml;ge daher keine neue Tatsache vor, welche eine Nachsteuer erlaubt.</p> <p>Schon f&uuml;r die manuelle Veranlagung kann man dagegen argumentieren, dass bei digitalisierten Akten in Fachapplikationen unter Umst&auml;nden eine Pflicht der Mitarbeitenden der Steuerverwaltung zum Beizug von Akten aus Vorjahren greife.<a title="" href="#_ftn67" name="_ftnref67">⁶⁷</a> Darauf wird hier nicht weiter eingegangen. Sollte aber insk&uuml;nftig ein automatisiertes Veranlagungssystem rechtm&auml;ssig Angaben einer steuerpflichtigen Person in l&auml;nger zur&uuml;ckliegenden Steuerperioden verwerten, dann w&uuml;rde dies u.E. den Umfang der Tatsachen, welche der Steuerverwaltung bei der Veranlagung einer j&uuml;ngeren Steuerperiode bekannt sind, unausweichlich ausweiten. Selbst wenn die fragliche Tatsache dem automatischen System entgangen sein sollte, solange dies bei sorgf&auml;ltiger Ausgestaltung vermeidbar war.</p> <p>Verallgemeinert gesagt m&uuml;ssen auch die Steuerpflichtigen von den technischen Errungenschaften profitieren. Sonst wandelt sich das auf kontrolliertem Vertrauen basierende Kooperationsmodell in ein auf Misstrauen basierendes &Uuml;berwachungsmodell.<a title="" href="#_ftn68" name="_ftnref68">⁶⁸</a> Das soll nicht heissen, es g&auml;be keine Argumente f&uuml;r einen Ausbau der Kontrollen. Sollte ein Paradigmenwechsel angestrebt werden, so bed&uuml;rfte dieser aber unter Beachtung der verfassungsrechtlichen Schranken der demokratischen Legitimation im Gesetzgebungsverfahren.</p> <p>Der Gedanke einer symmetrischen Teilhabe an den Vorteilen des technologischen Fortschritts sollte sich u.E. auch schon im elektronischen Deklarationsverfahren auswirken, indem mutmasslich falsche oder unvollst&auml;ndige Deklarationen vor Abschluss bzw. elektronischem Einreichen der Deklaration angezeigt werden. Dem kann nicht &uuml;berzeugend entgegengehalten werden, damit w&uuml;rde die Wirksamkeit der automatisierten Pr&uuml;f- und Untersuchungssysteme ausgeh&ouml;hlt. Denn solange das gemischte Veranlagungsverfahren auf dem vertrauensbasierten Kooperationsmodell basiert, ist davon auszugehen, dass sich die steuerpflichtigen Personen um eine korrekte Deklaration bem&uuml;hen. Die Hinweise auf m&ouml;gliche Verst&ouml;sse und Fehler erweisen sich als Ausdruck des Zusammenwirkens von Steuerverwaltung und steuerpflichtiger Person.</p> <p>Vorbehalten bleiben gewisse Pr&uuml;fregeln oder Pr&uuml;faspekte, welche nicht offengelegt werden k&ouml;nnen, z.B. wenn aufgrund der begrenzten personellen Ressourcen gewisse Schwellenwerte definiert werden, unterhalb derer nicht systematisch im Einzelfall n&auml;her untersucht wird.<a title="" href="#_ftn69" name="_ftnref69">⁶⁹</a></p> <h3>4.5 Zwischenergebnis</h3> <p>Die formal gepr&auml;gte Pr&uuml;fung der eingereichten Steuererkl&auml;rung auf Vollst&auml;ndigkeit, Stimmigkeit und rechnerische Richtigkeit erfolgt zunehmend automatisiert. Das ist unter dem Aspekt der Pr&uuml;fungspflicht der Beh&ouml;rde zul&auml;ssig, solange die Qualit&auml;t sichergestellt ist. Das Qualit&auml;tsmanagement ist von zentraler Bedeutung, weil Fehler in Algorithmen in der Massenverwaltung skaliert werden. Dies gilt besonders, wenn KI-basierte Risikomanagementsysteme eingesetzt werden sollen.</p> <p>Ergeben sich bei der Pr&uuml;fung der Steuererkl&auml;rung ernsthafte Zweifel oder sind Fehler offensichtlich, kommt die Untersuchungspflicht zum Tragen. Die einzelfallbezogene, vertiefte materielle Pr&uuml;fung ist allerdings nur beschr&auml;nkt automatisierbar. Zu denken ist vorab an einzelne automatisierte Untersuchungen, wie das personenbezogene Durchforsten und Verkn&uuml;pfen grosser Datenbest&auml;nde, die allerdings intensive Grundrechtseingriffe darstellen und deshalb nach geltendem Recht unzul&auml;ssig w&auml;ren. Davon zu unterscheiden sind leichtere Eingriffe, wie gezielte einfache manuelle Internetrecherchen mit Suchmaschinen, welche gest&uuml;tzt auf die allgemeine gesetzliche Untersuchungspflicht zul&auml;ssig sind. Kein Untersuchungsmittel l&auml;ge hingegen vor, wenn KI-gest&uuml;tzt Daten aus anderen Steuerverfahren nicht personenbezogen bearbeitet werden, indem das System gest&uuml;tzt auf den Lernprozess nur die jeweils konkret zu pr&uuml;fende Steuererkl&auml;rung inkl. Beilagen bewertet. Die Eingriffsintensit&auml;t ist diesfalls tiefer.</p> <p>Die digitale Transformation der Steuerverwaltungen darf nicht einseitig den Beh&ouml;rden zugutekommen, auch die Steuerpflichtigen m&uuml;ssen davon profitieren. Sonst wandelt sich das auf kontrolliertem Vertrauen basierende Kooperationsmodell unmerklich, ohne demokratische Legitimation, in ein auf Misstrauen basierendes &Uuml;berwachungsmodell. Dieser Leitgedanke sollte sich schon im digitalisierten Deklarationsverfahren auswirken, indem mutmasslich falsche oder unvollst&auml;ndige Deklarationen vor Abschluss bzw. elektronischem Einreichen der Deklaration angezeigt werden. Die zunehmenden Pr&uuml;fungs- und Untersuchungsm&ouml;glichkeiten der Steuerverwaltungen d&uuml;rften sodann in rechtlicher Hinsicht den Umfang der Tatsachen, welche der Steuerverwaltung etwa aufgrund fr&uuml;herer Deklarationen zu anderen Steuerperioden bekannt sind, ausweiten und somit den Anwendungsbereich der Nachbesteuerung tendenziell einschr&auml;nken.</p><h2>5. Begr&uuml;ndungspflicht</h2> <h3>5.1 Reduzierte Begr&uuml;ndungspflicht im Massenverfahren</h3> <p>Die Automatisierung tangiert die verschiedenen Aspekte des verfassungsm&auml;ssigen Anspruchs auf rechtliches Geh&ouml;r.^{<a title="" href="#_ftn70" name="_ftnref70">70</a>} So ist fraglich, wie der Anspruch auf vorg&auml;ngige &Auml;usserung und Mitwirkung oder das Recht auf Akteneinsicht im automatisierten Verfahren gewahrt werden k&ouml;nnen. Gleiches gilt f&uuml;r das Recht der Betroffenen auf Entscheidbegr&uuml;ndung bzw. die entsprechende beh&ouml;rdliche Pflicht dazu. Darauf gehen wir nachfolgend etwas n&auml;her ein.</p> <p>Indem die Verwaltung eine Verf&uuml;gung begr&uuml;ndet, erf&uuml;llt sie verschiedene Funktionen der Begr&uuml;ndungspflicht, namentlich die Rechtsmittel-, Akzeptanz-, Rechtssicherheits-, Selbst- und Fremdkontrollfunktion.^{<a title="" href="#_ftn71" name="_ftnref71">71</a>} Wir fokussieren hier darauf, dass Betroffene die Tragweite des Entscheids erkennen, ihn verstehen und nachvollziehen sowie ihn in Kenntnis der Sachlage anfechten k&ouml;nnen sollen. Mithin geht es uns vor allem um die Rechtsmittelfunktion.</p> <p>Selbst wenn den Parteibegehren voll entsprochen wird, muss die Beh&ouml;rde imstande sein, ihre Verf&uuml;gung zu begr&uuml;nden, wenn dies verlangt wird.^{<a title="" href="#_ftn72" name="_ftnref72">72</a>} Allerdings ist unbestritten, dass im &ndash; hier steuerrechtlichen &ndash; Massenverfahren geringere Anforderungen an die Begr&uuml;ndungsdichte gelten.^{<a title="" href="#_ftn73" name="_ftnref73">73</a>} Weniger klar ist, was dies konkret bedeutet. Teilweise wird bei Abweichungen von der Steuererkl&auml;rung eine minimale Begr&uuml;ndungspflicht vertreten, wonach mindestens standardisierte Begr&uuml;ndungen zu liefern seien. Anderseits wird gest&uuml;tzt auf den Wortlaut von Art. 131 DBG und den Willen des historischen Gesetzgebers sowie unter Verweis auf die bundesgerichtliche Rechtsprechung die Auffassung vertreten, mit der Bekanntgabe der Abweichungen von einer Steuererkl&auml;rung gelte eine Veranlagungsverf&uuml;gung als &laquo;begr&uuml;ndet&raquo;^{<a title="" href="#_ftn74" name="_ftnref74">74</a>}. Aus letzterem kann man<em> </em>a maiore ad minus schliessen, dass ohne Abweichung von der Steuererkl&auml;rung keine Begr&uuml;ndungspflicht besteht.</p> <p>Auch wenn wir dieser Argumentationslinie folgen sollten, kommen wir bei automatisierten Verfahren zu einer differenzierteren Beurteilung, wie die nachfolgenden &Uuml;berlegungen zeigen.</p> <h3>5.2 Mindestens standardisierte Begr&uuml;ndung bei Automatisierung</h3> <p>Dem historischen Gesetzgeber darf ein kausales Verst&auml;ndnis des Zustandekommens der Verf&uuml;gung bzw. des Entscheids unterstellt werden. Die Argumentation von Peter Locher l&auml;sst sich deshalb nicht auf Entscheide &uuml;bertragen, welche auf Korrelationen beruhen und nicht mehr kausal begr&uuml;ndbar sind. Zumindest f&uuml;r solche Entscheide &ouml;ffnet sich das Gesetz einer verfassungskonformen Interpretation. Dar&uuml;ber hinaus &uuml;berzeugt die historische Argumentation aber auch f&uuml;r regelbasierte Systeme nicht. Denn bei regelbasierten, automatischen Abweichungen scheint uns naheliegend, dass technisch ohne Weiteres auch automatisch die entsprechenden Kurzbegr&uuml;ndungen generiert werden k&ouml;nnen. Wir folgern daraus, dass steuergesetzlich mindestens standardisierte Begr&uuml;ndungen bei Abweichungen von den &laquo;Parteibegehren&raquo; bzw. den eingereichten Steuererkl&auml;rungen zu liefern sind.</p> <p>Bei einer Veranlagung gem&auml;ss Steuererkl&auml;rung hingegen darf auf eine Begr&uuml;ndung verzichtet werden. Sp&auml;testens bei einer Einsprache muss aber der Einspracheentscheid begr&uuml;ndet werden, ansonsten dieser nichtig ist.^{<a title="" href="#_ftn75" name="_ftnref75">75</a>} Dazu kann es atypischerweise auch kommen, wenn die Steuerverwaltung gem&auml;ss Steuererkl&auml;rung veranlagt. Namentlich, wenn die steuerpflichtige Person erkennt, dass aufgrund einer unvollst&auml;ndigen Deklaration eine Unterbesteuerung stattfindet.^{<a title="" href="#_ftn76" name="_ftnref76">76</a>} Zudem kann unter Umst&auml;nden auch das Gemeinwesen eine Einsprache erheben.^{<a title="" href="#_ftn77" name="_ftnref77">77</a>} Jede Veranlagungsverf&uuml;gung m&uuml;ndet also potenziell in ein Verfahren mit Begr&uuml;ndungspflicht.</p> <p>Wo schliesslich Veranlagungen nicht nur der Steuererkl&auml;rung folgen oder regelbasierte, automatische Korrekturen mit entsprechenden standardisierten Begr&uuml;ndungen enthalten, sondern weitergehend von der Steuererkl&auml;rung abweichen, bzw. in anschliessenden Einspracheverfahren, ist eine ausf&uuml;hrlichere Begr&uuml;ndung notwendig. Dies d&uuml;rfte heutzutage auf eine Bearbeitung durch Mitarbeitende der Steuerverwaltung hinauslaufen. In solchen F&auml;llen w&auml;re mithin auch das &laquo;menschliche Geh&ouml;r&raquo; gew&auml;hrleistet.</p> <h3>5.3 Zus&auml;tzliche Anforderungen bei &laquo;black box&raquo; KI</h3> <p>Soweit die Automatisierung auf regelbasierten Algorithmen beruht (&laquo;glass box&raquo;), sind die Ergebnisse kausal erkl&auml;rbar und mithin auch auf eine Weise begr&uuml;ndbar, welche der Begr&uuml;ndungspflicht gen&uuml;gt. Anders sieht es bei den datenbasierten Algorithmen aus, wo die Entscheide nicht auf Kausalit&auml;ten beruhen, sondern auf statistischen Korrelationen, deren Zusammenwirken bis zum Ergebnis nicht dargelegt und nachvollzogen werden kann (&laquo;black box&raquo;).</p> <p>Die Ausf&uuml;hrlichkeit der Begr&uuml;ndung ist an den konkreten Umst&auml;nden auszurichten &ndash; ausschlaggebend ist die M&ouml;glichkeit einer sachgerechten Anfechtung eines Entscheids. Beim Einsatz von KI ist es m&ouml;glich, dass die Beh&ouml;rde ihrer Begr&uuml;ndungspflicht nicht vollst&auml;ndig nachkommen kann. Denn Entscheidungen, die von einem KI-basierten System gef&auml;llt werden, k&ouml;nnen aufgrund der Komplexit&auml;t nicht ohne Weiteres f&uuml;r die Sachbearbeiterin bzw. den Sachbearbeiter nachvollziehbar sein.</p> <p>Weil die Kausalit&auml;t in der Massenverwaltung ein Element der Rechtfertigung reduzierter Begr&uuml;ndungsdichte ist und insoweit sie bei datenbasierten Algorithmen entf&auml;llt, kann argumentiert werden, die Anforderungen an die Begr&uuml;ndungsdichte w&uuml;rden sich in solchen Massenverfahren wieder erh&ouml;hen.^{<a title="" href="#_ftn78" name="_ftnref78">78</a>}</p> <p>Die Erkl&auml;rung der Funktionsweise des algorithmischen Systems, eine systemgest&uuml;tzte nachtr&auml;gliche Erkl&auml;rung oder die Offenlegung der Trainings- bzw. Validierungsdaten w&uuml;rden der Rechtsmittelfunktion der Begr&uuml;ndungspflicht nicht gerecht.^{<a title="" href="#_ftn79" name="_ftnref79">79</a>} Auch weitere L&ouml;sungsans&auml;tze, selbst in Kombination, d&uuml;rften u.E. kaum gen&uuml;gen, etwa die Kennzeichnungspflicht betreffend algorithmische Entscheide, weiterf&uuml;hrende Informationen (insbesondere zur Folgenabsch&auml;tzung), Auff&uuml;hren einzelner Datenpunkte oder die Rekonstruktion durch Verwaltungspersonal<a title="" href="#_ftn80" name="_ftnref80">⁸⁰</a>. Der Begr&uuml;ndungspflicht gen&uuml;gen w&uuml;rde u.E. wohl, wenn datenbasierte &laquo;Machine Learning&raquo;-Modelle gew&auml;hlt werden, &laquo;die aufgrund ihrer intrinsischen Eigenschaften nachvollziehbare Ergebnisse liefern k&ouml;nnen&raquo;^{<a title="" href="#_ftn81" name="_ftnref81">81</a>}.</p> <p>Daraus folgt u.E., dass f&uuml;r alle Entscheide mit Begr&uuml;ndungspflicht nach geltendem Recht eine Anwendung von &laquo;black box&raquo; KI zur automatisierten Veranlagung unzul&auml;ssig ist, da ohne zugrundeliegende, nachvollziehbare Kausalit&auml;t auch keine ausreichende Begr&uuml;ndung m&ouml;glich ist. Ein m&ouml;glicher Paradigmenwechsel, bei dem an die Stelle der Nachvollziehbarkeit und Begr&uuml;ndung im Einzelfall eine pro- und retrospektive Kontrolle des Systems treten w&uuml;rde, erforderte u.E. wohl eine Anpassung oder Erg&auml;nzung von Art. 29 Abs. 2 BV oder zumindest eine besondere gesetzliche Grundlage.</p> <p>Zul&auml;ssig ist hingegen u.E. unter dem Aspekt der Begr&uuml;ndungspflicht, gest&uuml;tzt auf eine Pr&uuml;fung durch &laquo;black box&raquo; KI, Veranlagungen gem&auml;ss Steuererkl&auml;rung vorzunehmen, weil diesfalls keine Begr&uuml;ndung n&ouml;tig ist und eine verwaltungsinterne &Uuml;berpr&uuml;fungsm&ouml;glichkeit besteht. Zwar k&ouml;nnte man einwenden, dass jede Verf&uuml;gung begr&uuml;ndungsf&auml;hig sein m&uuml;sse bzw. dass es auch bei Veranlagungen gem&auml;ss Steuererkl&auml;rungen in Einzelf&auml;llen zu einem Einspracheverfahren kommen k&ouml;nne. Entscheidend ist die M&ouml;glichkeit einer sachgerechten Anfechtung einer Veranlagungsverf&uuml;gung, die bei einer Veranlagung gem&auml;ss Steuererkl&auml;rung gegeben ist.^{<a title="" href="#_ftn82" name="_ftnref82">82</a>} Indem es im Einspracheverfahren zu einer vertieften Pr&uuml;fung des konkreten Falles durch Mitarbeitende der Steuerverwaltung und zu einem begr&uuml;ndeten Entscheid kommt, wird der Mangel in diesen F&auml;llen u.E. geheilt.</p> <p>Die Einsprache mit Rechtsmittelcharakter, die bei der verf&uuml;genden Beh&ouml;rde anh&auml;ngig zu machen ist, f&uuml;hrt auch nicht zum Verlust einer Instanz, wie dies der Fall ist, wenn Geh&ouml;rsverletzungen der Verwaltung durch eine &uuml;bergeordnete Beschwerdeinstanz geheilt werden. Standardisierte Korrekturen von Steuererkl&auml;rungen stehen dieser Beurteilung im &Uuml;brigen nicht entgegen und k&ouml;nnen z.B. separat durch ein regelbasiertes System vorgenommen werden.</p> <h3>5.4 Zwischenergebnis</h3> <p>Die Begr&uuml;ndungspflicht leitet sich aus dem verfassungsm&auml;ssigen Anspruch auf rechtliches Geh&ouml;r ab und erf&uuml;llt unter anderem die Rechtsmittelfunktion, wonach Betroffene einen Entscheid erkennen, verstehen und nachvollziehen k&ouml;nnen.</p> <p>Auch wenn im Massenverfahren geringere Anforderungen an die Begr&uuml;ndungsdichte gelten, m&uuml;ssen im automatisierten Verfahren von der Steuererkl&auml;rung abweichende Veranlagungen immer mindestens mit standardisierten Kurzbegr&uuml;ndungen versehen werden.</p> <p>Soweit allerdings eine Automatisierung nicht auf regelbasierten Algorithmen beruhen soll, sondern auf datenbasierten Algorithmen, bei denen die Entscheide auf statistischen Korrelationen beruhen, ist sie unvereinbar mit der Begr&uuml;ndungspflicht. Ihr Anwendungsbereich beschr&auml;nkt sich insofern auf F&auml;lle, in denen keine Begr&uuml;ndung n&ouml;tig ist, d.h. wenn eine Veranlagung gem&auml;ss Steuererkl&auml;rung erfolgt. Regelbasierte Standardkorrekturen bleiben dabei m&ouml;glich. Ein Paradigmenwechsel, bei dem anstelle der Begr&uuml;ndung im Einzelfall eine pro- und retrospektive Kontrolle des Systems treten w&uuml;rde, erforderte u.E. eine Anpassung der Verfassung oder zumindest des Gesetzes.</p> <h2>6. Fazit</h2> <p>Die kantonalen Steuerverwaltungen setzen zunehmend algorithmische, regelbasierte Anwendungen ein, um die mit den Steuererkl&auml;rungen erhaltenen und aus weiteren Quellen verf&uuml;gbaren Informationen automatisiert zu verarbeiten und gest&uuml;tzt darauf unter gewissen Voraussetzungen automatische Veranlagungsverf&uuml;gungen vorzunehmen. Am Horizont bereits erkennbar ist ein weiterer technologischer Sprung, hin zu &laquo;KI&raquo;-Veranlagungen und von KI vorausgef&uuml;llten Steuererkl&auml;rungen. Der KI-Einsatz ist schweizweit auf dem Vormarsch. Die neueren Entwicklungen f&uuml;hren zu einer vom historischen Gesetzgeber quantitativ und qualitativ nicht vorhersehbaren Bearbeitung der Daten der Steuerpflichtigen.</p> <p>Bei der Automatisierung als Teil der Digitalisierung gilt es, sowohl die rechtlichen Grenzen zu respektieren als auch die rechtlichen Gestaltungsm&ouml;glichkeiten auszusch&ouml;pfen. Das Recht erm&ouml;glicht und begrenzt die Automatisierung aber nicht nur, sie fordert sie mitunter auch. Dies, indem im modernen Verwaltungsrecht die Verwaltungen verpflichtet sind, wirksam (effektiv) und wirtschaftlich (effizient) t&auml;tig zu sein. Soweit die Automatisierung die Effizienz und Effektivit&auml;t steigern kann, sind die Steuerbeh&ouml;rden deshalb gehalten, sie zu realisieren.</p> <p>Die Automatisierung des Veranlagungsverfahrens greift allerdings in die grundrechtlich gesch&uuml;tzte Sph&auml;re der Steuerpflichtigen ein und betrifft als Ganzes wesentliche &ouml;ffentliche Interessen, was eine Regelung ihrer Grundz&uuml;ge im formellen Gesetz n&ouml;tig macht. Dazu bietet sich harmonisierend das StHG in Verbindung mit dem DBG an, wobei alternativ auch kantonale Steuergesetze eine gen&uuml;gende Grundlage bilden k&ouml;nnen. Bei konkreten Automatisierungsvorhaben kann je nach Schwere des Eingriffs und weiteren Aspekten der Wesentlichkeit ebenfalls eine spezifische formellgesetzliche Regelung erforderlich sein. Keine solche Regelung im formellen Gesetz ist bei einer herk&ouml;mmlichen Automatisierung n&ouml;tig, bei der algorithmische Systeme im Einsatz sind und eine automatische Veranlagung nur stattfindet, wenn sie weitgehend im Einklang mit der Steuererkl&auml;rung ist. Bei intensiveren automatisierten Eingriffen wie bei Verf&uuml;gungen zum Nachteil der steuerpflichtigen Person oder bei KI-gest&uuml;tzten Veranlagungen ist dies hingegen unabdingbar.</p> <p>Zum rechtlichen Rahmen der Automatisierung geh&ouml;ren auch die beh&ouml;rdliche Pr&uuml;fungs- und Untersuchungspflicht. Die zunehmende Automatisierung der formal gepr&auml;gten Pr&uuml;fung eingereichter Steuererkl&auml;rungen ist unter dem Aspekt der Pr&uuml;fungspflicht zul&auml;ssig. Dabei ist das Qualit&auml;tsmanagement von zentraler Bedeutung, besonders wenn KI-basierte Risikomanagementsysteme eingesetzt werden sollen. Kommt die Untersuchungspflicht mit einer einzelfallbezogenen, vertieften materiellen Pr&uuml;fung zum Tragen, f&auml;llt eine weitgehende Automatisierung ausser Betracht. Denkbar sind aber bestimmte Untersuchungsmittel zur automatisierten Bearbeitung grosser Datenbest&auml;nde, die allerdings als intensive Grundrechtseingriffe nach geltendem Recht unzul&auml;ssig w&auml;ren.</p> <p>Auch die Steuerpflichtigen m&uuml;ssen von der digitalen Transformation der Steuerverwaltungen profitieren, sonst wandelt sich das auf kontrolliertem Vertrauen basierende Kooperationsmodell in ein auf Misstrauen basierendes &Uuml;berwachungsmodell. So sollten bereits im digitalisierten Deklarationsverfahren mutmasslich falsche oder unvollst&auml;ndige Deklarationen der steuerpflichtigen Person angezeigt werden. Umgekehrt schr&auml;nken die zunehmenden Pr&uuml;fungs- und Untersuchungsm&ouml;glichkeiten der Steuerverwaltungen den Anwendungsbereich der Nachbesteuerung tendenziell ein.</p> <p>Zu den Herausforderungen der Automatisierung geh&ouml;rt die beh&ouml;rdliche Begr&uuml;ndungspflicht. Im automatisierten Verfahren m&uuml;ssen von der Steuererkl&auml;rung abweichende Veranlagungen mindestens mit standardisierten Kurzbegr&uuml;ndungen versehen werden. Unzul&auml;ssig ist nach geltendem Recht hingegen eine datenbasierte KI-Automatisierung, bei der begr&uuml;ndungspflichtige Entscheide auf statistischen Korrelationen beruhen. Ein Paradigmenwechsel von der Begr&uuml;ndung im Einzelfall hin zur pro- und retrospektiven Kontrolle des Systems erforderte u.E. eine Anpassung der Verfassung oder zumindest des Gesetzes. M&ouml;glich bleibt der KI-Einsatz unter diesem Aspekt, wenn eine Veranlagung gem&auml;ss Steuererkl&auml;rung erfolgt, da diesfalls die Begr&uuml;ndungspflicht entf&auml;llt.</p></article>