<article class="rz"><h2>1. Hinzurechnungsbesteuerung - Überblick und Folgen</h2>
<p>Die Hinzurechnungsbesteuerung bezeichnet die deutschen CFC-Rules, die darauf abzielen, Einkünfte von ausländischen Gesellschaften in die deutsche Besteuerung einzubeziehen, wenn bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind. Zweck der Hinzurechnungsbesteuerung ist es, der «Steuerflucht» durch Einschaltung von sog. Basisgesellschaften zu begegnen. Basisgesellschaften, die keiner aktiven werbenden Geschäftstätigkeit nachgehen und ihr Einkommen im Sitzstaat nicht oder nur gering zu versteuern haben, sollen nicht der deutschen Besteuerung entgehen.<sup><a title="" href="#_ftn1" name="_ftnref1">01</a></sup> Die Hinzurechnungsbesteuerung ist in den §§ 7 ff. des deutschen Aussensteuergesetzes – AStG – geregelt. In Umsetzung der Art. 7 und 8 der Anti Tax Avoidance Directive (ATAD) 2016/1164 der EU wurde die Hinzurechnungsbesteuerung mit Wirkung ab 2022 novelliert. Die Hinzurechnungsbesteuerung zielt dabei besonders auf Auslandsgesellschaften zur Verwaltung eigenen Vermögens ab.</p>
<h3>1.1 fingierte Ausschüttung an den Aktionär</h3>
<p>Die Hinzurechnungsbesteuerung fingiert eine Sofortausschüttung der Gewinne an den deutschen Steuerpflichtigen. Für die Ermittlung der Hinzurechnungseinkünfte ordnet § 10 Abs. 3 S. 2 AStG diese den Einkünften aus Gewerbebetrieb zu. Die Hinzurechnungseinkünfte führen beim deutschen Steuerpflichtigen selbst zu Einkünften aus Kapitalvermögen. Sie qualifizieren damit ebenso, wie es eine tatsächliche Ausschüttung der Auslandsgesellschaft würde.<sup><a title="" href="#_ftn2" name="_ftnref2">02</a> </sup>Dabei bleiben dem deutschen Gesellschafter die Vergünstigungen der Abgeltungsteuer (flat tax, § 32d des deutschen Einkommensteuergesetzes – EStG -) sowie des Teileinkünfteverfahrens (teilweise Steuerfreistellung, § 3 Nr. 40 EStG, ähnlich dem Schweizer Beteiligungsabzug) verwehrt<sup><a title="" href="#_ftn3" name="_ftnref3">03</a></sup>, was zu einer höheren Besteuerung führt als bei einer Ausschüttung aus einer deutschen Gesellschaft.</p>
<p>Die Hinzurechnungsbeträge hat der deutsche Steuerpflichtige in einer eigenständigen Steuerdeklaration sowie in seiner Einkommensteuererklärung zu erfassen. Tut er dies nicht, begeht er eine strafbewährte Steuerhinterziehung.</p>
<p>Erfolgt später tatsächlich eine Ausschüttung, so erfolgt eine Anrechnung der bereits gezahlten Steuer.</p>
<h3>1.2 Zwischengesellschaft</h3>
<p>Eine ausländische Gesellschaft, die der Hinzurechnungsbesteuerung unterliegen kann, bezeichnet § 7 AStG als Zwischengesellschaft. Diese kennzeichnen folgende drei Elemente: (1.) Auslandsgesellschaft, (2.) Ansässigkeit im Niedrigsteuerland, (3.) Deutschenbeherrschung.</p>
<h4>1.2.1 Auslandsgesellschaft</h4>
<p>Erfasst sind Kapitalgesellschaften, die in Deutschland nicht unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtig sind, also nicht aufgrund des Unternehmenssitzes oder des Orts der tatsächlichen Verwaltung kraft persönlicher Zugehörigkeit der deutschen Gewinnsteuer, der Körperschaftsteuer, unterliegen.</p>
<h4>1.2.2 Ansässigkeit im Niedrigsteuerland</h4>
<p>Erfasst sind Kapitalgesellschaften, die in einem Niedrigsteuerland ansässig sind. Als niedrige Besteuerung im Sinne von § 7 AStG definierte § 8 Abs. 5 Satz 1 AStG bislang eine Ertragsteuerbelastung von weniger als 25 %. Der Gesetzgeber hielt damit am bisherigen Schwellenwert fest, obwohl bereits auf OECD-Ebene beschlossen war, dass der globale Mindeststeuersatz 15 % betragen soll. Hierzu hiess es, den Ergebnissen zu einer sog. globalen Mindestbesteuerung (BEPS Pillar 2) solle nicht vorgegriffen werden.<sup><a title="" href="#_ftn4" name="_ftnref4">04</a></sup> Diesen Schritt nimmt nun der deutsche Gesetzgeber im Mindeststeuer-Umsetzungsgesetz vor.<sup><a title="" href="#_ftn5" name="_ftnref5">05</a></sup><a title="" href="#_ftn5" name="_ftnref5"></a><sup> </sup>Für Wirtschaftsjahre, die nach dem 31.12.2023 enden, gilt die 15 %-Schwelle für Zwischeneinkünfte: Beträgt die Gesamtsteuerlast weniger als 15%, so ist die Hinzurechnungsbesteuerung eröffnet. Schweizweit beträgt der durchschnittliche ordentliche Gewinnsteuersatz 14,7% (nach dem <a href="https://home.kpmg/ch/de/home/medien/medienmitteilungen/2022/05/swiss-tax-report-2022.html" target="_blank" rel="noopener">Swiss Tax Report 2022</a>). Mithin verliert die Thematik der Hinzurechnungsbesteuerung nichts von Ihrer Relevanz.</p>
<p>Die für § 8 Abs. 5 AStG massgebliche Gesamtsteuerbelastung ist in der Weise berechnet, dass die «zutreffende» ausländische Steuer auf die nach deutschem Recht ermittelte Steuerbemessungsgrundlage bezogen wird.<sup><a title="" href="#_ftn6" name="_ftnref6">06</a></sup> Es bedarf einer Gewinnermittlung nach deutschem Steuerrecht.<sup><a title="" href="#_ftn7" name="_ftnref7">07</a></sup> Das erfordert regelmässig eine Überleitung von der Schweizer Handelsbilanz auf eine deutsche Steuerbilanz. Schweizer Gesellschaften, an denen deutsche Steuerpflichtige beteiligt sind, tun gut daran, diesen Überleitungsbedarf gering zu halten, indem man z.B. Wertansätze und Abschreibungen in Übereinstimmung mit deutschem Steuerrecht ausübt und Aufwendungen, die Abzugsbeschränkungen unterliegen, gesondert erfasst.</p>
<p>Bislang lässt sich für die Schweiz pauschal festhalten, dass die Niedrigsteuerschwelle unterschritten wird. Einige Kantone bieten eine Anhebung auf das vom ausländischen Staat verlangte Minimum, so auf Antrag bspw. in Zug<sup><a title="" href="#_ftn8" name="_ftnref8">08</a></sup>, Waadt<sup><a title="" href="#_ftn9" name="_ftnref9">09</a></sup>, Graubünden<sup><a title="" href="#_ftn10" name="_ftnref10">10</a></sup>, Tessin<sup><a title="" href="#_ftn11" name="_ftnref11">11</a></sup> und Thurgau<sup><a title="" href="#_ftn12" name="_ftnref12">12</a></sup>, als Automatismus in Luzern<sup><a title="" href="#_ftn13" name="_ftnref13">13</a></sup>, Schwyz<sup><a title="" href="#_ftn14" name="_ftnref14">14</a></sup> und Uri<sup><a title="" href="#_ftn15" name="_ftnref15">15</a></sup>. Inwiefern die deutsche Finanzverwaltung diese anerkennt, ist offen. Freiwillig geleistete Steuerzahlungen hat die deutsche Finanzverwaltung in der Vergangenheit als unbeachtlich eingestuft.<sup><a title="" href="#_ftn16" name="_ftnref16">16</a></sup> Freiwillig geleistete Steuerzahlungen, sofern deren Erhebung hoheitlich verfügt wird, hat der BFH hingegen anerkannt. Dabei kommt es wesentlich darauf an, dass eine eigenständige Entscheidung der Finanzbehörde ergeht.<sup><a title="" href="#_ftn17" name="_ftnref17">17</a></sup></p>
<h4>1.2.3 Deutschenbeherrschung</h4>
<p>Die Hinzurechnungsbesteuerung setzt eine Beherrschung der jeweiligen Gesellschaft durch deutsche Steuerpflichtige voraus. Stellte die bisherige, bis 2021 geltende Hinzurechnungsbesteuerung darauf ab, dass alle deutschen Steuerpflichtigen zusammen – selbst wenn sie voneinander nichts wussten – zu mehr als der Hälfte an der Gesellschaft beteiligt sind, so stellt die neue Regelung – konform zu Art. 7 ATAD – darauf ab, ob ein deutscher Steuerpflichtiger allein oder zusammen mit nahe stehenden Personen zu mehr als der Hälfte an der Gesellschaft beteiligt ist.</p>
<p>Eine Beherrschung besteht nach § 7 Abs. 2 AStG bei einer mehrheitlichen (sprich mehr als 50%igen) unmittelbaren oder mittelbaren Beteiligung des Steuerpflichtigen, ggf. zusammen mit nahestehenden Personen, an der ausländischen Gesellschaft mittels:</p>
<ol>
<li>Stimmrechten,</li>
<li>Nennkapital,</li>
<li>Gewinnansprüchen oder</li>
<li>Liquidationserlös.</li>
</ol>
<p>Die vorgenannten Kriterien gehen ‒ bis auf die Nennung des Liquidationserlöses ‒ auf die ATAD zurück. Bestehen disquotale Gewinnverteilungsabreden, so wirken diese nicht nur rechtsfolgenseitig auf den anzusetzenden Gewinnanteil,<sup><a title="" href="#_ftn18" name="_ftnref18">18</a></sup> sondern sind bereits bei der Ermittlung einer Beherrschung zu berücksichtigen: bekommt jemand trotz kleinem Nominalanteil einen mehr als hälftigen Gewinnanteil, so gilt er als beherrschend.<sup><a title="" href="#_ftn19" name="_ftnref19">19</a></sup></p>
<p>Nahestehend sind zunächst einmal beherrschte Unternehmen.<sup><a title="" href="#_ftn20" name="_ftnref20">20</a></sup> Die Beherrschung kann gemeinschaftlich mit nahestehenden Personen vorliegen, die jedoch nicht zwingend in Deutschland unbeschränkt oder beschränkt stpfl. sein müssen.<sup><a title="" href="#_ftn21" name="_ftnref21">21</a></sup></p>
<h5>1.2.3.1 Näheverhältnis durch «acting in concert»</h5>
<p>Nach § 7 Abs. 4 AStG gelten Personen «als dem Steuerpflichtigen nahestehend», wenn sie mit ihm in Bezug auf die Zwischengesellschaft durch abgestimmtes Verhalten («acting in concert») zusammenwirken. Diese nationale Regelung geht über die unionsrechtlichen Vorgaben der ATAD hinaus. Bei den unmittelbaren oder mittelbaren Gesellschaftern einer Personengesellschaft oder Mitunternehmerschaft, die an einer Zwischengesellschaft unmittelbar oder mittelbar beteiligt sind, wird ein Zusammenwirken durch abgestimmtes Verhalten widerlegbar unterstellt.<sup><a title="" href="#_ftn22" name="_ftnref22">22</a></sup> Eine Beherrschung kann demnach vorliegen, wenn Gesellschafter für sich betrachtet zwar keine beherrschende Beteiligung an der Zwischengesellschaft halten, allerdings in Bezug auf die ausländische Gesellschaft gleichgerichtete Interessen verfolgen, sodass eine zu einem einzelnen Mehrheitsgesellschafter oder einer beherrschenden Gruppe verbundener Unternehmen vergleichbare Situation besteht.</p>
<p>Der Gesetzgeber hat Hinweise erlassen, die konkretisieren, was er unter dem unbestimmten Rechtsbegriff «abgestimmtes Verhalten» in § 7 Abs. 4 AStG versteht. In der Bundestags-Drucksache 19/28652, S. 54 findet sich für «gleichgerichtete Interessen» der Verweis auf in § 8c Abs. 1 KStG<sup><a title="" href="#_ftn23" name="_ftnref23">23</a></sup> und auf § 30 Abs. 2 WpÜG (Zusammenwirken durch abgestimmtes Verhalten).</p>
<p>§ 7 Abs. 4 S. 2 AStG enthält gar eine widerlegbare Vermutung, dass bei den unmittelbaren oder mittelbaren Gesellschaftern einer Personengesellschaft oder Mitunternehmerschaft, die an einer Zwischengesellschaft unmittelbar oder mittelbar beteiligt ist, ein Zusammenwirken durch abgestimmtes Verhalten iSv § 7 Abs. 4 S. 1 AStG vorliegt.</p>
<p>Die Finanzverwaltung geht in ihrem revidierten Aussensteuererlass<sup><a title="" href="#_ftn24" name="_ftnref24">24</a></sup> von einem abgestimmten Verhalten in Bezug auf die Zwischengesellschaft aus, wenn der Steuerpflichtige und die betreffende Person:</p>
<ul>
<li>sich hinsichtlich der Modalitäten des (Hinzu-)Erwerbs oder der (Teil-)Übertragung einer unmittelbaren oder mittelbaren Beteiligung an der Zwischengesellschaft abstimmen (beispielsweise in Bezug auf den Zeitpunkt und die Beteiligungshöhe),</li>
<li>sich hinsichtlich der Ausübung von Stimmrechten – insbesondere durch sogenannte Stimmbindungsverträge – oder mit dem Ziel der Änderung der unternehmerischen Ausrichtung der Zwischengesellschaft abstimmen oder</li>
<li>sich hinsichtlich sonstiger Rechtsbeziehungen in Bezug auf die Zwischengesellschaft abstimmen; Rechtsbeziehungen in diesem Sinne sind insbesondere Vereinbarungen über Darlehen, Genussrechte oder ähnliche Finanzierungsbeziehungen.</li>
</ul>
<h5>1.2.3.2 Näheverhältnis durch ABV</h5>
<p>Hier kommt dem ABV Relevanz zu: Begründet dieser eine Personengesellschaft oder eine Mitunternehmerschaft, so greift die gesetzliche Vermutung des abgestimmten Verhaltens nach § 7 Abs. 4 S. 2 AStG und kann deutsche Minderheitsgesellschafter an Schweizer Gesellschaften in die Hinzurechnungsbesteuerung führen.</p>
<p>Begründet der ABV zwar keine Personengesellschaft oder Mitunternehmerschaft, so kann sein Regelungsgehalt dennoch auf ein «abgestimmtes Verhalten» gerichtet sein, was die gleiche Folge hätte. Gerade der in der Praxis zu findende Name «Stimmbindungsvertrag» legt ein «abgestimmtes Verhalten» nahe.</p>
<h2>2. Aktionärsbindungsvertrag</h2>
<p>Somit kommt es darauf an, was Rechtsnatur und Regelungsgehalt von ABVs ist.</p>
<h3>2.1 Rechtsnatur und Regelungsgehalt</h3>
<p>Die Aktiengesellschaft weist von Gesetz her eine kapitalbezogene Struktur auf, die bei der Zuweisung von Rechten für die Aktionäre überwiegend auf den Kapitaleinsatz abstellt. Treue-, Loyalitäts- und Leistungspflichten sind dem Aktienrecht aus diesem Grund fremd. Dadurch entstehen Nachteile, die durch einen Aktionärsbindungsvertrag (ABV) wieder ausgeglichen werden können.</p>
<p>ABV werden von Aktionären einer Aktiengesellschaft (die nachfolgenden Überlegungen gelten mehr oder weniger analog für die GmbH) dazu benutzt, um ihre Aktionärsrechte und das Aktionärsverhalten zu koordinieren. Ein ABV beruht nicht auf den Statuten einer Aktiengesellschaft. «Stimmbindungsverträge wirken nur unter den beteiligten Aktionären»<sup><a title="" href="#_ftn25" name="_ftnref25">25</a></sup>.</p>
<p>ABVs sind im Gesetz nicht geregelt, doch ist deren Zulässigkeit im schweizerischen Recht anerkannt. Ein ABV muss lediglich die zwingenden gesetzlichen Regelungen einhalten, insbesondere das Verbot der übermässigen Bindung einer Vertragspartei nach Art. 27 ZGB.</p>
<p>Der ABV beinhaltet im Sinn einer personenbezogenen Ausgestaltung der kapitalbezogenen Struktur der Aktiengesellschaft die Verpflichtung der angeschlossenen Aktionäre, sich bei der Ausübung ihrer Rechte als Aktionäre einheitlich zu verhalten. Der ABV dient der Absicherung der Aktionäre im gegenseitigen Verhältnis. Der ABV ist ein Mittel für eine koordinierte Ausübung der Aktionärsrechte.</p>
<p>ABV enthalten neben allgemeinen Bestimmungen regelmässig auch Stimmbindungen und Verfügungsbeschränkungen. Weiterer Vertragsinhalt ist die Festlegung von Treuepflichten und Stimmbindungen der Vertragsparteien: Die Pflicht zur Wahrung der Interessen der Gesellschaft sowie zur Geheimhaltung. Im Weiteren stellen Erwerbsberechtigungen und -beschränkungen einen Vertragsinhalt dar, mit dem Ziel, den gegenwärtigen und künftigen Aktionärskreis zu bestimmen.</p>
<p>Grundsätzlich werden durch einen ABV weitgehende Pflichten oder Rechte der Aktionäre untereinander vereinbart. Dabei ist der Variantenreichtum enorm, weshalb sich eine einheitliche Einordnung des Vertragstypus verbietet. Der ABV qualifiziert regelmässig als Innominatsvertrag. Jedoch kann er ebenso als Gesellschaftsvertrag qualifizieren.</p>
<h3>2.2 ABV als Personengesellschaft oder Mitunternehmerschaft</h3>
<p>Begründet der jeweilige ABV eine Personengesellschaft oder eine Mitunternehmerschaft, so wird ein Näheverhältnis widerlegbar vermutet mit der Folge, dass dem deutschen Steuerpflichtigen die Anteile der anderen Beteiligten zuzurechnen sind.</p>
<h4>2.2.1 Unterschied Personengesellschaft und Mitunternehmerschaft</h4>
<p>Ob der ABV eine Personengesellschaft begründet, richtet sich entsprechend dem Gesellschaftsstatut nach Schweizer Recht. Dabei gelten sowohl nach deutschem als auch nach Schweizer Recht für Personengesellschaften die im Wesentlichen gleichen konstituierenden Merkmale – die einfache Gesellschaft nach Art. 530 OR ist quasi deckungsgleich mit der Gesellschaft bürgerlichen Rechts nach § 705 BGB.</p>
<p>Ob der ABV eine Mitunternehmerschaft begründet, richtet sich hingegen nach deutschem Recht. Schliesslich handelt es sich um einen Begriff des deutschen öffentlichen Rechts. Der Begriff der Mitunternehmerschaft entstammt dem deutschen Steuerrecht, namentlich § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EStG. Notwendige, aber auch hinreichende Bedingung einer Mitunternehmerschaft ist, dass an einer Rechtsgemeinschaft wenigstens zwei Personen mitunternehmerschaftlich beteiligt sind.<sup><a title="" href="#_ftn26" name="_ftnref26">26</a></sup> Es bedarf nicht unbedingt des gemeinsam verfolgten Zwecks.</p>
<p>Der Grosse Senat des BFH hat im Beschluss in BFHE 141, 405 klargestellt, dass Mitunternehmer nur sein kann, wer zivilrechtlich Gesellschafter einer Personengesellschaft ist oder – in Ausnahmefällen – eine dieser wirtschaftlich vergleichbaren Stellung innehat. Indem § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG Einkünfte bei gemeinschaftlichem Bezug von Einkünften aus einem gewerblichen Unternehmen besteuert, erfasst er als Mitunternehmer nicht nur diejenigen, die in einem zivilrechtlichen Gesellschaftsverhältnis einer Aussen- oder Innengesellschaft zueinanderstehen. Er erfasst überdies diejenigen, die in einem wirtschaftlich vergleichbaren Gemeinschaftsverhältnis stehen und daraus zusammen Einkünfte erzielen, wie dies z. B. bei Güter- oder Bruchteilsgemeinschaften der Fall ist.<sup><a title="" href="#_ftn27" name="_ftnref27">27</a></sup></p>
<p>Somit unterscheiden sich die beiden dadurch, dass es für die Personengesellschaft auf den gemeinsamen Zweck ankommt, für die Mitunternehmerschaft hingegen darauf, ob zwei oder mehr gemeinschaftlich Unternehmerinitiative und Unternehmerrisiko eingehen.</p>
<h4>2.2.2 ABV als Personengesellschaft</h4>
<p>Eine etwaige durch ABV begründete Personengesellschaft stellt ein gesondertes Gemeinschaftsverhältnis gegenüber dem Gesellschaftsrechtverhältnis mit der AG bzw. GmbH dar. Es kommt mithin darauf an, ob sich der ABV in der Konkretisierung der Mitgliedschaftsrechte als Kapitalgesellschafter erschöpft oder ihm darüber hinaus ein eigenständiger Regelungsgehalt zukommt.</p>
<p>Ein über das Kapitalgesellschaftsverhältnis hinausgehender Regelungsgehalt ist jedenfalls dann anzunehmen, wenn die Regelung mehr betrifft als die Mitgliedschaftsrechte des Aktionärs:</p>
<ul>
<li>Teilhabe am Gewinn,</li>
<li>Teilhabe am Liquidationserlös und</li>
<li>Mitwirkung im Rahmen des Stimmrechts.</li>
</ul>
<p>Das Recht auf Auskunftserteilung ist ebenfalls ein selbständiges Mitgliedschaftsrecht des Aktionärs. Das Einberufungsrecht gemäss Art. 699 Abs. 3 OR stellt ein Aktionärsrecht dar. Den Kernbereich betrifft auch die Frage des Gesellschaftszwecks bzw. Unternehmensgegenstandes.</p>
<p>Hingegen ist bei Klauseln zu Erwerbsberechtigungen und -beschränkungen bereits fraglich, ob diese sich noch im Rahmen des Gesellschaftsrechts halten. Schliesslich ist die Körperschaft vom Bestand ihrer Mitglieder unabhängig. Nach dem gesetzlichen Leitbild – bei der AG mehr als bei der GmbH – kommt es nicht bzw. nicht so sehr auf die Person der Anteilseigner an. Dies entspricht dem Leitbild der Personengesellschaft. Regelungen, die somit der konkreten Person des Anteilseigners Bedeutung zumessen, weichen vom Leitbild ab. Es sprechen mithin Gründe dafür, darin einen eigenständigen Regelungsgehalt zu sehen.</p>
<p>Eine Konkretisierung der Mitgliedschaftsrechte kommt nur in den Fällen in Betracht, in denen der Kreis der ABV-Parteien mit den Aktionären personenidentisch ist. Eine abweichende Personenidentität legt einen eigenständigen Regelungsgehalt nahe. Schliesslich ist schlechthin nicht nachvollziehbar, wie nur ein Teil der Aktionäre Regelungen konkretisieren will ohne Mitwirkung der übrigen Aktionäre. Ebenso unverständlich ist, wie ein Dritter einbezogen werden kann, ohne den Regelungsgehalt über das Gesellschaftsverhältnis hinaus zu erweitern.</p>
<h4>2.2.3 ABV als Mitunternehmerschaft</h4>
<p>Sind die Regelungen im ABV nicht auf die Erreichung eines gemeinsamen Zwecks gerichtet, und zwar eines Zwecks, der von dem nach den GmbH- oder AG-Statuten verschieden ist, so kommt noch eine Mitunternehmerschaft in Betracht. Dabei kommt es darauf an, ob die Parteien des ABV eine eigenständige Unternehmerinitiative und ein eigenständiges Unternehmerrisiko eingehen, das über dasjenige der Aktionärs- bzw. Gesellschafterstellung hinausgeht.</p>
<p>Da die Aktiengesellschaft eine Kapitalgesellschaft ist, ist der Aktionär zu nichts Weiterem verpflichtet als zur Leistung seiner Einlage<sup><a title="" href="#_ftn28" name="_ftnref28">28</a></sup>; Verpflichtungen persönlicher Art auferlegt ihm das Gesetz nicht.<sup><a title="" href="#_ftn29" name="_ftnref29">29</a></sup> Sobald ein ABV dem Aktionär ein solches Verhalten auferlegt, so sind das eigenständige Unternehmerinitiative und Unternehmerrisiko. Dies legt eine Mitunternehmerschaft dar, die nach § 7 Abs. 4 S. 2 AStG das «acting in concert» widerruflich vermuten lässt. Die übrigen Mitunternehmer der Personengesellschaft gelten damit als dem deutschen Steuerpflichtigen nahestehend.<sup><a title="" href="#_ftn30" name="_ftnref30">30</a></sup></p>
<h4>2.2.4 Typische ABV-Regelungen</h4>
<p>Nachstehend soll kurz auf typische Regelungen in ABV eingegangen werden:</p>
<h5>2.2.4.1 Stimmbindung</h5>
<p>Stimmrechtsbindungen stellen regelmässig das Herzstück eines ABV da. Die Vertragsparteien verpflichten sich im Rahmen von Stimmbindungen an der Generalversammlung oder im Rahmen der Sitzungen des Verwaltungsrats ihre Stimmen einheitlich oder in einem bestimmten, zuvor bestimmten Sinne abzugeben. Hierin liegt nichts anderes als ein von § 7 Abs. 4 AStG erfasstes «acting in concert».</p>
<h5>2.2.4.2 Verwaltungsratssitz</h5>
<p>Art. 709 Abs. 1 OR sieht vor, dass jeder Aktionärsgruppe das Recht auf Vertretung im Verwaltungsrat zukommt. Mit einem ABV kann dieses Recht auf jeden oder auf bestimmte Aktionäre ausgeweitet werden. So sind in der Praxis insbesondere Klauseln verbreitet, die das Recht zur Einsitznahme im Verwaltungsrat jeder Vertragspartei oder Vertragsparteien zusprechen, welche mindestens eine gewisse Anzahl Aktien halten. Eine solche Regelung dürfte als Ausgestaltung des Gesellschaftsverhältnisses anzusehen und ihm kein eigenständiger Regelungsgehalt beizulegen sein, der ein «acting in concert» nahelegt.</p>
<h5>2.2.4.3 Treuepflichten und Konkurrenzverbote</h5>
<p>Von Gesetzes wegen unterliegen nur Verwaltungsrätinnen und Verwaltungsräte sowie Geschäftsführerinnen und Geschäftsführer gegenüber der Gesellschaft einer Treuepflicht (anders als bei der GmbH), Aktionärinnen und Aktionäre jedoch nicht. Mit entsprechenden Klauseln können auch Aktionäre auf Handlungen verzichten, welche zu einer Konkurrenzierung oder Schädigung der Gesellschaft führen können. So kann verhindert werden, dass die Parteien eines ABV konkurrenzierende Unternehmen aufbauen und so die Gesellschaft schädigen. Eine solche Regelung dürfte als Ausgestaltung des Gesellschaftsverhältnisses unschädlich sein.</p>
<h3>2.3 Prozessuales</h3>
<p>Die Feststellung der Merkmale des Mitunternehmerrisikos und der Mitunternehmerinitiative obliegt als Tatsachenfeststellung dem Gericht.<sup><a title="" href="#_ftn31" name="_ftnref31">31</a></sup> Ebenso unterliegt die Frage, ob dem ABV ein über die Konkretisierung der Mitgliedschaftsrechte hinausgehender Regelungsgehalt zukommt, der tatrichterlichen Beweiswürdigung.</p>
<p>Führt die Beweiswürdigung dahin, dass eine Personengesellschaft oder eine Mitunternehmerschaft anzunehmen sind, so begründet das die widerlegbare Vermutung eines «acting in concert» mit der Folge, dass die Anteile aller Beteiligten dem deutschen Steuerpflichtigen bei der Frage der Beherrschung zuzurechnen sind.</p>
<p>Die Vermutung kann der deutsche Steuerpflichtige widerlegen. Die Widerlegbarkeit der Unterstellung des Zusammenwirkens durch abgestimmtes Verhalten ist anhand der konkreten Umstände des Einzelfalls zu beurteilen. Dabei kommt die freie Beweiswürdigung des Gerichts nach § 155 deutsche Finanzgerichtsordnung – FGO – i. V. m. § 286 der deutschen ZPO (entspricht Art. 157 Schweizer ZPO) zum Tragen.</p>
<p>Eine Widerlegbarkeit in diesem Sinne kann nach Ansicht der deutschen Finanzverwaltung insbesondere in Betracht kommen, wenn die Förderung eines gemeinsamen Zwecks unter Fortbestand der Gesellschaft vorübergehend oder dauernd unmöglich geworden ist. Gleiches gilt, wenn sich der gemeinsame Zweck in einer Vermögensanlage erschöpft und die Anleger sich nicht kennen oder den Anlegern ausschließlich Informationsrechte zustehen. Darüber hinaus kann eine Widerlegung der Unterstellung eines Zusammenwirkens durch abgestimmtes Verhalten in Betracht kommen, soweit der Steuerpflichtige das Bestehen ernstlicher Meinungsverschiedenheiten zwischen ihm und anderen Gesellschaftern oder Mitunternehmern nachweist.<sup><a title="" href="#_ftn32" name="_ftnref32">32</a></sup></p>
<p>Kommt man zu dem Ergebnis, dass eine Personengesellschaft oder eine Mitunternehmerschaft nicht anzunehmen sind, so bedeutet das nicht, dass ein abgestimmtes Verhalten im Sinne des § 7 Abs. 4 S. 1 AStG ausgeschlossen ist. Es ist dem Finanzamt eröffnet, das abgestimmte Verhalten auf andere Tatsachen zu stützen.</p>
<p>Welche anderen Kriterien für ein «acting in concert» anzunehmen sein werden, wird die deutsche finanzgerichtliche Rechtsprechung erst noch herausbilden müssen. Bis dahin verbleibt das Risiko eines deutschen Steuerpflichtigen, der nicht mehrheitlich an einer Schweizer GmbH oder AG beteiligt ist, dennoch der deutschen Hinzurechnungsbesteuerung zu unterliegen.</p>
<h2>3. Handlungsempfehlung</h2>
<h3>3.1 bestehender Aktionärsbindungsvertrag</h3>
<p>Bei bestehendem Aktionärsbindungsvertrag sollten die in Deutschland steuerpflichtigen Gesellschafter, für Klarheit sorgen:</p>
<p>Zum einen sollten sie den ABV unter die Lupe nehmen und bei Zweifeln an der Einordnung eine Klarstellung mit den übrigen ABV-Parteien anstreben.</p>
<p>Zum anderen sind die in Deutschland steuerpflichtigen Gesellschafter gehalten, Zweifel im Rahmen der Steuerdeklaration auszuräumen: Um auf der rechtssicheren Seite zu stehen und den Vorwurf der Steuerhinterziehung – mit Auslandsgesellschaften erfüllt das regelmässig einen besonders schweren Fall – von vornherein auszuschliessen, sollten sie eine Hinzurechnungssteuerdeklaration abgeben und darin (bzw. in einem Begleitschreiben) ihre Rechtsauffassung kundtun, wonach die Auslandsgesellschaft nicht als Zwischengesellschaft qualifiziert. Dies ist dann im Veranlagungsverfahren mit dem Finanzamt zu klären.</p>
<h3>3.2 neuer Aktionärsbindungsvertrag</h3>
<p>Bei neuen ABVs ist unbedingt darauf zu achten, ausdrücklich festzuhalten, dass sich der ABV in der Konkretisierung der Mitgliedschaftsrechte erschöpft und ihm darüber hinaus ein eigenständiger Regelungsgehalt nicht zukommt. Dies kann durch einen entsprechenden Passus in einer Präambel geschehen. Der eindeutig erklärte Wille setzt die Grenze für die Vertragsauslegung. Steht eine tatsächliche Willensübereinstimmung fest, bleibt für eine Auslegung nach dem Vertrauensgrundsatz kein Raum.<sup><a title="" href="#_ftn33" name="_ftnref33">33</a></sup> Das jedoch nur, wenn die Regelungen des Vertrages und seine Durchführung dem nicht zuwiderlaufen.</p>
<p>Selbst wenn der Wortlaut einer Vereinbarung auf den ersten Blick klar und eindeutig erscheint, kann nicht ohne Weiteres darauf abgestellt werden, da sich aus den weiteren Gegebenheiten wie dem Zweck des Vertrages und den Umständen, unter denen er geschlossen wurde, ergeben kann, dass der scheinbar klare Wortlaut den Sinn der geschlossenen Vereinbarung nicht exakt wiedergibt.<sup><a title="" href="#_ftn34" name="_ftnref34">34</a></sup> Vom klaren Wortlaut ist jedoch nicht abzuweichen, wenn keine ernsthaften Zweifel daran bestehen, dass er dem Willen der Parteien entspricht.<sup><a title="" href="#_ftn35" name="_ftnref35">35</a></sup> Diese Klarheit sollte der ABV aufweisen.</p></article>
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