Marc H. Kotyrba
Marc Scheunemann
Lennart Geffken
Entwicklung der Rechtsprechung zur Auslegung des DBA Deutschland/ Schweiz im Jahr 2013
Der folgende Beitrag stellt die Rechtsprechung der deutschen Finanzgerichte aus dem Jahr 2013 bezüglich der Anwendung und Auslegung des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Schweizerischen Eidgenossenschaft zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen vom 11. August 1971 (im Folgenden: DBA) dar. Der Beitrag ist die Fortsetzung zu in den Vorjahren erschienenen Überblicken über die Entwicklung der Rechtsprechung zur Auslegung des DBA Deutschland/Schweiz.
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Abfindungszahlungen: Keine Wirksamkeit der Konsultationsvereinbarungsverordnung
Das Hessische Finanzgericht hat in der Entscheidung 10 K 2176/11 vom 8. Oktober 2013 grundsätzlich Stellung zur Wirksamkeit der aufgrund des § 2 Abs. 2 Abgabenordnung («AO») erlassenen Verordnung zur Umsetzung der Deutsch-Schweizerischen Konsultationsvereinbarung («KonsVerCHEV») genommen.
Anlass war die steuerliche Beurteilung einer Abfindungszahlung, die ein deutscher Arbeitgeber seinem inzwischen in die Schweiz gezogenen Arbeitnehmer, infolge der Auflösung des Arbeitsverhältnisses leistete. Gemäss Art. 15 Abs. 1 DBA steht dem Wohnsitzstaat – also im Streitfall der Schweiz – das Besteuerungsrecht zu, soweit die Vergütung nicht für Tätigkeiten geleistet wird, die im anderen Vertragsstaat ausgeübt wurden. Nach Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs («BFH») fehlt bei Abfindungen, die anlässlich der Beendigung von Arbeitsverhältnissen gezahlt werden, ein derartiger Bezug zum Tätigkeitsstaat. Die Abfindungen erfolgten in diesen Fällen nicht für die (bisher ausgeübte) konkrete Tätigkeit, sondern seien als Ausgleich für den Verlust des Arbeitsplatzes und der damit verbundenen Nachteile geleistet. Das Besteuerungsrecht der Abfindungszahlungen steht damit der Schweiz als Wohnsitzstaat zu.
Ein Besteuerungsrecht der Bundesrepublik Deutschland ergibt sich nach Ansicht des Gerichts auch nicht aus der deutsch-schweizerischen Konsultationsvereinbarung zur Besteuerung von Abfindungszahlungen vom 17. März 2010 (BMF-Schreiben vom 25. März 2010, BStBl I 2010, 268). Das Gericht schliesst sich damit der Rechtsprechung des BFH (z.B. BFH I R 111/08, BStBl II 2010, 387, zum DBA Deutschland-Schweiz) an, die der Vereinbarung die Bindungswirkung abspricht. Die Vereinbarung stehe im Widerspruch zum Wortlaut des Art. 15 Abs. 1 DBA. Sie bedeute daher eine Abänderung des Doppelbesteuerungsabkommens, die ohne Umsetzung in positives und mit dem Abkommen gleichrangiges Recht (vgl. Art. 59 Abs. 2 Satz 1 Grundgesetz) nicht wirksam sei.
An diesem Ergebnis ändert sich nach Ansicht des Gerichts auch nichts durch § 24 Abs. 1 Satz 2 der KonsVerCHEV. Die KonsVerCHEV wurde auf der Grundlage des neuen § 2 Abs. 2 AO erlassen und schreibt die Regelung der Konsultationsvereinbarung vom 17.3.2010 auf Verordnungsebene als Rechtsnorm fest. Inhaltlich widerspricht die Verordnung dem Wortlaut des DBA damit ebenso wie die Konsultationsvereinbarung. Das Gericht schliesst sich der Literaturauffassung an, wonach nicht nur die Konsultationsvereinbarung, sondern auch eine diese wiedergebende Verordnung auf alle Fälle den Vorrang des Gesetzes zu wahren hat: «Steht die Verordnung inhaltlich im Widerspruch zum Wortlaut des Abkommens und damit zum Abkommen selbst, so ist sie unwirksam. Sie ist zu verwerfen und erzeugt keine Bindungswirkung für die Gerichte.»
Anzumerken bleibt, dass das Finanzgericht die Revision wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache zugelassen hat und inzwischen ein Revisionsverfahren anhängig ist (Aktenzeichen BFH I R 79/13). Der Ausgang dieses Verfahrens hat potenziell Auswirkung auf eine Vielzahl von Steuerfällen, da Deutschland entsprechende Konsultationsvereinbarungsverordnungen im Verhältnis auch zu zahlreichen anderen Staaten, wie etwa den USA, Grossbritannien, Frankreich oder den Beneluxstaaten, umgesetzt hat.
Feiertagszuschläge: Keine Bindung durch Grenzgängerhandbuch
Der BFH hat in dem Urteil VI R 48/12 vom 24. September 2013 bestätigt, dass das sog. Grenzgängerhandbuch der Oberfinanzdirektion Karlsruhe als eine norminterpretierende Verwaltungsvorschrift keine Rechtsnormqualität hat und die Gerichte nicht bindet. Streitgegenständlich waren Zuschläge für Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit, die ein Schweizer Arbeitgeber einem Grenzgänger pauschal geleistet hatte. § 3b Einkommensteuergesetz («EStG») setzt die Verknüpfung der jeweiligen Zahlungen mit einer tatsächlichen Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit voraus. Eine solche Verknüpfung bestand bei den pauschalen Zahlungen im Streitfall nicht, sodass keine Steuerfreiheit anerkannt wurde. Die Kläger beriefen sich erfolglos auf das Grenzgängerhandbuch, aus der sie eine pauschale Steuerfreiheit im Grenzgängerfall ableiten wollten. Ein solcher Anspruch lässt sich zudem nach Ansicht des BFH auch nicht aus dem Freizügigkeitsabkommen herleiten. Es fehle schon an einer ungünstigeren Behandlung, da auch ein bei einem deutschen Arbeitgeber beschäftigter Steuerpflichtiger denselben Anforderungen unterworfen ist.
Erweiterter Härtefallausgleich auch bei Schweizer Arbeitgeber
In dem Verfahren 3 K 2356/12 vom 18. April 2013 urteilte das FG Baden-Württemberg zur Anwendung des sog. erweiterten Härteausgleichs in § 46 Abs. 5 EStG auf bei Schweizer Arbeitgebern angestellte Steuerpflichtige. Der erweiterte Härtefallausgleich beruht darauf, dass nach § 46 Abs. 2 Nr. 1 EStG keine steuerliche Veranlagung durchzuführen ist, wenn ein Steuerpflichtiger neben Arbeitslohn, bei dem die Steuer direkt vom Lohn abgezogen wird, keine steuerpflichtigen Einkünfte erzielt, die die Höhe von 410 Euro überschreiten. Bis zu einem Betrag von 410 Euro bleiben Nebeneinkünfte in diesem Fällen also steuerfrei. Liegt die Höhe der Nebeneinkünfte knapp über dieser Freigrenze, so sieht § 46 Abs. 5 i.V.m. § 70 der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung einen Härtefallausgleichsbetrag vor, der vom steuerpflichtigen Einkommen abgezogen werden darf. Dieser Betrag entspricht der Differenz zwischen 820 Euro und dem Nebenverdienst des Steuerpflichtigen.
Im Streitverfahren war der Kläger in Deutschland ansässig und in der Schweiz nicht selbstständig tätig. Als Grenzgänger im Sinne des Art. 15a DBA übte Deutschland das Besteuerungsrecht aus. Bezüglich der Höhe der Nebenverdienste fiel der Kläger in den Anwendungsbereich der Härteausgleichsregelung, da seine Nebenverdienste über 410 Euro, aber unter 820 Euro lagen. Das Finanzamt verweigerte allerdings den Abzug des entsprechenden Betrages, weil die Voraussetzungen des § 46 Abs. 5 EStG nicht erfüllt waren. Die Einnahmen des Klägers aus nicht selbstständiger Tätigkeit waren nämlich keine Einnahmen, die dem Steuerabzug vom Arbeitslohn unterlagen – die deutsche Lohnsteuer wird nur dann vom Arbeitslohn einbehalten, wenn es sich um einen inländischen Arbeitgeber handelt.
Das FG Baden-Württemberg widersprach jedoch im Ergebnis der Auffassung der Finanzverwaltung und wendete den erweiterten Härtefallausgleich auf diese Konstellation analog an. Es bestehe kein sachlicher Grund dafür, keinen Härtefallausgleich vorzunehmen, wenn der Steuerabzug vom Lohn zugunsten des deutschen Steuerfiskus allein deswegen unterbleibt, weil der Lohn von einem Schweizer Arbeitgeber bezahlt wird.
Zur Behandlung eines Standby-Zimmers als Wohnung
In der Entscheidung I R 50/12 vom 10. April 2013 konkretisierte der BFH die Voraussetzungen für das Vorliegen einer Wohnung im Sinne des § 8 AO. Anlass war die Beurteilung einer nur sporadischen Nutzung eines angemieteten Raumes im Fall eines sog. Standby-Zimmers. Die Bestimmung des Wohnsitzes ist die massgebliche Weichenstellung bei der Begründung einer Steuerpflicht im jeweiligen Staat und ein Anknüpfungspunkt bei der Verteilung der Besteuerungsrechte im DBA.
Der Kläger war ein Schweizer Staatsbürger, der als Pilot bei einer deutschen Fluggesellschaft angestellt war und seinen Einsatzflughafen in Deutschland hatte. Nach Art. 15 Abs. 3 DBA kann das gesamte Einkommen eines Piloten am Ort des Sitzes des Unternehmens besteuert werden. Bei Vorliegen eines Wohnsitzes in Deutschland dürfte also sowohl das im Inland auch das im Ausland erzielte Einkommen aus dieser Tätigkeit in Deutschland besteuert werden. Der Hauptwohnsitz des Klägers lag in der Schweiz, in Deutschland verfügte er in der Nähe seines Einsatzflughafens über ein sog. Standby-Zimmer. Dabei handelte es sich um möbliertes Zimmer in der Kelleretage, das der Kläger durchschnittlich für drei Nächte im Monat nutzte und dafür monatlich 50 Euro entrichtete. Das Zimmer verfügte weder über ein eigenes Bad oder Waschbecken noch über einen Kühlschrank oder Kochgelegenheiten. Neben dem Kläger nutzten noch zwei weitere Piloten den Raum als Standby-Zimmer. Im Kellergeschoss fanden sich weitere Räume, die vom Vermieter ebenso wie das dort befindliche Bad genutzt wurden. Daneben wurde das vom Kläger gemietete Zimmer bei dessen Abwesenheit für Familien- und Gästebesuch der Vermieter gebraucht.
Der Begriff der Wohnung im Sinne des § 8 AO erfordert, dass die Räumlichkeit nach ihrer Grösse über das blosse Übernachten hinaus ein Verweilen als eine zumindest bescheidene Bleibe gestattet. Diese Voraussetzungen waren nach Feststellungen des Finanzgerichtes in der ersten Instanz (Hessisches FG, 3 K 1061/0912 vom April 2012) bei dem fraglichen Raum, der 12 bis 15 qm gross war, gegeben. Anders als die Vorinstanz sieht es der BFH aber nicht als notwendig für das Vorliegen einer Wohnung an, dass der Kläger die Kellerräume nicht nur zu Übernachtungen nutzte – die Nutzung allein als Übernachtungsmöglichkeit reiche für die Bestimmung zu Wohnzwecken aus. Voraussetzung sei aber weiter, dass der Steuerpflichtige die Wohnung innehabe. Danach muss die Wohnung in objektiver Hinsicht dem Steuerpflichtigen jederzeit (wann immer er es wünscht) als Bleibe zur Verfügung stehen und zudem in subjektiver Hinsicht von ihm zu einer entsprechenden Nutzung – d.h. für einen jederzeitigen Wohnaufenthalt – bestimmt sein. In dieser zur objektiven Eignung hinzutretenden subjektiven Bestimmung liege eben der Unterschied zwischen dem blossen Aufenthaltnehmen in einer Wohnung und dem Wohnsitz (vgl. u.a. auch BFH-Urteil vom 26. Februar 1986 II R 200/82, BFH/NV 1987, 301 sowie Urteil vom 22. April 1994 III R 22/92, BFHE 174, 523, BStBl II 1994, 887).
Nach Auffassung des BFH fehlt es an dem jederzeitigen Zuverfügungsstehen nicht schon deswegen, weil die Räume vom Vermieter zum Teil für Gästeübernachtungen genutzt wurden. Insofern bestehe eine Unschädlichkeitsgrenze, die nicht überschritten werde, wenn dem Vermieter die Nutzung nur in «wenigen und in jeder Hinsicht vernachlässigbaren Ausnahmefällen» verbleiben soll.
Daneben sei die jederzeitige Verfügungsmacht über die Wohnung auch dann zu bejahen, wenn mehreren Personen eine gemeinsame Nutzungsmöglichkeit der Räume zusteht. Vorausgesetzt ist hierbei allerdings, dass dem einzelnen Mieter auch in Zeiten der gemeinsamen Nutzung die Möglichkeit der Wohnnutnutzung erhalten bleibt, die sich nicht allein auf ein gemeinsames Übernachten beschränkt. Ob eine solche gemeinsame Nutzung in Betracht kommt, hängt von Umständen der Räumlichkeiten, insbesondere ihrer Grösse ab, was vom BFH selbst nicht zu klären war.
Zur einkommensteuerlichen Behandlung von in der Schweiz geleisteten Altersvorsorgebeiträgen sowie Leistungen der Vorsorgeeinrichtungen
Die steuerliche Beurteilung von für einen Arbeitnehmer eingezahlten Altersvorsorgebeiträgen sowie von später erfolgender Auszahlungen der Altersvorsorgeeinrichtungen wie z.B. Schweizer Pensionskassen ist ein Dauerthema der deutschen Finanzgerichte. Die Frage nach der einkommensteuerlichen Beurteilungen derartiger Zahlungen stellt sich dabei aus nationaler und aus internationaler Perspektive und war auch im Jahr 2013 Gegenstand mehrerer Streitverfahren:
Die Entscheidung VI R 6/11 des BFH vom 24. September 2013 betrifft die einkommensteuerliche Behandlung der Arbeitgeberbeiträge zu einer schweizerischen Pensionskasse für einen Grenzgänger in die Schweiz. Die Schweizer Arbeitgeberin des Klägers erbrachte verschiedene Altersvorsorgeleistungen zugunsten des Klägers. Zunächst zahlte sie nach zwingendem schweizerischem Recht Arbeitgeberbeiträge zur Alters- und Hinterlassenenversicherung und zur Invalidenversicherung. Daneben entrichtete sie für den Kläger Beiträge an eine Pensionskasse zur beruflichen Vorsorge bei Tod, Unfall und Invalidität. Während ein Teil der an diese Pensionskasse erbrachten Arbeitgeberbeiträge aufgrund eines öffentlich-rechtlichen Versicherungsverhältnisses zwingend zu erbringen war (sog. Obligatorium), leistete die Arbeitgeberin darüber hinaus noch weitere Beiträge aufgrund eines privatrechtlichen Versicherungsvertrages (sog. Überobligatorium).
Ausgaben des Arbeitgebers für die Zukunftssicherung des Arbeitnehmers sind nach § 3 Nr. 62 Satz 1 EStG steuerfrei, soweit der Arbeitgeber dazu nach gesetzlichen Vorschriften oder nach einer auf gesetzlicher Ermächtigung beruhenden Bestimmung verpflichtet ist. Nach Rechtsprechung des BFH gilt das Gleiche, wenn die Verpflichtung auf ausländischen Gesetzen beruht. Dementsprechend waren die Arbeitgeberbeiträge zur Alters- und Hinterlassenenversicherung und zur Invalidenversicherung sowie die Beiträge an die Pensionskasse, die aufgrund des öffentlich-rechtlichen Versicherungsverhältnisses zwingend erbracht wurden (sog. Obligatorium), nach § 3 Nr. 62 Satz 1 EStG steuerfrei. Die aufgrund eines privatrechtlichen Vertrages erbrachten überobligatorischen Leistungen unterfallen dagegen nicht § 3 Nr. 62 Satz 1 EStG. Diese Beiträge können jedoch dem Grunde nach bei Anwendung des § 3 Nr. 62 Satz 4 Halbsatz 1 EStG steuerfrei sein. Dabei ist jedoch Halbsatz 2 zu berücksichtigen, wonach Beiträge des Arbeitgebers aufgrund gesetzlicher Verpflichtung anzurechnen sind. Übersteigen die Beitragszahlungen aufgrund gesetzlicher Verpflichtung diejenigen, die überobligatorisch erfolgen, so sind letztere also nicht nach § 3 Nr. 62 Satz 4 EStG steuerfrei.
Anzumerken ist schliesslich, dass die Steuerfreiheit der Beiträge sich aus § 3 Nr. 56 oder 63 EStG ergeben kann. Beide Normen fanden auf den entschiedenen Fall, dessen Streitjahre zwischen 1997 und 2001 lagen, allerdings noch keine Anwendung.
Die einkommensteuerliche Behandlung der Altersvorsorgebeiträge nach Schweizer Recht durch den in Deutschland ansässigen Arbeitnehmer ist auch das Thema der Entscheidung 14 K 160/13 des FG Baden-Württemberg vom 7. August 2013.
Nach § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG sind Beiträge zu den gesetzlichen Rentenversicherungen als Sonderausgaben abzugsfähig. Erfasst werden auch Beiträge zu ausländischen Versorgungsträgern, wenn bei rechtsvergleichender Betrachtung festgestellt werden kann, dass die ausländische Einrichtung nach ihrer Struktur und den von ihr im Versorgungsfall zu erbringenden Leistungen der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung ent- spricht. Massgebliche Strukturelemente der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung sind nach der Rechtsprechung, dass die zu erbringende Beitragszahlungen auf einer gesetzlichen Anordnung beruhen, die Versicherung für den betroffenen Personenkreis obligatorisch ist und die Leistungen als Leistungen öffentlich-rechtlicher Art zu erbringen sind. Bei Anwendung dieser Grundsätze sind die Schweizer Alters- und Hinterlassenenversicherung sowie die Pensionsstiftung als Vorsorgeeinrichtung der schweizerischen Arbeitgeberin Sozialversicherungsträger im Sinne des § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG. Unerheblich sei in diesem Zusammenhang, dass die Pensionskasse bzw. Stiftung abweichend vom System der deutschen Rentenversicherung im Rahmen des Kapitaldeckungsverfahrens und nicht im Wege des Umlageverfahrens finanziert wird. Die Art der Finanzierung stehe der Behandlung als gesetzliche Rentenversicherung nicht entgegen.
Die steuerliche Behandlung der Austrittsleistung einer öffentlich-rechtlichen schweizerischen Pensionskasse behandelt schliesslich der BFH in der Entscheidung X R 33/10 vom 23. Oktober 2013. Streitgegenständlichen waren Zahlungen der Pensionskasse des Basler Staatspersonals, deren Mitglied die in Deutschland ansässige Klägerin war. Nachdem die Klägerin ihr Arbeitsverhältnis in der Schweiz beendet und das Land endgültig verlassen hatte, erhielt sie im Jahr 2005 eine Austrittsleistung in Form einer Barauszahlung. Das Besteuerungsrecht für diese Zahlung steht nach Rechtsprechung des BFH dem Ansässigkeitsstaat Deutschland zu. Die Versorgungsleistungen einer Schweizer Pensionskasse an einen vormals im Schweizer öffentlichen Dienst tätigen Arbeitnehmer, die auch auf Beitragsleistungen des Arbeitnehmers beruhen, unterfielen nämlich nicht dem Kassenstaatsprinzip gemäss Art. 19 Abs. 1 DBA. Auch seien sie abkommensrechtlich nicht als Ruhegehalt gemäss Art. 18 DBA einzuordnen. Anzuwenden sei damit die Auffangnorm des Art. 21 DBA, nach der nicht speziell zugewiesene Einkünfte durch den Ansässigkeitsstaat besteuert werden dürfen.
Im Streit stand neben der damit entschiedenen abkommensrechtlichen Einordnung weiter die Beurteilung der Austrittsleistungen nach deutschem innerstaatlichem Einkommensteuerrecht. Trotz einzelnen Unterschieden in der Struktur und der gewährten Leistung im Vergleich zur deutschen Rentenversicherung sind die Leistungen der Pensionskasse des Basler Staatspersonals nach Ansicht des BFH als eine Leistung einer gesetzlichen Rentenversicherung anzusehen, die gemäss § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa Satz 3 EStG steuerbar ist. Die streitgegenständliche Zahlung sei auch eine «andere Leistung» im Sinne dieser Norm – unerheblich sei insofern, dass es sich um eine einmalige und nicht um eine wiederkehrende Leistung handelte. Nicht anzuwenden sei § 3 Nr. 3 EStG in der 2005 geltenden Fassung, wonach Kapitalabfindungen, die aufgrund der gesetzlichen Rentenversicherung geleistet werden, steuerfrei sind. Die Norm beinhalte zwar keine Beschränkung auf inländische Versorgungsträger. Ihre Anwendung auf eine Kapitalleistung einer entsprechenden ausländischen Rentenversicherung sei aber nur gerechtfertigt, wenn diese ausländische Kapitalleistung wie eine von der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung gewährte Kapitalabfindung qualifiziert werden könnte. Das bedeute, dass sich die Leistungen im Wesentlichen entsprechen und demselben Zweck dienen müssen. Das sei bei einer Kapitalabfindung bei endgültigem Verlassen des Hoheitsgebietes des Versicherungsträgers nicht der Fall. Kapitalabfindungen werden im deutschen Rentenversicherungsrecht nur ausnahmsweise im Falle der Wiederverheiratung von Witwen/Witwern geleistet. Diese Abfindung sei in Hinblick auf Anlass der Leistung und Berechnung ihrer Höhe nicht mit der streitgegenständlichen Kapitalabfindung vergleichbar. Der BFH bestätigte schliesslich, dass die durch das Alterseinkünftegesetz ohne Übergangsregeln eingeführte Steuerpflicht der Kapitalabfindungen weder gegen das Rückwirkungsgebot noch gegen den Grundsatz des Vertrauensschutzes verstosse. In Betracht komme allerdings eine ermässigte Besteuerung gemäss § 34 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 Nr. 4 EStG.