<article class="rz"><h2>1. Einleitung</h2>
<p>Die MWST-Branchen-Info 17 Liegenschaftenverwaltung / Vermietung und Verkauf von Immobilien, (MBI 17) sieht in Ziff. 5 ff. vor, dass eine steuerpflichtige Person bei einer Übertragung von bebauten Grundstücken die Möglichkeit hat, für eine oder mehrere Liegenschaften eine der Varianten «Verkauf ohne Option», «Verkauf mit Option» oder die «Übertragung im Meldeverfahren» zu wählen.<sup> </sup>Bei einem Verkauf mit Option kann das Grundstück vollumfänglich oder auch teiloptiert übertragen werden, soweit es der Käufer nicht ausschliesslich für Wohnzwecke nutzt (Art. 22 Abs. 2 lit. b MWSTG).<sup> <a title="" href="#_ftn1" name="_ftnref1">01</a></sup></p>
<p>Ziff. 5.3 der MBI 17 stellt klar, dass unter bestimmten Voraussetzungen die Abrechnungs- oder Steuerentrichtungspflicht im Meldeverfahren erfüllt werden muss, d.h. das Wahlrecht eingeschränkt ist.</p>
<p>Insofern stellt sich bei Immobilientransaktionen zunächst die Frage, ob das Meldeverfahren zwingend anzuwenden ist. Erst im Anschluss hieran kann die Beurteilung erfolgen, ob eine MWST-ausgenommene Übertragung, eine Übertragung mit Option oder das freiwillige Meldeverfahren eine steuerlich optimale Variante darstellen. Aktuell ergeben sich neue Abgrenzungsfragen, da die ESTV am 11. Februar 2025 wesentliche Praxisänderungen und Praxispräzisierungen zum Anwendungsbereich des Meldeverfahrens in der MWST-Info 11 Meldeverfahren (MI 11) publiziert hat, die sich insbesondere auf Immobilientransaktionen auswirken. Für Immobilientransaktionen führen die Änderungen und Präzisierungen teils zu einer Ausweitung der obligatorischen Anwendung des Meldeverfahrens und teils schränken sie dessen Anwendung ein.</p>
<blockquote>
<p>Unter Immobilientransaktionen sind sowohl die Übertragung von Immobilien im Rahmen einer Umstrukturierung, einer Sacheinlage, einer Liquidation o.Ä. zu verstehen als auch der Verkauf von Immobilien.</p>
</blockquote>
<p>Aus mehrwertsteuerlicher Sicht beschränkt sich die Evaluation der Alternativen auf die Übertragung des bzw. der Gebäude (im Folgenden als «Übertragung von Grundstücken» oder «Immobilien» bezeichnet). Denn der Teil des Entgelts, der auf den Grund und Boden entfällt, ist nicht Bestandteil der mehrwertsteuerlichen Bemessungsgrundlage nach Art. 24 Abs. 6 lit. c MWSTG.</p>
<h2>2. Steuersystematische Einordnung des Meldeverfahrens</h2>
<p>Mit dem Meldeverfahren erfüllt die steuerpflichtige Person gemäss Art. 38 Abs. 1 MWSTG ihre Abrechnungs- und Steuerentrichtungspflicht bei Umstrukturierungen und anderen Übertragungen eines Gesamt- oder Teilvermögens durch Meldung. Damit eine Abrechnungs- und Entrichtungspflicht entsteht, muss ein Leistungsverhältnis vorliegen.<a title="" href="#_ftn2" name="_ftnref2"><sup>02</sup></a> Als Folge der Anwendung des Meldeverfahrens übernimmt die erwerbende Partei den Verwendungsgrad und den Zeitwert der Vorsteuern für die übertragenen Vermögenswerte, sofern sie diese Sachverhalte nachweisen kann.<a title="" href="#_ftn3" name="_ftnref3"><sup>03</sup></a></p>
<p>Aus historischer Sicht war eine liquiditätsschonende Abwicklung von Betriebswechseln Ziel der Einführung des Meldeverfahrens in der MWSTV 1994.<a title="" href="#_ftn4" name="_ftnref4"><sup>04</sup></a> Die MWST soll nicht von der übertragenden Partei abgeführt und von der übernehmenden Partei wieder als Vorsteuer zurückgefordert werden müssen. Daneben tritt der Steuersicherungseffekt des Meldeverfahrens, da das Risiko einer Vorsteuerrückforderung auf Ebene der übernehmenden Partei, ohne dass die übertragende Partei die MWST abgeführt hat, vermieden wird. Zu diesem Zweck werden gewisse Umstrukturierungsvorgänge seit der Einführung des Meldeverfahrens obligatorisch dem Meldeverfahren unterstellt.<a title="" href="#_ftn5" name="_ftnref5"><sup>05</sup></a> Dieser obligatorische Anwendungsbereich wird nun durch die Praxisänderungen in MI 11 teils erweitert. Einschränkungen des Anwendungsbereichs werden durch Praxispräzisierungen bestätigt.</p>
<p>Mit der Abrechnung einer MWST-relevanten Leistung durch Meldung bei Umstrukturierungsvorgängen besteht ein wesentlicher Unterschied zum EU-Recht. Gemäss Art. 19 MWStSystRL<a title="" href="#_ftn6" name="_ftnref6"><sup>06</sup></a> können die Mitgliedstaaten die Übertragung eines Gesamt- oder Teilvermögens, die entgeltlich oder unentgeltlich oder durch Einbringung in eine Gesellschaft erfolgt, behandeln, als ob keine Lieferung von Gegenständen vorliegt, und den Begünstigten der Übertragung als Rechtsnachfolger des Übertragenden ansehen. Mit anderen Worten kann nach EU-Recht in diesen Fällen ein Leistungsaustausch negiert und ein nicht MWST-relevanter Vorgang angenommen werden.</p>
<h2>3. Praxisänderungen und -präzisierungen zum mehrwertsteuerlichen Meldeverfahren</h2>
<h3>3.1 Übersicht zu den Praxisänderungen und -präzisierungen</h3>
<p>Die nachfolgende Übersicht stellt die Voraussetzungen für die obligatorische Anwendung des Meldeverfahren vor<a title="" href="#_ftn7" name="_ftnref7"><sup>07</sup></a> und nach den Praxisänderungen sowie -präzisierungen gegenüber.</p>
<p>Platzhalter Tabelle</p>
<p>Im Folgenden werden die oben dargelegten Praxisänderungen und -präzisierungen mit Ausnahme der Praxisänderung zur Steuerpflicht der Beteiligten detailliert erörtert und gewürdigt.</p>
<h3>3.2 Zeitliche Wirkung von Praxisänderungen und Praxispräzisierungen</h3>
<p>Der Verweis in MI 11, Ziff. 3.3, auf das KS 5a der ESTV vom 1. Februar 2022 ist als Praxispräzisierung gekennzeichnet. Alle weiteren vorstehend zitierten Änderungen in MI 11 sind mit «Praxisänderung infolge Überprüfung der Praxis durch die ESTV» betitelt.</p>
<p>Mit Praxispräzisierungen gibt die ESTV gemäss MI 20<a title="" href="#_ftn10" name="_ftnref10"><sup>10</sup></a>, Ziff. 4, «nähere, deutlichere, präzisere oder weiterführende Ausführungen zu ihrer bisherigen Praxis». Sie beinhalten demnach keine Änderungen der bisherigen Verwaltungspraxis und die bestehende Rechtslage bleibt unberührt.<a title="" href="#_ftn11" name="_ftnref11"><sup>11</sup></a></p>
<p>Von einer Änderung der bestehenden Praxis (nachfolgend als «Praxisänderung» bezeichnet) wird hingegen gesprochen, wenn die ESTV ihre bisherige, in einer MI oder MBI bereits publizierten Praxis aufgibt und durch eine neue, anderslautende Praxispublikation ersetzt.<a title="" href="#_ftn12" name="_ftnref12"><sup>12</sup></a> Die ESTV umschreibt in MI 20, ab welchem Zeitpunkt geänderte Praxispublikationen nach Art. 65 Abs. 3 MWSTG gelten. Die ESTV unterscheidet zunächst danach, ob es sich bei der Praxisänderung um eine erstmalige Praxisfestlegung oder um eine Änderung der bestehenden Praxis handelt.</p>
<p>Mit Bezug auf die zeitliche Wirkung von Praxisänderungen werden drei Tatbestände unterschieden. Vorliegend ist nur der Tatbestand «Änderungen infolge einer Überprüfung durch die ESTV» relevant. Für die zeitliche Wirkung ist in einem weiteren Schritt zu prüfen, ob die Änderung zu Gunsten oder zu Lasten der steuerpflichtigen Person ausfällt.<a title="" href="#_ftn13" name="_ftnref13"><sup>13</sup></a></p>
<p>Demnach entfalten die vorstehend aufgeführten Praxisänderungen Wirkung mit ihrer Publikation am 11. Februar 2025, wenn sie sich zu Gunsten der steuerpflichtigen Person auswirken, und können in diesem Fall auch rückwirkend auf alle noch nicht rechtskräftigen Steuerperioden angewandt werden.</p>
<p>Wirken die Praxisänderungen zu Lasten der steuerpflichtigen Person, sind sie erst ab Semesterbeginn, der auf die Publikation folgt, d.h. auf den 1. Juli 2025 anwendbar und entfalten keine Rückwirkung auf noch nicht rechtskräftige Steuerperioden.<a title="" href="#_ftn14" name="_ftnref14"><sup>14</sup></a></p>
<h2>4. Auswirkungen der Praxisänderungen und -präzisierungen auf Immobilientransaktionen</h2>
<h3>4.1 Steuerbarkeit der Übertragung</h3>
<h4>4.1.1 Rechtslage vor Praxisänderung</h4>
<p>Der zu übertragende Vermögenskomplex musste vor der Praxisänderung grundsätzlich als Leistungs­bündel zumindest teilweise steuerbar sein, damit das Meldeverfahren anwendbar war. Dies galt auch, wenn das übertragene Grundstück bzw. die übertragenen Grundstücke oder Grundstücksteile einen Immobilienbetrieb bildeten. Nur falls das übertragene Grund­stück Teil eines steuerbaren Vermögenskomplexes war, war die vorausgesetzte Steuerbarkeit der Veräusserung gegeben.<a title="" href="#_ftn15" name="_ftnref15"><sup>15</sup></a></p>
<p>Da reine Grundstücksübertragungen von der Steuer ausgenommen sind (Art. 21 Abs. 2 Ziff. 20 MWSTG), fehlte es bei reinen Grundstückstransaktionen an der Steuerbarkeit der Veräusserung.<a title="" href="#_ftn16" name="_ftnref16"><sup>16</sup></a> Die Übertragung einer oder mehrerer Immobilien ohne weitere (steuerbar zu übertragende) Aktiven führte daher bisher nie zur obligatorischen Anwendung des Meldeverfahrens.</p>
<h4>4.1.2 Inhalt der Praxisänderung</h4>
<p>Neu ist für die Anwendung des obligatorischen Meldeverfahrens nicht mehr relevant, «ob der übertragene Vermögenskomplex teilweise oder vollumfänglich aus Aktiven besteht, deren Veräusserung ohne Anwendung des Meldeverfahrens von der Steuer ausgenommen wäre. Unter unabhängigen Dritten wird allerdings die Überschreitung der Steuerbetragsgrenze von CHF 10'000 vorausgesetzt.»<a title="" href="#_ftn17" name="_ftnref17"><sup>17</sup></a></p>
<p>Klarstellend führt die ESTV aus, dass bei steuer- oder zivilrechtlicher Liquidation und/oder Löschung, sämtliche übertragenen Aktiven – auch nicht betriebsnotwendige Aktiven – zwingend in das Meldeverfahren einzubeziehen sind. Hingegen können in Fällen, «in denen im Rahmen einer Betriebsübertragung (bspw. im Zusammenhang mit einer Abspaltung nach Art. 61 Abs. 1 lit. b DBG oder einer Betriebsveräusserung an einen unabhängigen Dritten) nichtbetriebsnotwendige Aktiven mitgegeben werden, […] diese vom Meldeverfahren ausgeschlossen werden. Für Grundstücke oder Grundstücksteile gilt diesbezüglich, dass diese vom obligatorischen Meldeverfahren ausgeschlossen werden dürfen, sofern der übertragene Vermögenskomplex auch ohne deren Übertragung noch das Betriebserfordernis erfüllt.»<a title="" href="#_ftn18" name="_ftnref18"><sup>18</sup></a></p>
<h4>4.1.3 Beurteilung</h4>
<p>Neu findet das Meldeverfahren zwingend auch bei der Übertragung einer oder mehrerer Immobilien vorbehaltlich der Erfüllung der übrigen Voraussetzungen Anwendung, auch wenn keine weiteren steuerbar zu übertragenden Aktiven mitübertragen werden. Der Anwendungsbereich des obligatorischen Meldeverfahrens wird somit ausgeweitet. Die Wahlmöglichkeit zwischen den Alternativen ausgenommene Übertragung, Option und Meldeverfahren wird e contrario eingeschränkt. Steuersystematisch ist das Meldeverfahren als Methode einzuordnen, die dazu dient die Abrechnungs- und Steuerentrichtungspflicht durch Meldung zu erfüllen. Da aber bei MWST-ausgenommenen Immobilientransaktionen nach Art. 21 Abs. 2 Ziff. 20 MWSTG gar keine Steuerforderung und damit auch keine Entrichtungspflicht entsteht, erscheint die Ausweitung des Anwendungsbereichs auf steuerausgenommene Transaktionen systemfremd.</p>
<p>Grundsätzlich bewirkt diese Praxis aber eine Vereinfachung und Risikominimierung bei steuerneutralen Umstrukturierungen nach Art. 19 und 61 DBG. Wenn das Meldeverfahren auch in den Fällen obligatorisch anzuwenden ist, in denen einzelne Grundstücke übertragen werden, besteht keine abweichende Behandlung zu anderen steuerneutralen Umstrukturierungen mehr. Insofern ist auch das in der Vergangenheit tatsächlich auftretende Risiko einer Ablehnung des Meldeverfahrens, falls in solchen Fällen im Vertrag nicht auf die (freiwillige) Anwendung des Meldeverfahrens hingewiesen wurde, gebannt. Wenn das Meldeverfahren nicht mehr aufgrund fehlender Steuerbarkeit der Transaktion abgelehnt werden kann, reduziert dies auch das Eigenverbrauchssteuerrisiko bei der übertragenden Partei, da unter dem Meldeverfahren keine Nutzungsänderung aufgrund einer Qualifikation als MWST-ausgenommene Grundstücksübertragung entstehen kann. Gleichzeitig erhöht die neue Praxis das Risiko der übernehmenden Partei, da diese den Verwendungsgrad und den Zeitwert der Vorsteuern für die übertragenen Vermögenswerte übernimmt, sofern sie diese Sachverhalte nachweisen kann.</p>
<p>Vereinfachend bzw. vereinheitlichend wirkt die Praxis, dass im Fall einer Betriebsübertragung mit Liquidation und/oder Löschung keine Wahlmöglichkeit besteht, Immobilien aus der Anwendung des Meldeverfahrens auszuschliessen. Für nicht betriebsnotwendige Aktiven, wie z.B. Kapitalanlageliegenschaften, besteht nur dann die Möglichkeit des Ausschlusses aus dem Meldeverfahren, wenn Betriebsübertragungen nicht im Rahmen einer Liquidation und/oder Löschung (z.B. infolge Fusion) stattfinden. Für diese Fallkonstellationen verbleibt eine echte Wahlmöglichkeit zwischen den Varianten einer MWST-ausgenommenen Übertragung, einer Übertragung mit Option und einer Übertragung im Meldeverfahren.</p>
<p>Bei der Evaluation dieser Wahlmöglichkeit sind detaillierte Kenntnisse zu deren Wirkungsweise erforderlich – insbesondere im Hinblick auf die Vorsteuerabzugsberechtigung der Investitionen beim Übertragenden. Will man Grundstücke als nicht betriebsnotwendige Aktiven aus dem Meldeverfahren ausschliessen, stellen sich zudem formelle Hürden: Frage 3 auf Seite 2 des Formulars 764 ist mit «nein» zu beantworten und in Ziff. 4 als Verkehrswert der Wert der Aktiven, die als Leistungen qualifiziert werden können,<a title="" href="#_ftn19" name="_ftnref19"><sup>19</sup></a> ohne den Wert der Grundstücke einzutragen.</p>
<p>Eine Liegenschaft wird im Meldeverfahren im gleichen Nutzungsverhältnis (steuerbar bzw. ausgenommen) übertragen, wie sich dieses Nutzungsverhältnis im Zeitpunkt des Verkaufs bzw. der Übertragung darstellt. Alleine durch die Anwendung des Meldeverfahrens entsteht somit keine Nutzungsänderung. Oder mit anderen Worten: Das Meldeverfahren ist nicht einer Option gleichzusetzen.<a title="" href="#_ftn20" name="_ftnref20"><sup>20</sup></a> Das Meldeverfahren stellt wie oben erwähnt die übernehmende Partei vor die Herausforderung, von der übertragenden Partei alle Nachweise über die vormalige Nutzung und die Zeitwerte der Vorsteuern auf wertvermehrenden Aufwendungen zu erhalten. Aufgrund der Abschreibung der Vorsteuern bei unbeweglichen Gegenständen über 20 Jahre, sind die Nachweise für längstens 20 Jahre zu erbringen. </p>
<blockquote>
<p><strong>Beispiel 1<br /></strong>Die Versicherungs-AG soll mit ihrer Schwestergesellschaft fusioniert werden. Die Versicherungs-AG überträgt hierzu sämtliche Aktiven und Verbindlichkeiten auf die Schwestergesellschaft (Absorption). Die Versicherungs-AG ist MWST-pflichtig, da sie aus einer optiert vermieteten Liegenschaft steuerbare Umsätze erzielt. Im Übrigen erzielt sie lediglich MWST-ausgenommene Umsätze. Die Übertragungsbilanz weist nur eine Liegenschaft und andere Aktiven aus, die nicht zu steuerbaren Übertragungen führen (Forderungen, Beteiligungen, dem Versicherungsgeschäft dienende Sachanlagen etc.).</p>
<p>Vor der Praxisänderung war das Meldeverfahren nicht obligatorisch anzuwenden, auch wenn eine Umstrukturierung nach Art. 61 DBG vorlag und die Beteiligten steuerpflichtig sowie eng verbundene Personen waren. Es mangelte an der steuerbaren Übertragung von Aktiven.<a title="" href="#_ftn21" name="_ftnref21"><sup>21</sup></a> Für die freiwillige Anwendung nach Art. 38 Abs. 4 MWSTG i.V.m. Art. 104 MWSTV im Hinblick auf die Immobilie musste im Vertrag auf das Meldeverfahren hingewiesen werden, da ansonsten eine von der MWST ausgenommene Übertragung der Immobilie vorlag – mit allfälligen Eigenverbrauchssteuerfolgen aus einer Nutzungsänderung.</p>
<p>Neu ist das Meldeverfahren obligatorisch anzuwenden. Es besteht auch kein Wahlrecht die Immobilie aus dem Meldeverfahren auszuschliessen, da die übertragende Gesellschaft untergeht.</p>
</blockquote>
<h3>4.2 Umstrukturierung nach Art. 38 Abs. 1 MWSTG</h3>
<p>Sofern die Übertragung eines Grundstücks unter einen der in Art. 38 Abs. 1 MWSTG geregelten Tatbestände fällt, d.h. im Rahmen eines Umstrukturierungs­vorgangs i.S.v. Art. 38 Abs. 1 lit. a MWSTG oder einer Vermögensübertragung i.S.v. Art. 38 Abs. 1 lit. b MWSTG erfolgt und die Transaktion die weiteren Voraussetzungen des Meldeverfahrens erfüllt, ist dieses obligatorisch anzuwenden. Da verschiedene zivilrechtliche Wege zur Erreichung der gewünschten Endstruktur möglich sind, verzichtet die ESTV, im Sinne einer Vereinfachung auf die mehrwertsteuerliche Erfassung einzelner zivilrechtlicher Zwischenschritte.<a title="" href="#_ftn22" name="_ftnref22"><sup>22</sup></a></p>
<h4>4.2.1 Umstrukturierungen nach Art. 19 bzw. 61 DBG (Art. 38 Abs. 1 it. a MWSTG)</h4>
<h5>4.2.1.1 Rechtslage vor Praxisänderung</h5>
<p>Eine Umstrukturierung im Sinne von Art. 38 Abs. 1 lit. a MWSTG liegt vor, wenn die Veräusse­rung nach den direktsteuerlichen Grundsätzen steuerneutral erfolgt und somit die Bestimmungen der Art. 19 DBG (natürliche Personen) oder Art. 61 DBG (juristische Personen) erfüllt sind. Beispiele für einen Umstrukturierungsvorgang (Art. 38 Abs. 1 lit. a MWSTG) sind:</p>
<ul>
<li>Fusion</li>
<li>Abspaltung</li>
<li>Ausgliederung eines Betriebs</li>
<li>Übertragung eines Betriebs zu Buchwerten durch den Einzelunternehmer in eine Kapital- oder Personengesellschaft</li>
</ul>
<p>Eine Umwandlung einer Gesellschaft in eine andere Rechtsform nach Art. 54 FusG führt nicht zu einem Wechsel des Steuersubjekts. Das Meldeverfahren kommt deshalb nicht zur Anwendung.</p>
<h5>4.2.1.2 Inhalt der Praxisänderung</h5>
<p>Nach der Praxisänderung sollen auch Umstrukturierungen unter Art. 38 Abs. 1 lit. a MWSTG fallen, wenn keine vollumfänglich steuerneutrale Übertragung gegeben ist, sondern ein einkommens- bzw. gewinnsteuerlicher Step-up auf einen Wert unter dem Verkehrswert erfolgt. Insofern erfolgt die Übertragung nur teilweise steuerneutral nach Art. 19 bzw. 61 DBG, soweit stille Reserven übertragen werden, d.h. die entsprechenden Aktiven nicht aufgewertet werden.</p>
<p>Werden die Aktiven aber zu einem höheren Wert als dem Buchwert übertragen, liegt im Umfang der Differenz zum Buchwert ein buchmässiger Realisationstatbestand vor und der Betrag der erfolgten Aufwertung unterliegt der Einkommens- bzw. Ge­­winnsteuer.<a title="" href="#_ftn23" name="_ftnref23"><sup>23</sup></a> Das Meldeverfahren bleibt dennoch anwendbar, sofern keine vollständige buchmässige Realisation, d.h. keine Aufwertung auf den Verkehrswert, erfolgt.</p>
<p>Vereinfachend soll ein obligatorischer Anwendungsfall des Meldeverfahrens dann angenommen werden können, wenn ein von den Steuerbehörden bewilligtes Ruling vorliegt, welches eine Umstrukturierung nach Art. 19 oder 61 DBG bestätigt, und beide Parteien mehrwertsteuerpflichtig sind. Die Prüfung der Steuerbetragsgrenze von CHF 10'000<a title="" href="#_ftn24" name="_ftnref24"><sup>24</sup></a> ist bei diesen Umstrukturierungssachverhalten in der Regel nicht erforderlich, da es sich um Transaktionen unter eng verbundenen Personen (Art. 3 lit. h MWSTG) handelt.</p>
<h5>4.2.1.3 Beurteilung</h5>
<p>Diese Praxisänderung stützt den Sinn und Zweck des Meldeverfahrens. Dieser besteht darin, möglichst einheitlich für alle Betriebsübertragungen Liquiditätserleichterungen zu schaffen und das Steuerausfallrisiko zu vermindern. Für Übertragungen zu Verkehrswert ist hingegen die Anwendbarkeit von Art. 38 Abs. 1 lit. b MWSTG zu prüfen.</p>
<h4>4.2.2 Übertragungen eines Gesamt- oder Teilvermögens (Art. 38 Abs. 1 lit. b MWSTG)</h4>
<p>Art. 38 Abs. 1 lit. b MWSTG sieht ergänzend zu lit. a bei anderen Übertragungen eines Gesamt- oder Teilvermögens auf eine andere steuerpflichtige Person im Rahmen einer Gründung, einer Liquidation, einer Umstrukturierung, einer Geschäftsveräusserung oder eines im Fusionsgesetz vom 3. Oktober 2003 geregelten Rechtsgeschäfts die zwingende Anwendung des Meldeverfahrens vor.</p>
<h5>4.2.2.1 Praxispräzisierung zum Betriebsbegriff</h5>
<p>Die Übertragung eines Gesamt- oder Teilvermögens (Vermögensübertragungs­tatbestand; Art. 38 Abs. 1 lit. b MWSTG) wird als einheitlicher Vorgang behandelt.<a title="" href="#_ftn25" name="_ftnref25"><sup>25</sup></a><sup> </sup>Ob ein Gesamt- oder Teilvermögen vorliegt, bestimmt sich aus der Sicht des Veräusserers und mit Blick auf die zu veräussernden Vermögenswerte. Wird beispielsweise bei der Liquidation eines Unternehmens dessen gesamtes Vermögen an verschiedene Personen verkauft, so ist für jede einzelne Veräusserung zu prüfen, ob ein Teilvermögen veräussert wird.<a title="" href="#_ftn26" name="_ftnref26"><sup>26</sup></a></p>
<p>Ein Gesamtvermögen umfasst alle Aktiven eines Unternehmens einer steuerpflichtigen Person. Ob diese Aktiven für die Erbringung von steuerbaren Leistungen verwendet werden, ist für die Qualifikation eines Gesamtvermögens nicht relevant.</p>
<p>Eine Betriebs- oder Teilbetriebsübertragung im Sinne von Art. 38 Abs. 1 lit. b MWSTG i.V.m. Art. 101 MWSTV liegt vor<em>,</em> wenn die Betriebsdefinition der direkten Bundessteuer erfüllt ist. Die MI 11 Ziff. 3.3. verweist im Sinne einer Praxispräzisierung für die Betriebsdefinition neu explizit auf das Kreisschreiben Nr. 5a der ESTV vom 1. Februar 2022.</p>
<p>Als Teilvermögen nach <a href="https://www.admin.ch/opc/de/classified-compilation/20081110/index.html#a38" target="_blank" rel="noopener">Art. 38 Abs. 1 lit. b MWSTG</a> gilt – entsprechend der Definition des Teilbetriebs bei der direkten Bundessteuer<a title="" href="#_ftn27" name="_ftnref27"><sup>27</sup></a> – jede kleinste für sich lebensfähige Einheit eines Unternehmens (<a href="https://www.admin.ch/opc/de/classified-compilation/20091866/index.html#a101" target="_blank" rel="noopener">Art. 101 MWSTV</a>). Die Kriterien für das Vorliegen eines Teilvermögens sind unverändert folgende:<a title="" href="#_ftn28" name="_ftnref28"><sup>28</sup></a></p>
<ul>
<li>Die Einheit eines Unternehmens erbringt Leistungen auf dem Markt oder an eng verbundene Unternehmen;</li>
<li>die Einheit eines Unternehmens verfügt über Personal; und</li>
<li>der Personalaufwand steht in einem sachgerechten Verhältnis zum Ertrag.</li>
</ul>
<p>Für die Beantwortung der Frage, ob bei Grundstücksübertragungen eine Übertragung eines Gesamt- oder eines Teilvermögens vorliegt, sind verschiedene Konstellationen zu unterscheiden. Zunächst kann das Grundstück als Betriebs­liegenschaft und damit als Teil eines Betriebs oder Teilbetriebs übertragen werden. Diesfalls ist klarerweise von einer Vermögensübertragung i.S.v. Art. 38 Abs. 1 lit. b MWSTG auszugehen. Wird eine Kapitalanlageliegenschaft im Rahmen einer Betriebsübertragung mitgegeben, liegt ebenfalls eine solche Vermögens­übertragung vor.<a title="" href="#_ftn29" name="_ftnref29"><sup>29</sup></a></p>
<p>Erfolgt dagegen eine blosse Übertragung eines Grundstücks (bzw. mehrerer Grundstücke oder Grundstückteile), liegt im Regelfall keine Vermögensübertragung vor.<a title="" href="#_ftn30" name="_ftnref30"><sup>30</sup></a> Nur falls dieses Grundstück selbst einen Betrieb oder Teilbetrieb (Immobilienbetrieb) darstellt, ist von einer Vermögens­übertragung i.S.v. Art. 38 Abs. 1 lit. b MWSTG auszugehen, die das obligatorische Meldeverfahren auslöst.<a title="" href="#_ftn31" name="_ftnref31"><sup>31</sup></a><sup> </sup></p>
<p>Nach Praxis der ESTV<a title="" href="#_ftn32" name="_ftnref32"><sup>32</sup></a> für die direkten Steuern stellt das Halten und Verwalten von Immobilien einen Betrieb oder Teilbetrieb («Immobilienbetrieb») dar, wenn</p>
<ul>
<li>ein Marktauftritt erfolgt oder Betriebsliegenschaften an Konzern­gesellschaften vermietet werden,</li>
<li>die Unternehmung mindestens eine Person für die Verwaltung der Immobilien (eine Vollzeitstelle für rein administrative Arbeiten) beschäftigt oder beauftragt; und</li>
<li>die Mieterträge mindestens das 20-fache des marktüblichen Personal­aufwands für die Immobilienverwaltung betragen.<a title="" href="#_ftn33" name="_ftnref33"><sup>33</sup></a></li>
</ul>
<h5>4.2.2.2 Beurteilung der Praxispräzisierung zum Betriebsbegriff</h5>
<p>Der Umstrukturierungsbegriff in Art. 38 Abs. 1 lit. b MWSTG sollte bereits aus steuersystematischen Gründen andere Umstrukturierungstatbestände umfassen als jener nach lit. a.<a title="" href="#_ftn34" name="_ftnref34"><sup>34</sup></a> Das Betriebserfordernis findet hingegen auch auf eine Vielzahl von Umstrukturierungen nach Art. 19 bzw. 61 DBG Anwendung, so z.B. bei</p>
<ul>
<li>Spaltungen (Art. 61 Abs. 1 lit. b DBG),</li>
<li>Umwandlungen von Personenunternehmen in juristische Personen (Art. 19 Abs. 1 lit. b DBG),</li>
<li>Ausgliederungen auf eine Tochtergesellschaft (Art. 61 Abs. 1 lit. d DBG) und</li>
<li>Konzernübertragungen (Art. 61 Abs. 3 DBG).</li>
</ul>
<p>Mit der Anlehnung der Definition eines Gesamt- oder Teilvermögens an den Betriebsbegriff in KS 5a wird nunmehr ein Kriterium für Umstrukturierungstatbestände nach Art. 38 Abs. 1 b MWSTG herangezogen, das auch bei einem Grossteil der Umstrukturierungen nach lit. a inhärent ist. Der Anwendungsbereich von lit. b wird dadurch eingeengt.<a title="" href="#_ftn35" name="_ftnref35"><sup>35</sup></a></p>
<p>In Abgrenzung zu Art. 38 Abs. 1 lit. a MWSTG, der lediglich die vollumfänglich oder zumindest teilweise steuerneutralen Umstrukturierungstatbestände nach Art. 19 und Art. 61 DBG umfasst, fallen unter lit. b diejenigen Sachverhalte, die mit einer vollständigen buchmässigen oder steuersystematischen Realisation von stillen Reserven einhergehen. Dazu gehören z.B. die Liquidation oder die Geschäftsveräusserung. Die Abgrenzung nach dem Kriterium der Steuerneutralität scheint damit eine wesentliche Unterscheidung zu lit. a zu sein.</p>
<p>Welche konkreten Anforderungen die ESTV, Hauptabteilung MWST, an den Nachweis eines Betriebs stellt, ergibt sich nicht aus der Praxispräzisierung. Auch die Definition des Immobilienbetriebs in KS 5a bleibt interpretationsbedürftig. Die Definition unterliegt zudem einer nuancenreichen Auslegungspraxis der Kantone betreffend die Kriterien Marktauftritt, Personalaufwand, Mietertrag und Wert des Immobilienportfolios.<a title="" href="#_ftn36" name="_ftnref36"><sup>36</sup></a> Somit wird das Ziel der Vereinfachung und der Rechtssicherheit für üblicherweise nicht auf kantonaler Ebene gerulte Reorganisationen, wie z.B. einer Liquidation oder Geschäftsveräusserung oder Vermögensübertragung zu Verkehrswert, mit der Praxisänderung nicht erreicht.</p>
<p>Umstrukturierungen, bei denen die Steuerneutralität nach Art. 19 und Art. 61 DBG an der Erfüllung des Betriebskriteriums nach KS 5a scheitert, werden weder durch Art. 38 Abs. 1 lit. a noch durch lit. b MWSTG aufgefangen, da gemäss Praxis der ESTV dieselben Betriebskriterien zu erfüllen sind. Ziel des Betriebserfordernisses – wie auch der 5-jährigen Veräusserungssperrfrist – in der direktsteuerlichen Praxis ist es Missbräuche zu vermeiden.<a title="" href="#_ftn37" name="_ftnref37"><sup>37</sup></a> Als Voraussetzung für die Steuerneutralität soll daher eine qualifizierte Form von Vermögen<a title="" href="#_ftn38" name="_ftnref38"><sup>38</sup></a> übertragen werden. Damit soll für die Steuerneutralität aus Sicht der direkten Steuern eine Fortführung des betrieblichen Engagements sichergestellt werden.</p>
<p>Die Missbrauchsvermeidung i.S. einer Vermeidung von unberechtigten Steuerersparnissen ist aber nicht Sinn und Zweck des mehrwertsteuerlichen Meldeverfahrens. Es steht vielmehr die Liquiditätsschonung der Beteiligten und die Steuersicherung im Vordergrund (vgl. Abschnitt 2). Vor dem Hintergrund dieser Zielsetzung könnte man anstelle des Betriebserfordernisses auch vereinfachend Wertgrenzen für die zu übertragenden Aktiven bzw. Vermögenskomplexe als Voraussetzung für das obligatorische Meldeverfahren einführen. Aufgrund der unterschiedlichen kantonalen Auslegungspraxen können sich zudem kantonale Qualifikationsunterschiede ergeben, die grundsätzlich nicht in Einklang mit einer einheitlichen Anwendung der Mehrwertsteuer auf dem Gebiet der gesamten Schweiz stehen.<a title="" href="#_ftn39" name="_ftnref39"><sup>39</sup></a></p>
<p>Gemäss der Verwaltungspraxis wird schlussendlich für diejenigen Immobilientransaktionen, für die das Betriebserfordernis in einem direktsteuerlichen Ruling nicht nachgewiesen werden kann, auch das Meldeverfahren keine obligatorische Anwendung finden.</p>
<blockquote>
<p><strong>Beispiel 2<br /></strong>Die Versicherungs-AG aus Beispiel 1 möchte neu lediglich ihr Immobilienportfolio auf die Schwestergesellschaft abspalten. Sofern das Immobilienportfolio einen eigenständigen Betrieb i.S. des KS 5a bildet, ist die Abspaltung steuerneutral nach Art. 61 DBG und das mehrwertsteuerliche Meldeverfahren findet nach Art. 38 Abs. 1 lit. a MWSTG zwingend Anwendung. Liegt hingegen kein Immobilienbetrieb vor, wird aus direktsteuerlicher Sicht die Steuerneutralität der Umstrukturierung versagt und das Meldeverfahren ist weder nach Art. 38 Abs. 1 lit. a noch nach lit b MWSTG obligatorisch anwendbar. Für einen Immobilienbetrieb werden bei Annahme einer Vollzeitstelle mit ca. TCHF 80-100 Lohnkosten oder entsprechenden Dritt-Verwaltungskosten mindestens Mieteinnahmen von CHF 1.6-2 Mio. vorausgesetzt.<a title="" href="#_ftn40" name="_ftnref40"><sup>40</sup></a></p>
</blockquote>
<p>Folglich müssen für diejenigen Fälle, in denen kein Immobilienbetrieb vorliegt, die verfügbaren Alternativen (MWST-ausgenommene Übertragung, Übertragung mit Option oder freiwilliges Meldeverfahren) rechtzeitig evaluiert werden. Die Herausforderung besteht darin, solche Situation zu erkennen und die gewünschte MWST-Abwicklung formell korrekt umzusetzen.</p>
<h3>4.3 Steuerbetragsgrenze von CHF 10’000 bei Übertragungen zwischen Dritten<a title="" href="#_ftn41" name="_ftnref41"><sup>41</sup></a></h3>
<p>Die Bemessungsgrundlage für die Ermittlung der Steuerbetragsgrenze wird mit der Praxisänderung vom 11. Februar 2025 neu definiert. Neu sind nicht mehr nur diejenigen Aktiven relevant, die zur Erbringung von steuerbaren Leistungen verwendet werden, sondern alle zu übertragenden Aktiven (inklusive der nicht bilanzierten Aktiven). Aktiven, deren Übertragung (mangels Leistung) nicht steuerbar oder von der MWST ausgenommen ist, können nur mit entsprechendem Nachweis aus der Bemessungsgrundlage ausgeschieden werden.</p>
<p>Erfolgt die Transaktion nicht an eine eng verbundene Person (Art. 3 lit. h MWSTG), ist zu prüfen, ob die auf dem Veräusserungspreis zum gesetzlichen Satz geschuldete Steuer CHF 10'000 übersteigt. Der Veräusserungspreis ist der vereinbarte Kaufpreis.</p>
<p>Erfolgt die Transaktion im Rahmen einer direktsteuerlichen Umstrukturierung (Art. 19 oder 61 DBG) ausnahmsweise nicht unter eng verbunden Personen, sind zur Bestimmung des Veräusserungspreises sämtliche bilanzierten und nicht bilanzierten Aktiven zum Verkehrswert heranzuziehen. Die stillen Reserven sind den Aktiven zuzuordnen.</p>
<blockquote>
<p><strong>Beispiel 3<br /></strong>Die Versicherungs-AG aus Beispiel 1 überträgt sämtliche Aktiven und Passiven auf die übernehmende B-AG, die von einem unabhängigen Dritten gehalten wird (vgl. KS 5a, Ziff. 4.1.3). Die Voraussetzungen des Umstrukturierungstatbestands i.S. von Art. 38 Abs. 1 lit. a MWSTG und der Steuerpflicht der Beteiligten ist gegeben. Die Steuerbarkeit der Übertragung der Aktiven ist seit der Praxisänderung nicht mehr relevant.</p>
<p>Damit das Meldeverfahren Anwendung findet, muss bei dieser Übertragung zwischen Dritten die Steuerbetragsgrenze überschritten werden. Neu sind alle Aktiven (ohne flüssige Mittel und Forderungen) zum Verkehrswert einzubeziehen. Die Steuerbetragsgrenze von CHF 10'000 ist bei einem Steuersatz von 8.1% bereits bei einem Verkehrswert der Aktiven von CHF 123'456.79 erreicht.</p>
<p>Grundsätzlich kann aber gemäss MI 11, Ziff. 3.4, im vorliegenden Fall die Anwendung des obligatorischen Meldeverfahrens und damit die Aushändigung von Dokumenten zu Verwendungsgrad und Vorsteuerbeträgen auf Investitionen zwischen Dritten vermieden werden, sofern nachgewiesen wird, dass nur Aktiven, deren Übertragung (mangels Leistung) nicht steuerbar oder MWST-ausgenommen ist, übertragen werden. Dies dürfte vorliegend gelingen (vgl. Beispiel 1 zu den Aktiven), womit auch die Möglichkeit einer Übertragung mit Option offenstehen würde.</p>
</blockquote>
<p>Es sind somit unter Umständen komplexe Überlegungen anzustellen, welches Vorgehen steuerlich sinnvoll ist. Zudem können die Aktiven, die der Ermittlung der Steuerbetragsgrenze von CHF 10'000 zugrunde liegen, von den Aktiven abweichen, deren Veräusserungspreis im Meldeverfahren zu deklarieren ist.<a title="" href="#_ftn42" name="_ftnref42"><sup>42</sup></a> Die Praxis steht zwar in Einklang mit der Tatsache, dass es neu nicht mehr auf die Steuerbarkeit der Übertragung ankommt. Die Handhabung gestaltet sich aber im Einzelfall komplex und wird durch die Praxisänderung nicht vereinfacht.</p>
<h3>4.4 Praxisänderungen beim freiwilligen Meldeverfahren</h3>
<h4>4.4.1 Rechtslage vor Praxisänderung</h4>
<p>Eine Übertragung von Grundstücken kann gemäss Art. 38 Abs. 2 MWSTG i.V.m. Art. 104 MWSTV stets freiwillig im Meldeverfahren abgewickelt werden, sofern dieses nicht obligatorisch anzuwenden ist. Neben der Einreichung des Formulars 764 für das Meldeverfahren forderte die ESTV bis zur Publikation der Praxisänderungen in der MI 11 im Februar 2025, dass im Vertrag auf die Anwendung des Meldeverfahren hingewiesen wird. Sie stützte sich hierbei auf Art. 103 MWSTV, der bei Anwendung des Meldeverfahrens zwingend einen Hinweis im Vertrag bzw. auf der Rechnung fordert.</p>
<p>In der Praxis wurde die Anwendung des freiwilligen Meldeverfahrens demnach abgelehnt, sofern dieser Hinweis im Vertrag fehlte. Die Folge war eine nach Art. 21 Abs. 2 Ziff. 20 MWSTG von der MWST ausgenommene Übertragung des betreffenden Grundstücks mit allenfalls hohen Eigenverbrauchssteuerfolgen, falls die ausgenommene Übertragung zu einer Nutzungsänderung nach Art. 31 Abs. 1 MWSTG führte. Eine Übertragung mit Option nach Art. 22 MWSTG konnte nachträglich nur umständlich umgesetzt werden: Entweder wurde der vereinbarte Kaufpreis als Preis inkl. MWST und damit eine Minderung des Veräusserungsgewinns akzeptiert und die entsprechende Deklaration in der Abrechnung erfolgte spätestens innerhalb der Finalisierungsfrist,<a title="" href="#_ftn43" name="_ftnref43"><sup>43</sup></a> oder es fand mit der Einwilligung der übernehmenden Partei eine Neubeurkundung mit einem um die MWST erhöhten Kaufpreis statt.</p>
<h4>4.4.2 Inhalt der Praxisänderung</h4>
<p>Die in MI 11, Ziff. 5.2.1 und 7.1, publizierten Praxisänderungen beinhalten formelle Erleichterungen. So wird nunmehr in Ziff. 5.2.1 lediglich noch eine Empfehlung ausgesprochen, die Anwendung des Meldeverfahrens im notariell beurkundeten Kaufvertrag zu regeln. Denn Ziff. 7.1 erachtet neu die Anwendung des Meldeverfahrens trotz fehlendem Hinweis in der Rechnung bzw. im Vertrag für zulässig, sofern:</p>
<ul>
<li>Kein Ausweis der Steuer in der Rechnung erfolgte (Art. 27 Abs. 1 MWSTG);</li>
<li>die Abrechnung innert 60 Tagen nach Ablauf der Abrechnungsperiode, in der die Transaktion abgewickelt wurde,<a title="" href="#_ftn44" name="_ftnref44"><sup>44</sup></a> mit Deklaration des Veräusserungspreiseses in Ziff. 200 und 225 der Abrechnung eingereicht wird (Art. 71 MWSTG); und</li>
<li>das Formular 764 rechtsgültig von beiden Parteien unterschrieben und gleichzeitig mit der vorgenannten Abrechnung eingereicht wird.</li>
</ul>
<p>Da Fristerstreckungen für die Abrechnung möglich sind, ist eine Anwendung des Meldeverfahrens nachträglich bis zum erstmaligen Einreichen der betreffenden Abrechnung für die gewählte Abrechnungsperiode möglich.</p>
<p>Enthält der Vertrag den Hinweis auf das Meldeverfahren nach Art. 103 MWSTV, kann eine allenfalls versäumte Deklaration in Ziff. 200 und 225 sowie die Einreichung des Formulars 764 entweder innerhalb der Finalisierungsfrist durch eine Berichtigungsabrechnung (Art. 72 MWSTG) oder danach innerhalb der Festsetzungsverjährungsfrist (Art. 43 MWSTG) durch eine Korrekturabrechnung nachgeholt werden. Gleiches gilt beim obligatorisch anzuwendendem Meldeverfahren.</p>
<h4>4.4.3 Beurteilung der Praxisänderung</h4>
<p>Die formellen Erleichterungen ermöglichen zumindest in einem engen zeitlichen Rahmen, nämlich innerhalb der Abrechnungsfrist für die Abrechnungsperiode, in der die Grundbuchanmeldung (Tagebucheintrag) erfolgt, die Korrektur eines fehlenden Hinweises im Vertrag durch entsprechende Deklaration des Meldeverfahren. Insofern kann bei zeitnahem Erkennen des Fehlers die Anwendung des freiwilligen Meldeverfahrens nachträglich erreicht werden.</p>
<p>Wird diese relativ kurze Frist versäumt, bleibt es bei einer MWST-ausgenommenen Übertragung mit allfälligen Eigenverbrauchssteuerfolgen infolge Nutzungsänderung. Es sei denn, die Parteien einigten sich auf eine nachträgliche Option mit entsprechender Neubeurkundung des Vertrages infolge Erhöhung des Kaufpreises um die MWST.</p>
<h2>5. Fazit</h2>
<p>Sofern kein Standardfall einer Umstrukturierung nach Art. 19 oder 61 DBG mit entsprechendem direktsteuerlichen Ruling zwischen eng verbundenen Mehrwertsteuerpflichtigen vorliegt, wird es zunehmend komplexer, den obligatorischen Anwendungsbereich des Meldeverfahrens in der Praxis zweifelsfrei festzulegen. Selbst im vorgenannten Standardfall stellen sich Fragen:</p>
<ul>
<li>Welche Aktiven sind unter dem Veräusserungspreis im Meldeverfahren zu deklarieren?</li>
<li>Können und sollen Kapitalanlageliegenschaften als nicht betriebsnotwendige Aktiven aus dem Meldeverfahren ausgeschlossen werden?</li>
</ul>
<p>Die Aufweichung des Kriteriums der Steuerbarkeit der Übertragung erweitert den Anwendungsbereich des obligatorischen Meldeverfahrens insbesondere für Grundstücke. Die vorgenannten Fragen stellen sich dennoch.</p>
<p>Der Praxispräzisierung zum Gesamt- und Teilvermögen nach Art. 38 Abs. 1 lit. b MWSTG mit der Anlehnung an den Betriebsbegriff im ESTV KS 5a Umstrukturierung mag zwar das Ziel einer Vereinfachung im Sinne einer einheitlichen Anwendung des Betriebsbegriffs zugrunde liegen. Sie stellt jedoch die Parteien vor die Herausforderung, auch bei Verkehrswerttransaktionen, denen kein direktsteuerliches Ruling zur Sicherung der Steuerneutralität nach Art. 19 oder 61 DBG zugrunde liegt, das Betriebserfordernis nach eben diesen Kriterien zu prüfen. Diese Herausforderung ist nicht zu unterschätzen, da die Kriterien interpretationsbedürftig sind und teils kantonal unterschiedlich ausgelegt werden. Das Ziel der Vereinfachung wird damit im Einzelfall nicht erreicht.</p>
<p>Einen Hoffnungsschimmer verbreitet die Praxisänderung bei den formellen Anforderungen an das freiwillige Meldeverfahren. Falls der Hinweis auf das Meldeverfahren im Vertrag fehlen sollte, bleibt neu immerhin in dem engen zeitlichen Rahmen der Abrechnungsfrist eine Korrekturmöglichkeit mit quasi nachträglicher Anwendung des Meldeverfahrens durch Deklaration.</p>
<p>Kurz zusammengefasst bleibt bereits die Identifikation der anwendbaren mehrwertsteuerlichen Abwicklungsalternativen bei einer Immobilientransaktion eine Herausforderung, geschweige denn die Beurteilung ihrer mehrwertsteuerlichen Konsequenzen, die in den vorstehenden Ausführungen nur am Rande beleuchtet werden konnten.</p></article>
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