<article class="rz"><h2>1. Einleitung</h2>
<p>Die Schweiz hat schrittweise die globale Mindeststeuer eingeführt, die am 1. Januar 2024 (schweizerische Ergänzungssteuer) bzw. 1. Januar 2025 (internationale Ergänzungssteuer nach der Income Inclusion Rule, IIR) in Kraft getreten ist. Dies betrifft nicht nur börsenkotierte Konzerne, sondern auch private, nicht kotierte Unternehmensgruppen, abhängig von ihrer rechtlichen Struktur und Grösse. Bei solchen privat gehaltenen Gruppen ist es aus verschiedenen Gründen nicht unüblich, dass an der Spitze der Konzernstruktur Personengesellschaften und andere personenbezogene Rechtsgebilde wie Trusts, Stiftungen oder über Aktionärsbindungsverträge verbundene Privatpersonen anzutreffen sind.</p>
<p>Dieser Aufsatz analysiert, wie solche Rechtsgebilde für Zwecke der schweizerischen und internationalen Ergänzungssteuern behandelt werden und welche Folgefragen sich daraus ergeben können. Die Ausführungen bauen auf dem Referat «Pillar II-Unterstellung von personenbezogenen Unternehmen» anlässlich des St. Galler Seminars zur Besteuerung von personenbezogenen Unternehmen vom 17./18. Juni 2025<a title="" href="#_ftn1" name="_ftnref1"><sup>01</sup></a> auf. Der vorliegende Aufsatz geht explizit nicht auf Rechtsstrukturen kollektiver Kapitalanlagen ein, die teilweise analog zu Personengesellschaften und Trusts im Schweizer Steuerrecht transparent behandelt werden.</p>
<h2>2. Grundsätze</h2>
<h3>2.1 Rechtsgrundlagen</h3>
<p>Die gesetzliche Grundlage der schweizerischen und internationalen Ergänzungssteuer gemäss IIR befindet sich in der <a href="https://www.fedlex.admin.ch/eli/cc/2023/841/de">Verordnung über die Mindestbesteuerung grosser Unternehmensgruppen vom 22. Dezember 2023 (MindStV, SR 642.161)</a>. Gemäss <a href="https://www.fedlex.admin.ch/eli/cc/2023/841/de#art_2">Art. 2 Abs. 1 MindStV</a> wird die schweizerische Ergänzungssteuer «sinngemäss» und die internationale Ergänzungssteuer «direkt» gemäss den <a href="https://www.oecd.org/en/publications/tax-challenges-arising-from-digitalisation-of-the-economy-global-anti-base-erosion-model-rules-pillar-two_782bac33-en.html">OECD-Mustervorschriften vom 14. Dezember 2021 (MR)</a> erhoben. Nachfolgend wird daher auf die relevanten Stellen im OECD-Regelwerk verwiesen. Für wichtige Begriffen wird in den Klammern jeweils auch der englische Fachbegriff angegeben, da die englische Originalversion der OECD-Mustervorschriften für die Ergänzungssteuern in der Schweiz verbindlich ist.<a title="" href="#_ftn2" name="_ftnref2"><sup>02</sup></a> Wie nachfolgend diskutiert, sind die deutschen Fachbegriffe (gemäss der offiziellen, deutschen Übersetzung der OECD-Mustervorschriften) mitunter ungenau aus dem Englischen übersetzt worden.</p>
<h3>2.2 Begriffe</h3>
<p>Gemäss Art. 1.1.1 MR unterliegen den Ergänzungssteuern Geschäftseinheiten (Constituent Entity), die einer multinationalen Unternehmensgruppe (MNE Group) angehören. Die multinationale Unternehmensgruppe muss in mind. zwei der vier Geschäftsjahren, die dem untersuchten Geschäftsjahr unmittelbar vorangegangen sind, einen jährlichen Umsatzerlös<a title="" href="#_ftn3" name="_ftnref3"><sup>03</sup></a> von mindestens EUR 750 Mio. erzielt haben.</p>
<p>Eine Geschäftseinheit ist gemäss Art. 1.3.1 MR definiert als eine Einheit (Entity), die einer Unternehmensgruppe (Group) angehört, sei es durch eine Kontrollbeteiligung durch eine andere Einheit (passive Beherrschung) oder als oberste Muttergesellschaft der Unternehmensgruppe (aktive Beherrschung). Der Begriff «Einheit» ist in Art. 10.1.1 MR definiert als:</p>
<ul>
<li>Rechtsperson (Legal Person) mit Ausnahme von natürlichen Personen oder</li>
<li>Rechtsgebilde (Arrangement), das einen eigenen Abschluss erstellt, wie bspw. eine Personengesellschaft (Partnership) oder ein Trust.</li>
</ul>
<p>Abgesehen von dem Hinweis, dass der Bereich der öffentlichen Hand, der hoheitliche Aufgaben erfüllt, nicht als Einheit klassifizieren soll, macht die OECD im <a href="https://www.oecd-ilibrary.org/taxation/tax-challenges-arising-from-digitalisation-of-the-economy-global-anti-base-erosion-model-rules-pillar-two_782bac33-en">Kommentar zu den Mustervorschriften</a> keine weiteren Ausführungen hierzu. Die Definition ist losgelöst von der Frage, ob und wie solche Gebilde gemäss unilateralem Einkommens- bzw. Gewinnsteuerrecht behandelt/qualifiziert werden.<a title="" href="#_ftn4" name="_ftnref4"><sup>04</sup></a></p>
<p>In der Literatur wird die Ansicht vertreten, dass der Terminus «Rechtsperson» (Legal Person) zu verstehen sei als eine Person, die über eine eigene Rechtspersönlichkeit verfügt (mit Ausnahme von natürlichen Personen).<a title="" href="#_ftn5" name="_ftnref5"><sup>05</sup></a> Nach Schweizer Leseart fallen darunter juristische Personen, d.h.</p>
<ul>
<li>Körperschaften (Aktiengesellschaft<a title="" href="#_ftn6" name="_ftnref6"><sup>06</sup></a>, Gesellschaft mit beschränkter Haftung<a title="" href="#_ftn7" name="_ftnref7"><sup>07</sup></a>, Genossenschaft<a title="" href="#_ftn8" name="_ftnref8"><sup>08</sup></a>, Verein<a title="" href="#_ftn9" name="_ftnref9"><sup>09</sup></a>, Kommandit-Aktiengesellschaft<a title="" href="#_ftn10" name="_ftnref10"><sup>10</sup></a>, SICAV<a title="" href="#_ftn11" name="_ftnref11"><sup>11</sup></a>, öffentlich-rechtliche Körperschaft<a title="" href="#_ftn12" name="_ftnref12"><sup>12</sup></a>) und</li>
<li>Anstalten (Stiftung<a title="" href="#_ftn13" name="_ftnref13"><sup>13</sup></a>, öffentlich-rechtliche Anstalt).</li>
</ul>
<p>Mit «Rechtsgebilde» (Arrangement) sind im Umkehrschluss alle übrigen rechtlichen Konstrukte zu verstehen, die über keine eigene Rechtspersönlichkeit verfügen.<a title="" href="#_ftn14" name="_ftnref14"><sup>14</sup></a> Bedingung ist allerdings, dass diese Konstrukte einen Abschluss erstellen. Das OECD-Regelwerk wie auch die Literatur äussern sich nicht dazu, was die formellen und materiellen Anforderungen an einen solchen Abschluss sind. Gemäss hier vertretener Ansicht ist aufgrund der Universalität des OECD-Regelwerks (globale Anwendung über alle Rechtssysteme hinweg) der Begriff sehr breit auszulegen, so dass bereits eine einfache «Milchbüchleinrechnung» als Abschluss genügt. Ungeklärt ist ebenfalls, ob die freiwillige Erstellung eines solchen Abschlusses (losgelöst von einer rechtlichen Verpflichtung) bereits genügt, dass das Rechtsgebilde zu einer Einheit wird. Oder ob sich ein Rechtsgebilde der Qualifikation entziehen kann, wenn es entgegen einer privatrechtlichen Verpflichtung zur Erstellung eines Abschlusses keinen solchen erstellt. Letzteres ist in Anlehnung an das Konzept der «Deemed Consolidation»<a title="" href="#_ftn15" name="_ftnref15"><sup>15</sup></a> wohl abzulehnen. Als Beispiele für solche Rechtsgebilde werden illustrativ Personengesellschaften oder Trusts genannt. Es ist unklar, ob eine solche Personengesellschaft, die keinen Abschluss erstellt und auch nicht dazu verpflichtet ist, als Rechtsgebilde qualifiziert. Bei einer wörtlichen Auslegung ist Art. 10.1.1 MR so zu interpretieren, dass die OECD-Mustervorschriften von der Fiktion ausgehen, dass Personengesellschaften und Trusts einen Abschluss erstellen. Folglich wäre es unerheblich, ob sie de facto einen Abschluss erstellen.</p>
<p>Aus der Perspektive des Schweizer Privatrechts qualifizieren als Rechtsgebilde ohne Rechtspersönlichkeit die einfache Gesellschaft<a title="" href="#_ftn16" name="_ftnref16"><sup>16</sup></a>, Kollektivgesellschaft<a title="" href="#_ftn17" name="_ftnref17"><sup>17</sup></a>, Kommanditgesellschaft<a title="" href="#_ftn18" name="_ftnref18"><sup>18</sup></a> und Kommanditgesellschaft für kollektive Kapitalanlagen<a title="" href="#_ftn19" name="_ftnref19"><sup>19</sup></a>. Aufgrund der expliziten Aufzählung in Art. 10.1.1 MR gelten auch Trusts als Einheiten. Das Schweizer Privatrecht kennt den Trust nicht, anerkennt aber ausländische Trusts über das <a href="https://www.fedlex.admin.ch/eli/cc/2007/375/de?version=20240923&print=true">Übereinkommen über das auf Trusts anzuwendende Recht und über ihre Anerkennung (kurz: «Haager Übereinkommen», SR 0.221.371)</a> an.</p>
<p>Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass die Begriffe Einheit bzw. Geschäftseinheit rechtsformübergreifend zu verstehen und nicht bloss auf für Konzerne typische Kapitalgesellschaften (AG, GmbH) beschränkt sind.</p>
<h2>3. Personengesellschaften</h2>
<h3>3.1 Übersicht</h3>
<p>Personengesellschaften als oberstes Rechtsgebilde einer multinationalen Unternehmensgruppe sind in der Schweiz eher selten (mit Ausnahme der Aktionärsbindungsverträge, die als einfache Gesellschaften qualifizieren; vgl. nachstehend Ziffer 4). Gerade in Deutschland und Österreich sind indes solche Strukturen regelmässig anzutreffen. Zur Illustration des Regelwerks wird nachfolgend dennoch von einer Struktur ausgegangen, bei der mehrere Privatpersonen über eine Schweizer Kollektivgesellschaft eine multinationale Unternehmensgruppe halten.</p>
<div>
<blockquote>
<p>Fallbeispiel 1: Personengesellschaft<br />A (Kanton Bern / Anteil 49% / Steuerbelastung 35%), B (Monaco / Anteil 49% / Steuerbelastung 0%) und C (Kanton Schwyz / Anteil 2% / Steuerbelastung 12%) halten via die Schweizer Kollektivgesellschaft ABC sämtliche Anteile an einer multinationalen Unternehmensgruppe (konsolidierter Umsatz >EUR 750 Mio.) Der massgebende Gewinn (GloBE Income) vor Korrekturen der Kollektivgesellschaft ist 1'000.</p>
</blockquote>
</div>
<p>Personengesellschaften sind auch als Tochtergesellschaften in Konzernen anzutreffen. Im Rahmen dieses Aufsatzes wird aber primär auf Personengesellschaften eingegangen, die in der Beteiligungsstruktur des Konzerns an der Spitze sind.</p>
<h3>3.2 Gewinn- und Einkommenssteuern</h3>
<p>Im Recht der direkten Steuern der Schweiz werden Personengesellschaften gemäss <a href="https://www.fedlex.admin.ch/eli/cc/1991/1184_1184_1184/de#art_49">Art. 49 Bundesgesetz über die direkte Bundesssteuer (DBG, SR 642.11)</a> transparent behandelt. Sie sind keine eigenständigen Steuersubjekte und der Gewinn und das Kapital der Personengesellschaften werden anteilig den Gesellschaftern zur Besteuerung mit der Einkommens- und Vermögenssteuer (natürliche Personen als Gesellschafter, <a href="https://www.fedlex.admin.ch/eli/cc/1991/1184_1184_1184/de#art_10">Art. 10 Abs. 1 DBG</a>) bzw. Gewinn- und Kapitalsteuer (juristische Personen als Gesellschafter) zugewiesen.</p>
<p>Bei der Beurteilung, ob ausländische Rechtsgebilde als transparente Personengesellschaften oder als intransparente Kapitalgesellschaften zu behandeln sind, wird gemäss <a href="https://www.fedlex.admin.ch/eli/cc/1991/1184_1184_1184/de#art_49">Art. 49 Abs. 3 DBG</a> auf das Prinzip des innerstaatlichen (schweizerischen) Rechtsvergleichs abgestellt. Das ausländische Gebilde wird derjenigen Rechtsform des Schweizer Privatrechts gleichgestellt, der es «rechtlich oder tatsächlich am ähnlichsten» (Art. 49 Abs. 3 DBG) ist.</p>
<h3>3.3 Ergänzungssteuern</h3>
<h4>3.3.1 Allgemein</h4>
<p>Wie in den vorhergehenden Ausführungen aufgezeigt (Ziffer 2.2), qualifizieren Personengesellschaften als Einheiten. Sie werden in der Definition des Begriffs in Art. 10.1.1 MR explizit aufgezählt. Sie können durch eine andere Geschäftseinheit beherrscht werden (passive Beherrschung) oder als oberste Muttergesellschaften eine andere Geschäftseinheit beherrschen (aktive Beherrschung). Personengesellschaften werden dadurch zu Geschäftseinheiten gemäss Art. 1.3 MR und unterliegen als eigenständige Subjekte im Grundsatz den Ergänzungssteuern. Hat eine Personengesellschaft ausschliesslich natürliche Personen als Gesellschafter, ist sie automatisch die oberste Muttergesellschaft. Natürliche Personen selbst sind nie Einheiten («other than a natural person») und können folglich auch nie die oberste Muttergesellschaft eines Konzerns sein.</p>
<p>Im Gegensatz zu den Schweizer Gewinn- und Einkommenssteuern ist eine Personengesellschaft bei den Ergänzungssteuern folglich im Grundsatz eine (Geschäfts-)Einheit und damit ein eigenständiges Steuersubjekt.<a title="" href="#_ftn20" name="_ftnref20"><sup>20</sup></a></p>
<div>
<blockquote>
<p>Fallbeispiel 1: Personengesellschaft – Fortsetzung<br />Die ABC Kollektivgesellschaft mit Sitz in der Schweiz unterliegt gemäss <a>Art. 8 MindStV</a> der schweizerischen Ergänzungssteuer. A, B und C unterliegen als natürliche Personen nicht der Ergänzungssteuer. Da die ABC Kollektivgesellschaft die oberste Muttergesellschaft der multinationalen Unternehmensgruppe ist, unterliegt sie - vorbehaltlich zu niedrig besteuerter direkter und indirekter Tochtergesellschaften - gemäss <a href="https://www.fedlex.admin.ch/eli/cc/2023/841/de#art_10">Art. 10 MindStV</a> ferner der internationalen Ergänzungssteuer gemäss IIR.</p>
</blockquote>
</div>
<h4>3.3.2 Klassifizierung</h4>
<p>Als nächstes muss die Personengesellschaft klassifiziert werden. Art. 10.2 MR unterscheidet verschiedene Arten von Personengesellschaften, was einen Einfluss auf die Allokation des massgebenden Gewinns oder Verlusts (GloBE Income or Loss, vgl. nachstehend Ziffer 3.3.3) und die massgebenden Steuern (Covered Taxes, Ziffer 3.3.4) haben kann.<a title="" href="#_ftn21" name="_ftnref21"><sup>21</sup></a> Die Regelung in Art. 10.2 MR bezieht sich nicht bloss auf Personengesellschaften, sondern auf alle Formen von Rechtsgebilden, die im nationalen Steuerrecht steuerlich transparent behandelt werden (bspw. gewisse Formen von Trusts, vgl. nachstehend Ziffer 5). Zur Illustration der Vorschriften und verwendeten Begriffe in Art. 10.2 MR wird auf das Flussdiagramm (Abbildung 1) und die Tabelle (Abbildung 2) verwiesen.</p>
<p>Während das Schweizer Steuerrecht dem Prinzip des innerstaatlichen Rechtsvergleichs folgt (Prüfung, welcher Schweizer Rechtsform ein ausländisches Gebilde am ähnlichsten ist; vgl. vorstehend Ziffer 2.2), basiert Art. 10.2 MR auf dem Prinzip des dualen (bzw. trialen) Rechtsvergleichs. Die Kategorisierung der Personengesellschaft hängt von der unilateralen steuerlichen Qualifikation im Staat der Gesellschafter und der Gesellschaft ab.</p>
<h5>3.3.2.1 Schritt 1: Ansässigkeit (Dritt-)Staat</h5>
<p>Zunächst ist gemäss Art. 10.2.1 MR zu prüfen, ob die Personengesellschaft in einem (Dritt-)Staat steuerlich ansässig ist, d.h. unbeschränkt steuerpflichtig ist, und auch effektiv einer Besteuerung unterliegt. Falls ja, qualifiziert die Personengesellschaft als normale Geschäftseinheit. Dies kann beispielweise dann erfüllt sein, wenn die Personengesellschaft zwar in einem Land gegründet wurde, den Ort der tatsächlichen Geschäftsleitung jedoch in einem anderen Staat hat und dort intransparent als eigenständiges Steuersubjekt behandelt wird.<a title="" href="#_ftn22" name="_ftnref22"><sup>22</sup></a> Ein Anwendungsfall ist eine US-amerikanische LLC, die gemäss amerikanischem Steuerrecht transparent behandelt wird («disregarded»), in der Schweiz jedoch aufgrund des Orts der tatsächlichen Geschäftsleitung unbeschränkt steuerpflichtig ist und damit den Gewinn- und Kapitalsteuern von Bund, Kanton und Gemeinde unterliegt.</p>
<p>Sie muss ferner in diesem Staat auch einer massgebenden Steuer (Covered Tax) unterliegen. Eine blosse Mehrwertsteuerpflicht in einem anderen Staat genügt gemäss hier vertretener Ansicht nicht, da laut Art. 4.2 MR eine Mehrwertsteuer keine massgebende Steuer ist.</p>
<h5>3.3.2.2 Schritt 2: Transparenz Gründungsstaat Gesellschaft (Art. 10.2.1 MR)</h5>
<p>Falls im Schritt 1 die Gesellschaft nicht in einem (Dritt-)Staat steuerlich ansässig ist, muss sodann gemäss Art. 10.2.1 MR geprüft werden, ob die Personengesellschaft in ihrem Gründungsstaat aufgrund des innerstaatlichen Steuerrechts in Bezug auf ihre Gewinne und Verluste steuerlich transparent behandelt wird. Falls ja, qualifiziert die Personengesellschaft grundsätzlich als transparente Gesellschaft (Flow-through Entity).</p>
<p>Wie zu prüfen ist, ob eine Personengesellschaft transparent behandelt wird, ist in Art. 10.2.2 MR geregelt.<a title="" href="#_ftn23" name="_ftnref23"><sup>23</sup></a> Die Vorschrift ist deckungsgleich mit <a href="https://www.fedlex.admin.ch/eli/cc/1991/1184_1184_1184/de#art_10">Art. 10 Abs. 1 DBG</a>. Der Kommentar zu den OECD-Mustervorschriften weist indes darauf hin, dass in Konstellationen, in denen eine Personengesellschaft in einem Staat ohne Steuersystem gegründet wurde (typischerweise ein Offshore-Staat), nicht darauf geschlossen werden kann, dass sie in diesem Staat steuerlich transparent behandelt wird.<a title="" href="#_ftn24" name="_ftnref24"><sup>24</sup></a> Hierzu sind die Sondervorschriften in Art. 10.2.4 MR zu beachten. Wenn gewisse Kriterien erfüllt sind, ist die Personengesellschaft im Gründungsstaat fiktiv steuerlich transparent.<a title="" href="#_ftn25" name="_ftnref25"><sup>25</sup></a></p>
<p>Die deutsche Version der OECD-Mustervorschriften übersetzt den Begriff «Flow-through Entity» mit «transparente Gesellschaft». Da der englische Begriff «Entity» sonst durchwegs mit «Einheit» übersetzt wird, müsste die korrekte deutsche Übersetzung «transparente Einheit» (und nicht «Gesellschaft») lauten. Nachfolgend wird der in den deutschen OECD-Mustervorschriften verwendete Begriff benutzt.</p>
<h5>3.3.2.3 Schritt 3a: Transparenz Belegenheitsstaat Gesellschafter (Art. 10.2.1 MR)</h5>
<p>Falls im Schritt 2 die Gesellschaft im Gründungsstaat in Bezug auf ihre Gewinne und Verluste steuerlich transparent behandelt wird, ist sodann gemäss Art. 10.2.1 MR zu prüfen, ob die Personengesellschaft auch im Belegenheitsstaat ihrer Gesellschafter aufgrund des innerstaatlichen Rechts in Bezug auf die Gewinne und Verluste steuerlich transparent behandelt wird.</p>
<p>Falls ja, qualifiziert die Personalgesellschaft gemäss Art. 10.2.1(a) MR als volltransparente Gesellschaft (Tax Transparent Entity; korrektere deutsche Übersetzung: «volltransparente Einheit»). Falls nein, qualifiziert sie gemäss Art. 10.2.1(b) MR als umgekehrt hybride oder auch halbtransparente Gesellschaft (Reverse Hybrid Entity; korrekte deutsche Übersetzung: «umgekehrt hybride oder halbtransparente Einheit»).</p>
<p>Sind die Gesellschafter in verschiedenen Staaten belegen, muss die Prüfung pro Gesellschafter durchgeführt werden. Dies kann dazu führen, dass dieselbe Personengesellschaft einmal als volltransparent und einmal als halbtransparent qualifiziert.<a title="" href="#_ftn26" name="_ftnref26"><sup>26</sup></a></p>
<h5>3.3.2.4 Schritt 3b: Transparenz Belegenheitsstaat Gesellschafter (Art. 10.2.5 MR)</h5>
<p>Falls im Schritt 2 die Gesellschaft in ihrem Gründungsstaat ein eigenständiges Steuersubjekt und damit steuerlich intransparent behandelt wird, muss gemäss Art. 10.2.5 MR weiter geprüft werden, ob die Personengesellschaft im Belegenheitsstaat ihrer Gesellschafter in Bezug auf die Gewinne und Verluste steuerlich transparent behandelt wird. Falls nein, handelt es sich um eine normale Geschäftseinheit. Falls ja, qualifiziert sie als hybride Gesellschaft (Hybrid Entity; korrekte deutsche Übersetzung: «hybride Einheit»).</p>
<div>
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<p>Fallbeispiel 1: Personengesellschaft – Fortsetzung<br />Die ABC Kollektivgesellschaft mit Sitz in der Schweiz ist in keinem anderen Staat ansässig und unterliegt folglich auch keiner massgebenden Steuer. In der Schweiz wird sie gestützt auf <a href="https://www.fedlex.admin.ch/eli/cc/1991/1184_1184_1184/de#art_10">Art. 10 Abs. 1 DBG</a> steuerlich transparent behandelt. Die Gesellschafter A und C mit Wohnsitz in der Schweiz versteuern die anteiligen Gewinne und Vermögenswerte der ABC Kollektivgesellschaft transparent bei der Einkommenssteuer. B unterliegt im Wohnsitzstaat Monaco keiner Besteuerung. Aufgrund von Art. 10.2.4 MR ist jedoch in Monaco von einer fiktiven transparenten Besteuerung auszugehen. Die ABC Kollektivgesellschaft qualifiziert für sämtliche Gesellschafter als volltransparente Gesellschaft (Tax Transparent Entity).</p>
</blockquote>
</div>
<p><img src="https://images.ctfassets.net/bgpaxzxi3eyz/3bBGhf9xAwzfHCBXnDZBWp/d82d1f0137695d7c5f901460a486f8ca/2025_GrafikA11-1.png" alt="Flussdiagramm Art. 10.2 MR" width="900" height="762" /></p>
<p><img src="https://images.ctfassets.net/bgpaxzxi3eyz/7t6jichR5snYDlRpPai4lD/2c6056242f15c18de217a3f1b9ad4d75/2025_GrafikA11-2.png" alt="Fachbegriffe Art. 10.2 MR" width="900" height="516" /></p>
<p>Abhängig von der Klassifizierung der Personengesellschaft sind sodann die Vorschriften zur Allokation des massgebenden Gewinns oder Verlusts (GloBE Income or Loss, vgl. nachstehend Ziffer 3.3.3) und der massgebenden Steuern (Covered Taxes, vgl. nachstehend Ziffer 3.3.4) zu beachten.</p>
<h4>3.3.3 Allokation massgebender Gewinn oder Verlust (GloBE Income or Loss)</h4>
<p>Die Allokation des massgebenden Gewinns oder Verlusts (GloBE Income or Loss) ist in Art. 3.5 MR geregelt. Ausgangspunkt ist eine transparente Gesellschaft, d.h. eine Einheit, die im Gründungsstaat unilateral transparent behandelt wird. Der Begriff «transparente Gesellschaft» umfasst sowohl volltransparente als auch umgekehrt hybride Gesellschaften (vgl. vorstehend Ziffer 3.3.2 und Abbildung 2). Art. 3.5 MR adressiert jedoch nicht hybride Gesellschaften, d.h. Personengesellschaften, die nur im Belegenheitsstaat ihrer Gesellschafter transparent behandelt werden.</p>
<p>Die Klassifizierung einer Personengesellschaft muss für jeden einzelnen Gesellschafter einzeln vorgenommen werden, weshalb dieselbe Gesellschaft unterschiedliche Klassifizierungen haben kann. Art. 3.5.2 MR verlangt deshalb auch, dass die nachfolgenden Allokationsvorschriften auch für jeden einzelnen Gesellschafter angewendet werden.</p>
<p>Zur Illustration der Vorschriften in Art. 3.5 MR wird auf das Flussdiagramm (vgl. nachstehend Abbildung 3) verwiesen.</p>
<h5>3.3.3.1 Schritt 1: Betriebsstätte (Art. 3.5.1(a) MR)</h5>
<p>Gemäss Art. 3.5.1(a) MR ist zunächst zu prüfen, ob die transparente Gesellschaft (als eigenes Steuersubjekt bei den Ergänzungssteuern) in einem anderen Staat eine Betriebsstätte hat. Die OECD-Mustervorschriften enthalten im Gegensatz zum Schweizer Gewinnsteuerrecht keine eigenständige Betriebsstättendefinition (<a href="https://www.fedlex.admin.ch/eli/cc/1991/1184_1184_1184/de#art_51">Art. 51 Abs. 2 DBG</a>). Sie verweisen demgegenüber gemäss Art. 10.1.1 MR – abhängig von Szenarien – auf die Definition im anwendbaren DBA («Treaty PE»), im unilateralen Recht des anderen Staates («Domestic PE») oder in Art. 7 OECD-Musterabkommen («Virtual Treaty PE»)<a title="" href="#_ftn27" name="_ftnref27"><sup>27</sup></a>.</p>
<p>Falls ja, ist vorab dieser Betriebsstätte gemäss Art. 3.4 MR der massgebende Gewinn oder Verlust zuzuweisen. Die Methodik hängt vom Betriebsstättenszenario ab, erfolgt aber in aller Regel nach einer direkten, objektmässigen Methode bzw. dem Authorized OECD Approach (AOA).</p>
<p>Gerade Personengesellschaften, die in einer Konzernstruktur an der Spitze anzutreffen sind, sind meist nur vermögensverwaltender Natur (nicht kaufmännischer Natur<a title="" href="#_ftn28" name="_ftnref28"><sup>28</sup></a>). Sie qualifizieren somit nicht als Betriebsstätte für Ergänzungssteuerzwecke.</p>
<h5>3.3.3.2 Schritt 2: Gesellschafter, die nicht zur multinationalen Unternehmensgruppe gehören (Art. 3.5.3 MR)</h5>
<p>Im nächsten Schritt muss geprüft werden, ob die transparente Gesellschaft auch Gesellschafter hat, die nicht Mitglieder der multinationalen Unternehmensgruppe sind. Von diesem Prüfschritt ausgenommen sind transparente Gesellschaften, die die oberste Muttergesellschaft der multinationalen Unternehmensgruppe sind. In einem solchen Sachverhalt hat die transparente Gesellschaft definitionsgemäss nur Gesellschafter, die nicht Mitglieder der Unternehmensgruppe sind; andernfalls wäre sie nicht die oberste Muttergesellschaft.</p>
<p>Hat die Gesellschaft Gesellschafter, die nicht Mitglied der multinationalen Unternehmensgruppe sind, ist gemäss Art. 3.5.3 MR der massgebende Gewinn oder Verlust der Gesellschaft um den Anteil dieser Gesellschafter zu kürzen.</p>
<h5>3.3.3.3 Schritt 3a: Volltransparente Gesellschaft (nicht oberste Muttergesellschaft, Art. 3.5.1(b) MR)</h5>
<p>Handelt es sich um eine volltransparente Gesellschaft (Tax Transparent Entity), die nicht oberste Muttergesellschaft ist (d.h. Beherrschung durch eine oder mehrere andere Geschäftseinheiten), wird der massgebende Gewinn oder Verlust (nach Vorabzuweisung zu einer allfälligen Betriebsstätte, Art. 3.5.1(a) MR, Ziffer 3.3.3.1) gemäss Art. 3.5.1(b) MR anteilig den einzelnen Gesellschaftern zugerechnet. Es versteht sich von selbst, dass wenn einer der Gesellschafter keine Geschäftseinheit ist (bspw. natürliche Person), deren Anteil nicht einer allfälligen Ergänzungssteuer unterliegt und – mangels Zugehörigkeit zur Unternehmensgruppe – «ins Leere» fällt.<a title="" href="#_ftn29" name="_ftnref29"><sup>29</sup></a></p>
<h5>3.3.3.4 Schritt 3b: Volltransparente Gesellschaft (oberste Muttergesellschaft) und umgekehrt hybride Gesellschaft (Art. 3.5.1(c) MR)</h5>
<p>Handelt es sich um eine volltransparente Gesellschaft, die gleichzeitig oberste Muttergesellschaft ist oder um eine umgekehrt hybride Gesellschaft, so wird der massgebende Gewinn oder Verlust gemäss Art. 3.5.1(c) MR der Personengesellschaft selbst zugewiesen.</p>
<div>
<blockquote>
<p>Fallbeispiel 1: Personengesellschaft – Fortsetzung<br />Die ABC Kollektivgesellschaft mit Sitz in der Schweiz dient lediglich dem Halten und Verwalten von der Beteiligung an einer multinationalen Unternehmensgruppe (Vermögensverwaltung) und vermittelt daher keine Betriebstätte der ausländischen Gesellschafter in der Schweiz. Sie ist eine volltransparente Gesellschaft und gleichzeitig oberste Muttergesellschaft. Gemäss Art. 3.5.1(c) MR ist daher der gesamte massgebende Gewinn der Kollektivgesellschaft zuzurechnen.</p>
</blockquote>
</div>
<h5>3.3.3.5 Schritt 4: Sondervorschrift volltransparente Gesellschaft als oberste Muttergesellschaft (Art. 7.1 MR)</h5>
<p>Gemäss Art. 3.5.1(c) MR ist bei einer volltransparenten Gesellschaft, die gleichzeitig oberste Muttergesellschaft ist, der massgebende Gewinn oder Verlust grundsätzlich der Gesellschaft und nicht anteilig den Gesellschaftern zuzurechnen. Diese Allokationsvorschrift kann indes zu einer faktischen Doppelbesteuerung führen. Einerseits würde der massgebende Gewinn auf Stufe der Personengesellschaft potenziell einer Ergänzungssteuer unterworfen und andererseits würde der Gewinn aufgrund der transparenten Besteuerung im Belegenheitsstaat des Gesellschafters ebenfalls besteuert, sei es mit einer Einkommens- oder Gewinnsteuer.</p>
<p>Um dieser drohenden Doppelbesteuerung entgegenzutreten, enthalten die OECD-Mustervorschriften in Art. 7.1 MR eine Korrekturvorschrift. Wenn eine der drei nachfolgenden Voraussetzungen erfüllt ist, wird der massgebende Gewinn oder Verlust anteilig im Umfang des Gesellschafteranteils gekürzt (vereinfacht, ohne Spezialfälle):</p>
<ul>
<li>Mindestbesteuerung Gesellschafter (Art. 7.1.1(a) MR): Der anteilige Gewinn unterliegt beim Gesellschafter innert 12 Monaten nach Ende des Geschäftsjahres einem nominalen Steuersatz von mind. 15%. Gemäss ergänzenden Ausführungen im Kommentar ist nicht notwendig, dass auf dem Gewinn innert 12 Monaten effektiv eine Steuer bezahlt wird. Es genügt, wenn der Gewinn im steuerbaren Einkommen oder Gewinn des Gesellschafters enthalten ist.<a title="" href="#_ftn30" name="_ftnref30"><sup>30</sup></a> Zur Frage, wie der «nominale Steuersatz» ermittelt wird, schweigen die OECD-Mustervorschriften. Gerade aus einer Schweizer Perspektive könnte es relevant sein, ob Sozialversicherungsabgaben (selbständige Erwerbstätigkeit durch Anteil an kaufmännischer Personengesellschaft) berücksichtigt werden oder nicht.</li>
<li>De Minimis-Gesellschafter natürliche Person (Art. 7.1.1(b) MR): Der Gesellschafter ist eine natürliche Person, im gleichen Staat ansässig wie die Personengesellschaft belegen ist und deren Beteiligungsquote beträgt 5% oder weniger.</li>
<li>De Minimis-Gesellschafter freigestellte Einheit<a title="" href="#_ftn31" name="_ftnref31"><sup>31</sup></a> (Art. 7.1.1(c) MR):<strong> </strong>Die Gesellschafterin ist eine Organisation ohne Erwerbszeck<a title="" href="#_ftn32" name="_ftnref32"><sup>32</sup></a> (Art. 1.5.1(c) i.V.m. 10.1.1 MR) oder ein Pensionsfonds<a title="" href="#_ftn33" name="_ftnref33"><sup>33</sup></a> (Art. 1.5.1(d) i.V.m. 10.1.1 MR), im gleichen Staat ansässig wie die Personengesellschaft belegen ist und die Beteiligungsquote beträgt 5% oder weniger.</li>
</ul>
<blockquote>
<p>Fallbeispiel 1: Personengesellschaft – Fortsetzung<br />Der Gesellschafter A unterliegt einer Steuerbelastung von 35%, weshalb der massgebende Gewinn in seinem Anteil (49%) gekürzt wird. Der Gesellschafter B unterliegt einer Steuerbelastung von 0%, weshalb in seinem Anteil keine Kürzung erfolgen kann. Der Gesellschafter C ist eine natürliche Person, in der Schweiz ansässig und seine Quote von 2% liegt unter der De Minimis-Grenze von 5%. Sein Anteil (2%) kann ebenfalls berücksichtigt werden. Der massgebende Gewinn der Kollektivgesellschaft ABC beträgt somit 1'000 × (100% - 49% - 2%) = 490.</p>
</blockquote>
<p><img src="https://images.ctfassets.net/bgpaxzxi3eyz/6fnKhHbVvmlIbycaYgjVK8/2350e61ef3399b1735dbfd239aca24f9/2025_GrafikA11-3.png" alt="Flussdiagramm Art. 3.5 MR" width="900" height="897" /></p>
<h4>3.3.4 Allokation massgebende Steuern (Covered Taxes)</h4>
<p>Die Vorschriften zur Allokation der massgebenden Steuern sind bedeutend schlanker und orientieren sich am «Covered Taxes follows GloBE Income or Loss»-Prinzip. Sie finden sich in Art. 4.3 MR.</p>
<h5>3.3.4.1 Betriebsstätte (Art. 4.3.2(a) MR)</h5>
<p>Hat eine volltransparente Gesellschaft (als eigenes Steuersubjekt bei den Ergänzungssteuern) in einem anderen Staat<a title="" href="#_ftn34" name="_ftnref34"><sup>34</sup></a> eine Betriebsstätte, sind die massgebenden Steuern, die auf dem der Betriebsstätte zuzurechnenden massgebenden Gewinn oder Verlust<a title="" href="#_ftn35" name="_ftnref35"><sup>35</sup></a> erhoben werden, gemäss Art. 4.3.2(a) MR vorab auch der Betriebsstätte zuzurechnen.</p>
<h5>3.3.4.2 Volltransparente Gesellschaft (nicht oberste Muttergesellschaft, Art. 4.3.2(b) MR)</h5>
<p>Falls im Einzelabschluss oder Reporting Package der Personengesellschaft massgebende Steuern enthalten sein sollten, werden diese gemäss Art. 4.3.2(b) MR anteilig den Gesellschaftern zugerechnet. Handelt es sich beim Gesellschafter selbst um eine gruppenzugehörige Geschäftseinheit, kann diese die Steuern als massgebende Steuer geltend machen. Handelt es sich beim Gesellschafter jedoch um eine natürliche Person, fallen diese Steuern für Zwecke der Ergänzungssteuern «ins Leere». Volltransparente Gesellschaften unterliegen im Grundsatz in ihrem Gründungsstaat keinen Körperschaftssteuern und sollten daher im Einzelabschluss oder Reporting Package auch keine Steuern enthalten.<a title="" href="#_ftn36" name="_ftnref36"><sup>36</sup></a> Es gibt jedoch länderspezifische Ausnahmen wie Deutschland, wo eine gewerblich tätige Personengesellschaft bei den Gewerbesteuern ein eigenständiges Steuersubjekt ist.</p>
<h5>3.3.4.3 Volltransparente Gesellschaft (oberste Muttergesellschaft)</h5>
<p>Falls die volltransparente Gesellschaft auch die oberste Muttergesellschaft ist und in ihrem Einzelabschluss oder Reporting Package massgebende Steuern enthalten sind, können diese nur insoweit bei der Personengesellschaft geltend gemacht werden, als dass der Gewinn aufgrund der Sondervorschrift in Art. 7.1.1 MR nicht gekürzt wird (Ziffer 3.3.3.5). Andernfalls sind die Steuern ebenfalls anteilig zu kürzen.</p>
<h5>3.3.4.4 Hybride Gesellschaft (Art. 4.3.2(d) MR)</h5>
<p>Falls im Einzelabschluss oder Reporting Package der Gesellschafter, die auch gruppenzugehörige Geschäftseinheiten sind, massgebende Steuern enthalten sind, werden diese gemäss Art. 4.3.2(d) MR der Personengesellschaft zugerechnet.</p>
<h5>3.3.4.5 Umgekehrt hybride Gesellschaft</h5>
<p>Im Fall einer umgekehrt hybriden Gesellschaft bleiben Gewinn und Steuern bei dieser Gesellschaft, weshalb es im Grundsatz keiner Umverteilung der erfassten Steuern bedarf.<a title="" href="#_ftn37" name="_ftnref37"><sup>37</sup></a></p>
<p>Umgekehrt hybride Gesellschaften zeichnen sich dadurch aus, dass sie im Staat ihrer Gründung transparent behandelt werden und daher keine «eigenen» massgebenden Steuern haben (mit länderspezifischen Ausnahmen, Ziffer 3.3.4.2). Dies würde im Ergebnis dazu führen, dass solche Gesellschaften regelmässig einen effektiven GloBE-Steuersatz von 0% hätten und daher einer Ergänzungssteuer unterliegen würden. Die OECD hat diese Schwachstelle in den OECD-Mustervorschriften identifiziert und erlaubt gemäss den administrativen Leitlinien vom Juni 2024, dass massgebende Steuern, die durch die Gesellschafter auf Gewinne geschuldet sind und für Zwecke der Ergänzungssteuern der umgekehrt hybriden Gesellschaft zugewiesen werden (vgl. vorstehend Ziffer 3.3.3.4), als massgebende Steuern bei der Gesellschaft berücksichtigt werden dürfen («Push-down of Taxes from a Constituent Entity-owner»<a title="" href="#_ftn38" name="_ftnref38"><sup>38</sup></a>). Diese Vorschrift wurde zwischenzeitlich in den Kommentar zu den OECD-Mustervorschriften überführt<a title="" href="#_ftn39" name="_ftnref39"><sup>39</sup></a> und finden auch in der Schweiz über <a href="https://www.fedlex.admin.ch/eli/cc/2023/841/de#art_2">Art. 2 Abs. 3 MindStV</a> dynamisch<a title="" href="#_ftn40" name="_ftnref40"><sup>40</sup></a> Anwendung.</p>
<h4>3.3.5 Weitere Aspekte</h4>
<h5>3.3.5.1 Temporärer CbCR Safe Harbour</h5>
<p>Zwecks administrativer Entlastung der Steuerpflichtigen und -behörden haben die OECD für die Geschäftsjahre 2024 - 2026 einen temporären Safe Harbour («CbCR Safe Harbour») auf Basis eines qualifizierenden länderbezogenen Berichts («CbCR») eingeführt. Wenn einer von drei Tests erfüllt ist, muss die betroffene Geschäftseinheit im jeweiligen Staat keine Ergänzungssteuern zahlen und kann von teilweise vereinfachten Deklarationsvorschriften profitieren.<a title="" href="#_ftn41" name="_ftnref41"><sup>41</sup></a></p>
<p>Personengesellschaften sind zunächst nur insoweit im CbCR aufzunehmen, als dass sie im konsolidierten Konzernabschluss enthalten sind bzw. enthalten sein sollten.<a title="" href="#_ftn42" name="_ftnref42"><sup>42</sup></a> Soweit die Personengesellschaft in keinem Staat ansässig ist (keine unbeschränkte Steuerpflicht) – was regelmässig der Fall ist –, ist sie im CbCR nicht einem spezifischen Land zu-, sondern als «staatenlos» auszuweisen. Dieser Ausweis als staatenlos ist deshalb von Relevanz, als dass gemäss OECD-Regelwerk Geschäftseinheiten, die nicht einem spezifischen Staat zugewiesen werden, vom CbCR Safe Harbour ausgeschlossen sind.<a title="" href="#_ftn43" name="_ftnref43"><sup>43</sup></a> In anderen Worten: Personengesellschaften, die nicht gewerblich tätig sind, sind mehrheitlich vom CbCR Safe Harbour ausgeschlossen.</p>
<h5>3.3.5.2 Staatenlosigkeit</h5>
<p>Transparente Gesellschaften (Flow-through Entity), d.h. Gesellschaften, die im Gründungsstaat transparent behandelt werden, sind gemäss Art. 10.3.2 MR grundsätzlich als staatenlos (lit. b) zu behandeln. Es sei denn, es handelt sich um die oberste Muttergesellschaft<a title="" href="#_ftn44" name="_ftnref44"><sup>44</sup></a> (lit. a). Im letztgenannten Fall ist die Gesellschaft als dem Gründungsstaat zuzuordnen.</p>
<p>Wird die Gesellschaft auch im Staat ihrer Gesellschafter transparent behandelt (Tax Transparent Entity), ist diese Regelung grundsätzlich unproblematisch. Der massgebende Gewinn oder Verlust sowie die massgebenden Steuern werden den Gesellschaftern zugerechnet, weshalb auf Stufe der Gesellschaft keine negativen Steuerfolgen eintreten werden (mutmasslich «Nuller-Deklaration»). Wird sie indes im Gesellschafterstaat intransparent behandelt (Reverse Hybrid Entity), werden die massgebenden Gewinne oder Verluste (vgl. vorstehend Ziffer 3.3.3.4) und Steuern (vgl. vorstehend Ziffer 3.3.4.5) jedoch der Gesellschaft zugerechnet. Aufgrund der Staatenlosigkeit müssen der effektive GloBE-Steuersatz und allfällige Ergänzungssteuern gemäss Art. 5.1.1 MR separat ermittelt werden (keine aggregierte Ermittlung mit anderen staatenlosen Geschäftseinheiten; kein «Jurisdictional Blending»).</p>
<h2>4. Aktionärsbindungsverträge</h2>
<p>In der Schweiz ist es nicht unüblich, dass bei Familienunternehmen zwischen den Aktionären ein Aktionärsbindungsvertrag abgeschlossen wird. Der rechtliche Charakter dieses Vertrags ist in der Schweiz nicht abschliessend geklärt. Eine Qualifikation als einfache Gesellschaft (<a href="https://www.fedlex.admin.ch/eli/cc/27/317_321_377/de#art_530">Art. 530 ff. OR</a>) wird in der Literatur jedoch überwiegend bejaht.<a title="" href="#_ftn45" name="_ftnref45"><sup>45</sup></a> Daraus ergibt sich die Frage, ob dadurch nicht eine Einheit gemäss Art. 1.3.1 MR vorliegen könnte (vgl. vorstehend Ziffer 2.2), wodurch das Rechtskonstrukt des Aktionärsbindungsvertrags der Ergänzungssteuer unterliegen könnte. Der Begriff «Einheit» ist sehr umfassend definiert und erfasst alle Formen von Personengesellschaften, wozu auch gemäss hier vertretener Ansicht die einfache Gesellschaft zählt (vgl. vorstehend Ziffer 3.1). Soweit im Zusammenhang mit diesem Aktionärsbindungsvertrag auch ein Abschluss erstellt wird (bspw. in der Form einer einfachen «Milchbüchleinrechnung»), ist die Frage wohl eher zu bejahen.</p>
<div>
<blockquote>
<p>Fallbeispiel 2: Aktionärsbindungsvertrag<br />A, B und C (alle Wohnsitz Schweiz) halten sämtliche Aktien an der ABC Holding Ltd. (Grossbritannien), der Obergesellschaft eines internationalen Konzerns (konsolidierter Umsatz >EUR 750 Mio.). Der Konzern hat eine Offshore-Tochtergesellschaft (Steuersatz 0%). Die drei Aktionäre schliessen untereinander einen Aktionärsbindungsvertrag nach Schweizer Recht. führt der Charakter des Aktionärsbindungsvertrag als einfache Gesellschaft zu einer Qualifikation als Einheit (Art. 10.1.1 MR), wäre er die oberste Muttergesellschaft des Konzerns (Art. 1.4 MR). Dadurch erhält die Schweiz gemäss <a href="https://www.fedlex.admin.ch/eli/cc/2023/841/de#art_1">Art. 1 MindStV</a> (und nicht Grossbritannien) die Kompetenz zur Erhebung der internationalen Ergänzungssteuer nach der IIR auf dem Gewinn der Offshore-Gesellschaft.</p>
</blockquote>
</div><h2>5. Trusts</h2>
<h3>5.1 Übersicht</h3>
<p>Im angelsächsischen Rechtsraum (Grossbritannien, USA, Australien, Kanada, Südafrika, Neuseeland) sind Trusts ein häufig verwendetes, flexibles Rechtsinstrument, beispielweise für die private Vermögensverwaltung, Nachlassplanung oder den Schutz des Vermögens von Dritten. Auch wenn das Schweizer Privatrecht dieses Rechtsinstrument nicht kennt, werden ausländische Trusts über das <a href="https://www.fedlex.admin.ch/eli/cc/2007/375/de?version=20240923&print=true">Übereinkommen über das auf Trusts anzuwendende Recht und über ihre Anerkennung (SR 0.221.371)</a> in der Schweiz anerkannt. Im Ausland werden Trusts teilweise auch als Rechtsinstrument für Pensionskassen verwendet. Nachfolgend wird nur auf Trusts eingegangen, die rechtlich an der Spitze einer Konzernstruktur stehen (vgl. Abbildung 4).</p>
<p><img src="https://images.ctfassets.net/bgpaxzxi3eyz/6qwzhjzoR26Bl6rR8NW3QY/12f2eaac29adb1b63c646f32157d66c2/2025_GrafikA11-4.png" alt="Grundstruktur Konzern mit Trust" width="900" height="562" /></p>
<p>Ein Trust ist eine rechtliche Vereinbarung, bei der eine Person (Settlor) Vermögenswerte an eine andere Person oder Organisation (Trustee) überträgt, die diese Vermögenswerte für die Begünstigten (Beneficiaries) verwaltet. Der Trust wird durch eine Trusturkunde (Trust Deed) geregelt, die die Bedingungen und Regeln für die Verwaltung und Verteilung der Vermögenswerte festlegt.</p>
<h3>5.2 Gewinn- und Einkommenssteuern</h3>
<p>Im Schweizer Gewinn- und Einkommenssteuerrecht gibt es keine expliziten Rechtsvorschriften zu Trusts. Ausgehend von den allgemeinen Vorschriften und Grundsätzen des Steuerrechts haben die Schweizerische Steuerkonferenz (SSK) und die Eidgenössische Steuerverwaltung (ESTV) das Kreisschreiben 20 («Besteuerung von Trusts»)<a title="" href="#_ftn46" name="_ftnref46"><sup>46</sup></a> erlassen, in dem die steuerliche Behandlung verschiedener Arten von Trusts geregelt ist.</p>
<p>Aufgrund der fehlenden Rechtspersönlichkeit des Trusts als vertragsähnliches Rechtskonstrukt ist er im Schweizer Steuerrecht kein eigenes Steuersubjekt und wird daher transparent behandelt. Die Besteuerung folgt einer «Substance-over-Form»-Betrachtung mit unterschiedlichen Folgen je nach Klassifizierung des Trusts.</p>
<p>Kann der Trust jederzeit widerrufen werden bzw. hat sich der Settlor seines Vermögens nicht gänzlich entäussert (Revocable Trust), werden das Vermögen und die Erträge daraus aufgrund der bestehenden Verfügungsmacht weiterhin dem Settlor zugerechnet. Die Beneficiaries werden erst beim späteren Vermögenszufluss mittels der kantonalen Schenkungssteuer besteuert.<a title="" href="#_ftn47" name="_ftnref47"><sup>47</sup></a></p>
<p>Gibt der Settlor indes sein Verfügungsmacht vollständig auf (Irrevocable Trust), und haben die Beneficiaries einen klagbaren Vermögensanspruch, werden das Vermögen und die Erträge im Grundsatz den Beneficiaries zugerechnet (Irrevocable Fixed Interest Trust). Die Besteuerung des Vermögenszuflusses erfolgt mittels der kantonalen Schenkungssteuer unmittelbar mit der Errichtung.<a title="" href="#_ftn48" name="_ftnref48"><sup>48</sup></a> Voraussetzung hierbei ist, dass der Settlors einen Wohnsitz in der Schweiz hat.</p>
<p>Sind die Beneficiaries noch nicht bekannt oder liegt die Ausschüttung im Ermessen des Trustees (kein klagbarer Rechtanspruch der Beneficiaries) (Irrevocable Discretionary Trust) und hat der Settlor seinen Wohnsitz im Inland und ist nicht pauschalbesteuert, wird das Vermögen und die Erträge trotz fehlender Verfügungsmacht weiterhin dem Settlor zugerechnet (analoge Steuerfolgen wie bei Revocable Trust). In der Literatur wird diese Zurechnung zu Recht kritisiert.<a title="" href="#_ftn49" name="_ftnref49"><sup>49</sup></a> Hat der Settlor jedoch seinen Wohnsitz im Ausland, verbleiben das Vermögen und die Erträge bis zur Ausschüttung steuerlich «in der Wolke» und werden weder dem Settlor noch den Beneficiaries zugerechnet. Die Besteuerung der Beneficiaries erfolgt erst im Zeitpunkt der Ausschüttung mittels der Einkommenssteuer.<a title="" href="#_ftn50" name="_ftnref50"><sup>50</sup></a></p>
<h3>5.3 Ergänzungssteuern</h3>
<h4>5.3.1 Allgemein</h4>
<p>Im Gegensatz zu den Gewinn- und Einkommenssteuern qualifiziert ein Trust aufgrund der expliziten Aufzählung in Art. 10.1.1 MR als Einheit (Ziffer 2.2) und damit als Steuersubjekt. Ausgehend vom konkreten Sachverhalt ist zu prüfen, ob die Einheit auch eine Geschäftseinheit (Art. 1.3 MR, passive Beherrschung) bzw. die oberste Muttergesellschaft (Art. 1.4 MR, aktive Beherrschung) ist. Auch wenn im Regelwerk diesbezügliche keine Ausführungen zu finden sind, können die Klassifizierung von Trusts gemäss Kreisschreiben 20 (vgl. vorstehend Ziffer 5.2) sowie auch gewisse Vorschriften von IFRS hilfreich sein.</p>
<p>Die Qualifikation als oberste Muttergesellschaft ist unter anderem relevant für die Frage, ob der Trust einer Ergänzungssteuer nach der IIR unterliegen kann.</p>
<h4>5.3.2 Klassifizierung</h4>
<h5>5.3.2.1 Revocable Trusts</h5>
<p>Ein Revocable Trust kann jederzeit vom Settlor widerrufen werden, weshalb er weiterhin die Verfügungsmacht über den Trust bzw. das Trustvermögen hat. Für die Rechtsfolgen muss unterschieden werden, wer der Settlor ist:</p>
<ul>
<li>Natürliche Person: Ist der Settlor eine natürliche Person, hat diese aufgrund der Definition in Art. 10.1.1 MR keine Kontrollbeteiligung über diesen Trust. Der Begriff Kontrollbeteiligung gemäss OECD-Mustervorschriften ist hierbei nicht als Widerrufsrecht wie im Schweizer (Trust-)Steuerrecht<sup><a title="" href="#_ftn51" name="_ftnref51">51</a></sup> zu verstehen, sondern als Konsolidierungspflicht nach einem Rechnungslegungsstandard wie IFRS. Gemäss IFRS 10 haben «Unternehmen», nicht aber natürliche Personen eine solche Pflicht. Der Trust qualifiziert daher gemäss hier vertretener Ansicht als oberste Muttergesellschaft.</li>
</ul>
<blockquote>
<p>Fallbeispiel 3: Revocable Trust mit natürlicher Person als Settlor<strong><br /></strong> A überträgt sämtliche Aktien an der ABC Holding AG und ihrer in- und ausländischen Tochtergesellschaften (konsolidierter Umsatz >EUR 750 Mio.) auf einen Trust. A kann als Settlor den Trust jederzeit widerrufen. Der Trust qualifizierte als Einheit (Art. 10.1.1 MR) und mangels Kontrollbeteiligung (Art. 10.1.1 MR) von A als oberste Muttergesellschaft (Art. 1.4 MR).</p>
</blockquote>
<ul>
<li>Juristische Person: Ist der Settlor eine juristische Person, liegt eine Kontrollbeteiligung vor. Der Trust ist daher eine Geschäftseinheit.</li>
</ul>
<blockquote>
<p>Fallbeispiel 4: Revocable Trust mit juristischer Person als Settlor<strong> <br /></strong>A hält die ABC Holding AG und ihre in- und ausländischen Tochtergesellschaften über die A Investment AG. Letztere Gesellschaft überträgt sämtliche Aktien an der ABC Holding AG auf einen Trust und kann als Settlor diesen Trust jederzeit widerrufen. Der Trust qualifiziert als Einheit (Art. 10.1.1 MR) und aufgrund der Kontrollbeteiligung (Art. 10.1.1 MR) der A Investment AG als Geschäftseinheit (Art. 1.3 MR), nicht jedoch als oberste Muttergesellschaft (Art. 1.4 MR). Die A Investment AG ist die oberste Muttergesellschaft.</p>
</blockquote>
<h5>5.3.2.2 Irrevocable Fixed Interest Trust</h5>
<p>Ein Irrevocable Fixed Interest Trust kann vom Settlor nicht mehr widerrufen werden, weshalb dieser für die Klassifizierung irrelevant ist. Entscheidend ist vielmehr der Rechtsanspruch der Beneficiaries. Dieser kann im Einzelfall unterschiedlich umfangreich sein, was entscheidend ist für das Vorliegen einer Kontrollbeteiligung (Art. 10.1.1 MR, im Sinne einer Konsolidierungspflicht).</p>
<p>Gemäss IFRS 10 besteht eine Konsolidierungspflicht, wenn ein Unternehmen (nicht jedoch eine natürliche Person) eine Beherrschung über ein anderes Unternehmen hat. Gemäss IFRS 10.A sowie 10.6 setzt eine Beherrschung u.a. voraus, dass man die Fähigkeit hat, die Renditen mittels seiner eigenen Verfügungsmacht über die Beteiligungsunternehmen zu beeinflussen. Daraus ergeben sich folgende Konstellationen:</p>
<ul>
<li>Juristische Person: Ist der Beneficiary eine juristische Person und hat diese lediglich Anspruch auf die Erträge des Trustvermögens, ohne jedoch über deren Höhe zu entscheiden, muss eine Beherrschung eher verneint werden (keine Fähigkeit, die Rendite mittels eigener Verfügungsmacht zu beeinflussen). Der Trust wird mangels Kontrollbeteiligung zur obersten Muttergesellschaft. Geht der Rechtsanspruch jedoch weiter und kann der Beneficiary auch über die Höhe der Erträge entscheiden (Fähigkeit, die Dividendenausschüttung der durch den Trust kontrollierten Gesellschaft zu steuern), ist eher eine Kontrollbeteiligung anzunehmen. Der Trust ist dadurch eine Geschäftseinheit und der Beneficiary die oberste Muttergesellschaft (soweit ein einziger Beneficiary die alleinige Beherrschung hat, Common Control).</li>
</ul>
<blockquote>
<p>Fallbeispiel 5: Irrevocable Fixed Interest Trust <br />Sämtliche Aktien an der ABC Holding AG und ihrer in- und ausländischen Tochtergesellschaften werden durch einen Irrevocable Fixed Interest Trust gehalten. Gemäss Trusturkunde muss die ABC Holding AG jedes Jahr 90% des Gewinns ausschütten (durch Trustee als Vertreter sämtlicher Aktien im Rahmen der Generalversammlung zu beschliessen) und an eine klar bestimmte karitative Stiftung überweisen. Mangels Beherrschung (Stiftung als Beneficiary hat keinen Einfluss über Höhe der Dividende), ist der Trust die oberste Muttergesellschaft.</p>
</blockquote>
<ul>
<li>Natürliche Person:<strong> </strong>Ist der Beneficiary (oder die Beneficiaries) eine natürliche Person, kann mangels Konsolidierungspflicht keine Kontrollbeteiligung vorliegen. Der Trust wird zur obersten Muttergesellschaft.</li>
</ul>
<h5>5.3.2.3 Irrevocable Discretionary Trust</h5>
<p>Ist der Trustee eine natürliche Person, ist der Trust mangels Kontrollbeteiligung des Trustees (und der nicht klar bestimmbaren Beneficiaries) die oberste Muttergesellschaft. Ist der Trustee eine juristische Person, muss im Einzelfall das Ausmass der Beherrschung geprüft werden (vgl. vorstehend Ziffer 5.3.2.2), wodurch der Trustee zur obersten Muttergesellschaft werden kann.</p>
<p><img src="https://images.ctfassets.net/bgpaxzxi3eyz/xnrBVmCQQKWIK1fLP1Vxl/e661ee41e337443519a04896e1983ba6/2025_GrafikA11-5.png" alt="Klassifizierung Trust" width="900" height="484" /></p>
<h4>5.3.3 Allokation massgebender Gewinn oder Verlust (GloBE Income or Loss)</h4>
<p>Aufgrund der im nationalen Steuerrecht meist vorherrschenden transparenten Behandlung von Trusts ist grundsätzlich auf die vorhergehenden Ausführungen zu verweisen (vgl. vorstehend Ziffer 3.3.3). Während bei Personengesellschaften der Belegenheitsstaat des Gesellschafters relevant ist, ist bei Trusts – je nach Kategorie – der Belegenheitsstaat des Settlor oder des Beneficiary relevant.</p>
<p>Im Kommentar zu den OECD-Mustervorschriften wird mit explizitem Bezug auf Trusts darauf hingewiesen, dass für die transparente Behandlung gemäss nationalem Steuerrecht relevant sei, dass die Erträge (nicht aber das Trustvermögen) einer Person steuerlich zugerechnet werden müssen.<a title="" href="#_ftn52" name="_ftnref52"><sup>52</sup></a> Gemäss Schweizer Praxis ist dies bei Revocable Trusts (steuerliche Zurechnung Settlor) und beim Irrevocable Fixed Interest Trust (steuerliche Zurechnung Beneficiary) unproblematisch. Bei einem Irrevocable Discretionary Trust ist dies im konkreten Einzelfall zu prüfen, da nicht die Erzielung von Erträgen durch den Trust, sondern erst die Ausschüttung der Erträge vom Trust an die Beneficiaries bei diesen besteuert wird.<a title="" href="#_ftn53" name="_ftnref53"><sup>53</sup></a> Dies muss je nach Trusturkunde nicht deckungsgleich sein.</p>
<div>
<blockquote>
<p>Fallbeispiel 6: Irrevocable Discretionary Trust <br />Ein Irrevocable Discretionary Trust hält die Aktien an der ABC Holding AG und ihre in- und ausländischen Tochtergesellschaften (jährlich schwankende Dividende) und weitere Vermögenswerte (jährlich schwankende Erträge). Gemäss Trusturkunde müssen jedes zweite Jahr CHF 5 Mio. an durch den Trustee zu bestimmende karitative Einrichtungen in der Schweiz ausbezahlt werden. Da die Einrichtungen als Beneficiaries erst bei der Ausschüttung und nicht bei der Erzielung der Erträge durch den Trust besteuert werden, muss gemäss hier vertretener Ansicht der Trust gemäss OECD-Mustervorschriften aus einer Schweizer Perspektive als intransparent behandelt werden. Der Trust qualifiziert als umgekehrt hybride Gesellschaft (vgl. vorstehend Ziffer 3.3.2.3).</p>
</blockquote>
</div>
<h2>6. Stiftungen</h2>
<h3>6.1 Übersicht</h3>
<p>Die Übertragung von Aktien auf eine Stiftung kann nebst dem Trust ein Instrument sein, um die Selbständigkeit eines Unternehmens nach dem Tod des Aktionärs langfristig zu sichern. Eine Stiftung ist ein verselbständiges Zweck- oder Sondervermögen mit eigener Rechtspersönlichkeit und verfügt somit im Gegensatz zu den übrigen juristischen Personen über keine Anteilsinhaber. In der Schweiz ist die Stiftung in <a href="https://www.fedlex.admin.ch/eli/cc/24/233_245_233/de#art_80">Art. 80 ff. ZGB</a> geregelt. Da indes in der Schweiz der Stiftungszweck in der Regel auf gemeinnützige Zwecke beschränkt ist und Unterhaltsstiftungen und Familienfideikommisse unzulässig sind, werden häufig Stiftungen nach ausländischem Recht errichtet (bspw. Liechtenstein, Panama).</p>
<h3>6.2 Gewinn- und Einkommenssteuern</h3>
<p>Stiftungen werden im Grundsatz gemäss <a href="https://www.fedlex.admin.ch/eli/cc/1991/1184_1184_1184/de#art_49">Art. 49 Abs. 1 lit. b DBG</a> aufgrund ihrer eigenen Rechtspersönlichkeit als eigenständige Steuersubjekte bei den Gewinnsteuern behandelt. Einlagen in Stiftungen unterliegen gemäss <a href="https://www.fedlex.admin.ch/eli/cc/1991/1184_1184_1184/de#art_66">Art. 66 Abs. 1 DBG</a> nicht der Gewinnsteuer und der Steuersatz liegt gemäss <a href="https://www.fedlex.admin.ch/eli/cc/1991/1184_1184_1184/de#art_71">Art. 71 Abs. 1 DBG</a> lediglich bei 4.25% statt den üblichen 8.5%.</p>
<p>Verfolgt eine Stiftung einen gemeinnützigen Zweck, kann sie gemäss Art. 56 DBG von den Gewinn- (und Kapital-)Steuern befreit werden. Hält die Stiftung wesentliche Kapitalbeteiligungen, gilt sie nur dann als gemeinnützig, wenn</p>
<ul>
<li>das Interesse an der Unternehmenserhaltung dem gemeinnützigen Zweck untergeordnet (Alimentierungs- und Diversifizierungsgebot<a title="" href="#_ftn54" name="_ftnref54"><sup>54</sup></a>) ist und</li>
<li>die Stiftung keine geschäftsleitenden Tätigkeiten (personelle und organisatorische Trennung zwischen Stiftung und Unternehmen<a title="" href="#_ftn55" name="_ftnref55"><sup>55</sup></a>) ausübt.</li>
</ul>
<p>Ausländische Stiftungen werden der Inkorporationstheorie folgend grundsätzlich ebenfalls als selbständige (ausländische) Steuersubjekte anerkannt.<a title="" href="#_ftn56" name="_ftnref56"><sup>56</sup></a> Ausnahmsweise kann die Abschirmwirkung einer ausländischen Stiftung aberkannt werden, wenn eine Steuerumgehung vorliegt.<a title="" href="#_ftn57" name="_ftnref57"><sup>57</sup></a> Bei einer liechtensteinischen Familienstiftung ist dies bspw. dann der Fall, wenn die Vermögenswerte dem Einfluss des Stifters nicht vollständig entzogen sind, die Destinatäre Einfluss auf die Ausschüttungen nehmen können oder die Destinatäre einen festen Rechtsanspruch auf die Ausschüttungen haben.<a title="" href="#_ftn58" name="_ftnref58"><sup>58</sup></a></p>
<p><img src="https://images.ctfassets.net/bgpaxzxi3eyz/1xxU8SStV2W89MhptlgFck/86222fdddd6c30fd5ff081ad843adfc3/2025_GrafikA11-6.png" alt="Grundstruktur Konzern mit Stiftung" width="900" height="406" /></p>
<h3>6.3 Ergänzungssteuern</h3>
<h4>6.3.1 Freigestellte Einheiten</h4>
<p>Zunächst wird von einer Schweizer Stiftung ausgegangen, deren steuerliche Selbständigkeit anerkannt ist und nicht transparent behandelt wird.</p>
<p>Auch die schweizerischen und internationalen Ergänzungssteuern kennen die Möglichkeit einer Steuerbefreiung, die in Art. 1.5 MR geregelt ist (freigestellte Einheit bzw. Excluded Entity).<a title="" href="#_ftn59" name="_ftnref59"><sup>59</sup></a> Eine bei den Schweizer Gewinn- und Kapitalsteuern befreite gemeinnützige Stiftung ist grundsätzlich auch bei den schweizerischen und internationalen Ergänzungssteuern befreit, da die Voraussetzungen relativ deckungsgleich sind.</p>
<p>Problematisch sind indes gemeinnützige Stiftungen, die gleichzeitig Beteiligungen an anderen Unternehmen halten (steuerbefreite Holdingstiftungen). Während bei den Gewinn- und Kapitalsteuern eine Steuerbefreiung unter Berücksichtigung gewisser Voraussetzungen möglich ist (vgl. vorstehend Ziffer 6.2), ist eine solche gemäss Kommentar zu den OECD-Mustervorschriften ausgeschlossen:</p>
<blockquote>
<p>«Eine Einheit, die lediglich als Holdinggesellschaft eines international tätigen gewerblichen Unternehmens dient, gilt dagegen nicht einfach deshalb als Organisation ohne Erwerbszweck, weil sie nach den innerstaatlichen Steuervorschriften als gemeinnützige Stiftung oder ähnliche Einrichtung eingestuft ist.»<a title="" href="#_ftn60" name="_ftnref60"><sup>60</sup></a></p>
</blockquote>
<p>Der Effekt der Steuerbefreiung wird durch die Ergänzungssteuer neutralisiert.</p>
<p>Allfällige Dividendenausschüttungen des Konzerns (bzw. der Konzernobergesellschaft) sind jedoch bei einer Beteiligungsquote von mind. 10% steuerbefreit (direkte Freistellung Bruttodividende<a title="" href="#_ftn61" name="_ftnref61"><sup>61</sup></a>). Finanziell betroffen wären folglich nur sonstige Erträge der Stiftung.</p>
<h4>6.3.2 Fehlende Abschirmwirkung</h4>
<p>Ist die Stiftung im Ausland ansässig und wird ihr in der Schweiz beim Stifter oder den Destinatären aufgrund einer Steuerumgehung die Abschirmwirkung aberkannt, sind die Sondervorschriften zu den transparenten Gesellschaften zu beachten (vgl. vorstehend Ziffern 3.3.2 - 3.3.4). Der Stifter bzw. die Destinatäre sind in Analogie zu einer Personengesellschaft als «Gesellschafter» zu betrachten. Die Stiftung wird im Gründungs- bzw. Ansässigkeitsstaat als eigenständiges Steuersubjekt behandelt (intransparent), ihr wird jedoch im Ansässigkeitsstaat des Stifters bzw. der Destinatäre infolge Steuerumgehung die Abschirmwirkung aberkannt (transparent). Sie ist als hybride Gesellschaft (Hybrid Entity) zu behandeln.</p>
<div>
<blockquote>
<p>Fallbeispiel 7: Liechtensteinische Stiftung<br /><span style="font-family: -apple-system, BlinkMacSystemFont, 'Segoe UI', Roboto, Oxygen, Ubuntu, Cantarell, 'Open Sans', 'Helvetica Neue', sans-serif;">A mit Wohnsitz in der Schweiz errichtet eine liechtensteinische Stiftung, kann diese aber jederzeit widerrufen. Die Stiftung wird nach liechtensteinischem Steuerrecht als eigenständiges Steuersubjekt behandelt. Die Abschirmwirkung wird aufgrund einer Steuerumgehung in der Schweiz aberkannt und sie wird transparent behandelt.</span></p>
</blockquote>
</div>
<p>Als Folge dieser Qualifikation ist die Sondervorschrift in Art. 4.3.2(d) MR zur Allokation der massgebenden Steuern (Covered Taxes) zu beachten. Wenn der Stifter oder der Destinatär ebenfalls eine Geschäftseinheit ist und zur gleichen Unternehmensgruppe wie die Stiftung gehört, sind die Steuern, die der Stifter oder Destinatär auf dem Gewinn der Stiftung bezahlt, dieser zuzurechnen.</p>
<p>Gemäss hier vertretener Ansicht ist dies bei einer Stiftung mit natürlichen Personen als Stifter bzw. Destinatäre (vgl. vorstehend Abbildung 6) indes nicht anwendbar, da natürliche Personen gemäss Art. 10.1.1 MR keine (Geschäfts-)Einheit sein können.</p>
<h2>7. Zusammenfassung</h2>
<p>Personengesellschaften und andere personenbezogene Rechtsgebilde wie Trusts und Stiftungen sind bei privat gehaltenen Konzernen regelmässig anzutreffen, beispielweise als Rechtskonstrukt für Nachfolgeplanung oder Vermögensschutz. Deren Behandlung unter den Ergänzungssteuern ist komplex und hängt von vielen Faktoren ab, einschliesslich der konkreten Ausgestaltung und den nationalen Steuervorschriften in den einzelnen Ländern. Die Regeln weichen hierbei in der Ausgestaltung oder im Ergebnis teilweise von den Vorschriften im Schweizer Gewinn- und Einkommenssteuerrecht ab.</p></article>
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