<article class="rz"><h2>1. Steuerrechtliche Deklarationspflichten</h2>
<p>Die steuerrechtlichen Deklarationspflichten hängen vom auf die jeweilige Steuerart anwendbaren Veranlagungssystem ab. Im gemischten Veranlagungssystem, das bei den harmonisierten Steuern des Bundes, der Kantone und Gemeinden (direkte Bundessteuer, Einkommens- und Vermögenssteuer bzw. Gewinn- und Kapitalsteuer der Kantone und Gemeinden) anwendbar ist, wirken die steuerpflichtige Person und die Steuerverwaltung bei der Feststellung der für eine vollständige und richtige Besteuerung massgebenden tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse zusammen, wobei die Steuerverwaltung gestützt auf die von ihr geprüfte Steuererklärung der steuerpflichtigen Person und des von ihr festgestellten Ergebnisses ihrer Untersuchung die Steuerfaktoren festsetzt.<a title="" href="#_ftn1" name="_ftnref1"><sup>01</sup></a> Die steuerpflichtige Person muss dabei alles tun, um eine vollständige und richtige Veranlagung zu ermöglichen. Sie muss insbesondere die Steuererklärung wahrheitsgemäss und vollständig ausfüllen, persönlich unterzeichnen und samt den vorgeschriebenen Beilagen fristgemäss der zuständigen Steuerbehörde einreichen.<a title="" href="#_ftn2" name="_ftnref2"><sup>02</sup></a></p>
<p>Bei den übrigen Steuern des Bundes gelangt das Selbstveranlagungs- (Verrechnungssteuer und Stempelabgaben) bzw. das modifizierte Selbstveranlagungssystem (Mehrwertsteuer) zur Anwendung, in welchem die steuerpflichtige Person die Steuerforderung selbst feststellen und den Betrag, der ihrer Ansicht geschuldeten Steuer, unter Beifügung einer Abrechnung fristgerecht einzahlen muss. Dabei obliegt der steuerpflichtigen Person die volle und alleinige Verantwortung für die richtige und vollständige steuerrechtliche Behandlung der Geschäftsvorfälle. Die Aufgabe der ESTV beschränkt sich auf die Kontrolle der Steuer unter dem Gesichtspunkt der Richtigkeit und Vollständigkeit.<a title="" href="#_ftn3" name="_ftnref3"><sup>03</sup></a></p>
<p>Sowohl im gemischten Veranlagungssystem als auch im reinen bzw. im modifizierten Veranlagungssystem stellen sich der deklarationspflichtigen Person eigentliche Rechtsfragen, die zu beantworten sind, um die erforderliche Steuerdeklaration vornehmen zu können.</p>
<h2>2. Vertretung der steuerpflichtigen Person im gemischten Veranlagungssystem</h2>
<p>Soweit ihre persönliche Mitwirkung nicht notwendig ist, kann sich die im gemischten Veranlagungssystem steuerpflichtige Person durch eine andere, handlungsfähige Person bei der Erfüllung ihrer Mitwirkungspflichten vertreten lassen.<a title="" href="#_ftn4" name="_ftnref4"><sup>04</sup></a> Diese kann sämtliche der steuerpflichtigen Person zustehenden Verfahrensrechte rechtswirksam wahrnehmen, also Akteneinsicht verlangen, Zustellungen entgegennehmen und Rechtsmittel einlegen.<a title="" href="#_ftn5" name="_ftnref5"><sup>05</sup></a> Beauftragt die steuerpflichtige Person einen Treuhänder mit der Ausfüllung seiner Steuererklärung, wird sie dadurch nicht von ihren steuerrechtlichen Pflichten und Verantwortlichkeiten entbunden, sondern es trifft sie eine Sorgfaltspflicht betreffend das Auswählen, die Instruktion und die Beaufsichtigung der Hilfsperson («cura in eligendo, instruendo et custodiendo»).<a title="" href="#_ftn6" name="_ftnref6"><sup>06</sup></a></p>
<p>Begeht der beauftragte Treuhänder Deklarationsfehler, die zu einem tatsächlichen oder drohenden Steuerausfall führen, werden die Deklarationsfehler der steuerpflichtigen Person zwar nicht unmittelbar zugerechnet;<a title="" href="#_ftn7" name="_ftnref7"><sup>07</sup></a> die steuerpflichtige Person wird jedoch wegen Steuerhinterziehung bestraft, wenn sie ihre Sorgfaltspflichten verletzt und in der Lage gewesen wäre, die Falschdeklaration zu korrigieren.<a title="" href="#_ftn8" name="_ftnref8"><sup>08</sup></a></p>
<h2>3. Unterstützung bei der Erfüllung der steuerrechtlichen Deklarationspflichten</h2>
<p>Wie erwähnt, erfordert die Erfüllung der steuerpflichtigen Deklarationspflichten sehr oft die Beantwortung von steuerrechtlichen Rechtsfragen und somit von steuerrechtlichen Kenntnissen, welche den steuerpflichtigen Personen oftmals abgehen. Eine verantwortungsvolle Person, welche ihr Kompetenzdefizit erkennt, holt sich daher Unterstützung bei einer Fachperson, um ihren gesetzlichen Verpflichtungen gerecht zu werden. Diese Unterstützung kann sich in der Vorbereitung der Steuererklärung anhand der von der steuerpflichtigen Person spontan oder auf Aufforderung zur Verfügung gestellten Unterlagen beschränken aber auch weit darüber hinausgehen, indem sie die Buchführung oder die Steuerplanung und -gestaltung zum Gegenstand hat.<a title="" href="#_ftn9" name="_ftnref9"><sup>09</sup></a></p>
<p>Diese Unterstützung ist insoweit unproblematisch, als sie sich in den Grenzen der Steuerrechtsordnung hält, also zur gesetzeskonformen Erfüllung der Deklarationspflichten führt. Problematisch wird es hingegen, wenn die beigezogene Person bewusst oder unbewusst Deklarationspflichten verletzt oder dazu beiträgt, der steuerpflichtigen Person missbräuchliche Gestaltungen empfiehlt oder ihr bei der Umsetzung missbräuchlicher Gestaltungen behilflich ist. Sofern dadurch Tatbestände des Steuerstrafrechts erfüllt werden, macht sich unter Umständen nicht nur die steuerpflichtige Person, sondern auch der beigezogene Treuhänder eines Steuerdelikts strafbar.</p>
<h2>4. Steuerstrafrechtssysteme</h2>
<p>Das Schweizer Steuerrecht kennt zwei nebeneinander bestehende, nicht aufeinander abgestimmte Steuerstrafrechtssysteme, nämlich das «System Steuerharmonisierung/Direkte Bundessteuer (StHG/DBG)», welches für die harmonisierten Steuern des Bundes, der Kantone und der Gemeinden gilt sowie das auf die übrigen Steuern des Bundes (Verrechnungssteuer, Stempelabgaben und Mehrwertsteuer) anwendbare «System Verwaltungsstrafrecht (VStrR)».<a title="" href="#_ftn10" name="_ftnref10"><sup>10</sup></a></p>
<p>Diese beiden Steuerstrafrechtssysteme unterscheiden sich unter anderem dadurch, dass im «System StHG/DBG» beim Grundtatbestand – der Steuerhinterziehung – nur die steuerpflichtige Person Täterin sein kann, die Steuerhinterziehung also ein Sonderdelikt ist, während im «System VStrR» jedermann Täter sein kann. Die Sonderdeliktseigenschaft des Steuerhinterziehungstatbestandes im «System StHG/DBG» führt zu Schwierigkeiten bei der Strafbarkeit von Treuhändern und anderen Steuervertretern, welche den steuerpflichtigen Personen helfen, unrechtmässig Steuern zu «sparen».<a title="" href="#_ftn11" name="_ftnref11"><sup>11</sup></a> Während im «System StHG/DBG» die juristische Person gebüsst wird, wenn mit Wirkung für eine juristische Person Steuerdelikte begangen werden,<a title="" href="#_ftn12" name="_ftnref12"><sup>12</sup></a> gilt im «System VStrR» das sog. Täterprinzip. Das besagt, dass bei Widerhandlungen beim Besorgen der Angelegenheiten einer juristischen Person die Strafbestimmungen auf diejenigen natürlichen Personen anwendbar sind, welche die Tat verübt haben.<a title="" href="#_ftn13" name="_ftnref13"><sup>13</sup></a> Im «System StHG/DBG» bleibt im Falle der Bestrafung der juristischen Person für mit Wirkung für sie begangene Steuerdelikte die Bestrafung der für sie handelnden Organe und Vertreter vorbehalten.<a title="" href="#_ftn14" name="_ftnref14"><sup>14</sup></a></p>
<h2>5. Mögliche Strafbarkeit von Steuerberatern</h2>
<p>Die steuerstrafrechtlichen Risiken der Steuerberater hängen einerseits von der Steuerart und deren Deklarationssystem und andererseits vom Umfang des konkreten Mandats des jeweiligen Steuerberaters ab.</p>
<p>Im System StHG/DBG, in welchem die Steuerhinterziehung ein echtes Sonderdelikt ist, also nur die steuerpflichtige natürliche oder juristische Person Täterin sein kann, kann der Steuerberater Anstifter, Gehilfe oder Vertreter, der eine Steuerhinterziehung bewirkt, sein.<a title="" href="#_ftn15" name="_ftnref15"><sup>15</sup></a> Die Busse beträgt CHF 10'000, in schweren Fällen oder bei Rückfall CHF 50'000. Ausserdem haftet der Teilnehmer solidarisch für die hinterzogene Steuer.<a title="" href="#_ftn16" name="_ftnref16"><sup>16</sup></a></p>
<p>Anstifter ist, wer jemanden zu der von ihm verübten Straftat bestimmt hat.<a title="" href="#_ftn17" name="_ftnref17"><sup>17</sup></a> Der Tatbeitrag des Anstifters besteht darin, im Täter wissentlich und willentlich den Tatentschluss für eine konkrete Straftat zu wecken. Der Anstifter muss dabei die steuerpflichtige Person zu einer vorsätzlichen Steuerhinterziehung veranlassen.<a title="" href="#_ftn18" name="_ftnref18"><sup>18</sup></a> Als Gehilfe zu bestrafen ist, wer zu einer vorsätzlichen Steuerhinterziehung vorsätzliche Hilfe leistet, also einen kausalen Beitrag leistet, der die Haupttat fördert, so dass sich diese ohne Mitwirkung des Gehilfen anders abgespielt hätte. Dabei ist nicht erforderlich, dass er ohne Hilfeleistung nicht zur Tat gekommen wäre. Der Tatbeitrag des Gehilfen muss also keine «conditio sine qua non» für den Taterfolg bilden, muss jedoch im Sinne einer Risikosteigerung die Erfolgschancen der Haupttat erhöhen.<a title="" href="#_ftn19" name="_ftnref19"><sup>19</sup></a></p>
<p>Zu den bekannten Teilnahmeformen des Kernstrafrechts – Anstiftung und Gehilfenschaft – kommt im Steuerstrafrecht des «Systems StHG/DBG» aufgrund der dogmatischen Fehlkonstruktion der Steuerhinterziehung als Sonderdelikt «ein neues Tierchen im Steuerzoo» hinzu, die sog. «Mitwirkung».<a title="" href="#_ftn20" name="_ftnref20"><sup>20</sup></a> Eine solche ist gegeben, wenn die steuerpflichtige Person und ihr Vertreter gemeinsam den Entschluss fassen, Steuern zu hinterziehen und diesen in die Tat umsetzen. Aufgrund der Sonderdeliktseigenschaft der Steuerhinterziehung kann der Vertreter nicht Mittäter sein, sondern nur «Mitwirkender». Die Rollen von Täter und Mitwirkendem sind nicht austauschbar, weil der Vertreter nicht an die Stelle der steuerpflichtigen Person treten kann und umgekehrt.<a title="" href="#_ftn21" name="_ftnref21"><sup>21</sup></a></p>
<p>Im «System VStR», also bei den übrigen Steuern des Bundes, gelten – neben der Täterschaft – die Teilnahmeformen des Kernstrafrechts, also Anstiftung und Gehilfenschaft.<a title="" href="#_ftn22" name="_ftnref22"><sup>22</sup></a> Im «System VStrR» ist die Steuerhinterziehung zwar kein Sonderdelikt; dafür gilt das sog, Täterprinzip, welches besagt, dass bei einer Widerhandlung beim Besorgen der Angelegenheiten einer juristischen Person die Strafbestimmungen auf diejenigen natürlichen Personen anwendbar sind, welche die Tat verübt haben.<a title="" href="#_ftn23" name="_ftnref23"><sup>23</sup></a> Da die Täterschaft im System VStrR nicht an die Steuerpflicht anknüpft, kommt als Täter auch in Frage, wer die Steuer nicht schuldet. Möglich ist auch die Mittäterschaft. Diese setzt voraus, dass die betreffende Person bei der Entschliessung, Planung oder Ausführung des Delikts vorsätzlich und in massgebender Weise mit anderen Tätern zusammenwirkt, so dass sie als Hauptbeteiligte dasteht.<a title="" href="#_ftn24" name="_ftnref24"><sup>24</sup></a></p>
<p>Bei der Verrechnungssteuer und den Stempelabgaben ist das schuldhafte Vorenthalten der Steuer als Hinterziehung strafbar. Vorenthalten der Steuer ist jedes Tun oder Unterlassen, mit welchen den im Gesetz normierten Pflichten zur rechtzeitigen und korrekten Ablieferung der Steuer zuwidergehandelt wird. Dem Wesen der Steuer als Selbstveranlagungssteuer entsprechend ist der objektive Tatbestand bereits erfüllt, wenn ohne Weiteres erkennbare steuerbare Leistungen erbracht werden, ohne dass die Steuer spontan deklariert und entrichtet würde.<a title="" href="#_ftn25" name="_ftnref25"><sup>25</sup></a></p>
<p>Täterin ist daher diejenige natürliche Person, welche zur Deklaration und Abrechnung der Selbstveranlagungssteuer verpflichtet ist, sei es als Organ der steuerpflichtigen juristischen Person, sei es als beauftragte Vertreterin des Organs. Anders als im «System StHG/DBG» kann daher auch ein Steuerberater Täter einer Hinterziehung sein, sofern er aufgrund des ihm erteilten Auftrages zur Deklaration und Abrechnung der Selbstveranlagungssteuer verpflichtet ist.</p>
<h2>6. Begrenzung der Strafbarkeit aufgrund «neutraler», berufstypischer Handlungen?</h2>
<p>Aufgrund der sehr weit gehenden Pönalisierung von Handlungen, welche die Haupttat eines anderen ermöglicht oder erleichtert, sind auch Verrichtungen, die zur üblichen Geschäfts- oder Berufstätigkeit dieser Person gehören, strafbar, wenn sie die Straftat eines anderen fördern. Diese Konsequenz geht jedoch nach verbreiteter Auffassung zu weit.<a title="" href="#_ftn26" name="_ftnref26"><sup>26</sup></a></p>
<p>Im Kernstrafrecht hat sich das Bundesgericht im sog. «Antilopenfleisch-Fall» eingehend mit der Abgrenzung der strafbaren Gehilfenschaft von straflosen Alltagshandlungen auseinandergesetzt ohne die Frage abschliessend zu klären.<a title="" href="#_ftn27" name="_ftnref27"><sup>27</sup></a> In diesem Entscheid hat das Bundesgericht die Verurteilung eines Verwaltungsrates sowie zweier leitender Mitarbeiter einer Aktiengesellschaft wegen Gehilfenschaft zum Betrug gestützt, welche von der Aktiengesellschaft eingeführtes afrikanisches Antilopenfleisch unter richtiger Bezeichnung an Abnehmer geliefert hat, im Wissen darum, dass diese Abnehmer das Fleisch nur betrügerisch, unter der falschen Bezeichnung als europäisches Wildfleisch weiterveräussern konnten. Das Bundesgericht hat eine straflose, neutrale Handlung verneint, wenn der Teilnehmer weiss, dass der Abnehmer die bezogene Ware praktisch nur illegal verwenden kann und die Lieferungen ohne die strafbaren Handlungen der Abnehmer sinnlos gewesen wären.<a title="" href="#_ftn28" name="_ftnref28"><sup>28</sup></a> Hinzu kam, dass sich die Teilnehmer nach Auffassung des Bundesgerichts durch das mehrmalige Liefern von Fleisch über einen längeren Zeitraum mit den Haupttätern solidarisiert hätten.<a title="" href="#_ftn29" name="_ftnref29"><sup>29</sup></a></p>
<p>Das Bundesgericht hat diese Rechtsprechung in einem Urteil vom 28. September 2003 bestätigt. In diesem Fall wurde dem Angeklagten vorgeworfen, er habe bei einer Firma eine elektronische Datenverarbeitung eingerichtet, die es dem Haupttäter Z. und dem Mitangeklagten Y. ermöglicht habe, die Anzahl betrügerisch erlangter Kundengelder administrativ besser zu bewältigen. Der Angeklagte habe diese Aufbau- und Betreuungsarbeiten im EDV-Bereich geleistet, obwohl er damit gerechnet habe, dass die akquirierten Kundengelder nicht vereinbarungsgemäss im Interesse der Kunden, sondern für persönliche Bedürfnisse des Haupttäters, die Ausstattung und den Betrieb der Firma sowie die dem Mitangeklagten Y. zu leistenden Provisionen verwenden würden.</p>
<p>Das Bundesgericht hat die Verurteilung des Angeklagten wegen Gehilfenschaft zum gewerbsmässigen Betrug geschützt und dabei die Frage offen gelassen, inwieweit sogenannte «neutrale» Handlungen bzw. «Alltagshandlungen» straflos sind, selbst wenn ihr Urheber bewusst zu einer Deliktsverwirklichung beiträgt bzw. diese in Kauf nimmt. Es hat dabei erwogen, dass auch «neutrale» Handlungen bzw. «Alltagshandlungen», welche eine Straftat fördern, strafbare Gehilfenschaft sein können, wobei es nicht genüge, dass derjenige, der die «neutrale» Handlung ausführe, zumindest in Kauf nehme, dass er dadurch eine Straftat fördere. Vielmehr müssten gewisse weitere Voraussetzungen erfüllt sein.<a title="" href="#_ftn30" name="_ftnref30"><sup>30</sup></a></p>
<p>Im Falle des EDV-Mitarbeiters war ausschlaggebend, dass die EDV einzig im Dienste des gewerbsmässigen Anlagebetrugs stand, somit der Tatbeitrag des Angeklagten einzig in Bezug auf die Haupttat sinnvoll war. Dadurch wies die Handlung des EDV-Mitarbeiters einen deliktischen Sinnbezug auf.<a title="" href="#_ftn31" name="_ftnref31"><sup>31</sup></a></p>
<p>Das Bundesgericht hat sich in seinen Entscheidungen wesentlich vom deutschen Strafrechtslehrer Claus Roxin beeinflussen lassen. Nach dessen Auffassung soll es nicht auf die objektive soziale Billigung der Alltagshandlung ankommen. Massgebend seien der konkrete Nutzen, den die Handlung für den Haupttäter habe, und das Wissen des Gehilfen um diese Verwendung. Diene eine an sich wertneutrale Handlung eines Helfers ausschliesslich den deliktischen Zwecken eines anderen, so sei sie als deliktisch anzusehen, wenn der Helfer um diese deliktischen Zwecke sicher wisse. Habe der Helfer hingegen nur Eventualwissen um die ausschliessliche deliktische Verwendung, so komme es darauf an, ob der Helfer die Tatgeneigtheit des Haupttäters erkannt habe. Sei dies zu bejahen, sei der Helfer als Gehilfe strafbar; sei dies zu verneinen, entfalle der Unrechtsgehalt des Tatbeitrags.<a title="" href="#_ftn32" name="_ftnref32"><sup>32</sup></a> Massgebend ist also die Sicht des Haupttäters.</p>
<p>Das Bundesgericht begrenzt die Strafbarkeit von berufstypischen Handlungen allein oder primär über den subjektiven Tatbestand, namentlich über das Wissen des Helfers. Dieser Ansatz ist in der Strafrechtsliteratur umstritten.<a title="" href="#_ftn33" name="_ftnref33"><sup>33</sup></a> Im Steuerstrafrecht hat sich das Bundesgericht in seiner spärlichen Rechtsprechung zur Gehilfenschaft und zur Anstiftung zur Steuerhinterziehung bisher noch nicht mit der Begrenzung der Strafbarkeit durch berufstypische Handlungen befasst. In der steuer(straf-)rechtlichen Literatur haben sich neben Stefan Fuchs<a title="" href="#_ftn34" name="_ftnref34"><sup>34</sup></a> auch noch René Matteotti/Gabriel Bourquin/Selina Many<a title="" href="#_ftn35" name="_ftnref35"><sup>35</sup></a> sowie Daniel Holenstein<a title="" href="#_ftn36" name="_ftnref36"><sup>36</sup></a> mit der Strafbarkeit von berufstypischen Handlungen im Steuerstrafrecht auseinandergesetzt. Dabei gelangte Stefan Fuchs in seiner eingehenden Analyse zum Ergebnis, dass eine strafbare Gehilfenschaft eines Steuerberaters nur vorliege, falls er eine gesetzliche Sorgfalts- oder Garantenpflicht habe oder auf andere Weise rechtswidrig handle. Falls nein, liege eine berufstypische Steuerberatungstätigkeit vor und es seien die nachfolgenden drei Fragen zu prüfen:</p>
<ol>
<li>Weiss der Steuerberater, dass sein Beitrag für eine Steuerhinterziehung missbraucht wird? (Wissens- und Gefährdungskriterium)</li>
<li>Weist der Tatbeitrag erkennbar einen eindeutigen «deliktischen» Sinnbezug auf, d.h. erscheint er nur im Zusammenhang mit dem deliktischen Zweck sinnvoll? (Zielkriterium bzw. Kriterium des deliktischen Sinnbezugs)</li>
<li>Handelt der Steuerberater mit Eventualvorsatz? (objektiviertes Willenskriterium)<a title="" href="#_ftn37" name="_ftnref37"><sup>37</sup></a></li>
</ol>
<p>Das Bundesgericht hat in einem kürzlich gefällten Urteil angedeutet, ohne sich explizit auf strafrechtlich neutrale Handlungen zu berufen, dass das Aufzeigen von Steuerrisiken und von legalen Möglichkeiten, diese zu begrenzen, straflos ist.<a title="" href="#_ftn38" name="_ftnref38"><sup>38</sup></a> Hingegen hat es in einem anderen Entscheid einen Treuhänder wegen Beihilfe zur Hinterziehung seiner Kunden verurteilt, der als für das Rechnungswesen einer Aktiengesellschaft verantwortlicher Verwaltungsrat und Steuerberaters der Aktionäre private Aufwendungen der Aktionäre und andere geschäftsmässig nicht begründete Aufwendungen verbuchen lies.<a title="" href="#_ftn39" name="_ftnref39"><sup>39</sup></a></p>
<h2>7. Steuerstrafrechtlich riskante Konstellationen für Steuerberater</h2>
<p>Die steuerstrafrechtlichen Risiken eines Steuerberaters hängen in erster Linie vom auf die betreffende Steuerart anwendbaren Veranlagungssystem sowie dem damit zusammenhängenden Steuerstrafrechtssystem zusammen. Im auf die Selbstveranlagungssteuern des Bundes anwendbaren «System VStrR» kann (auch) ein Steuerberater (Mit-)Täter eines Steuerdeliktes sein, sofern er Organ einer steuerpflichtigen Gesellschaft oder aufgrund eines ihm erteilten Auftrags zur Erfüllung der gesetzlichen Deklarations- und Abrechnungspflicht verpflichtet ist.</p>
<p>Im «System StHG/DBG» kann ein Steuerberater nicht Täter einer Steuerhinterziehung sein, sich jedoch als Organ einer steuerpflichtigen juristischen Person oder als Steuerberater/Vertreter von steuerpflichtigen Personen der Teilnahme strafbar machen.</p>
<p>Steuerstrafrechtlich neutral sind berufstypische (legale) Handlungen, wie das Aufzeigen von Steuerrisiken und von legalen Möglichkeiten zur Vermeidung oder Begrenzung dieser Steuerrisiken. Überschreitet jedoch die Unterstützung der steuerpflichtigen Person durch den Steuerberater den legalen Rahmen, kann dies zu einer Verurteilung des Steuerberaters als Täter («System VStrR») oder als Teilnehmer führen. Riskant sind dabei die folgenden Konstellationen:</p>
<ul>
<li>Empfehlung von Offshore-Strukturen zur Steuervermeidung;<a title="" href="#_ftn40" name="_ftnref40"><sup>40</sup></a></li>
<li>Ansiedelung einer Briefkastenfirma in einem Niedrigsteuerkanton, wenn erkennbar ist, dass diese tatsächlich in einem anderen Kanton geleitet wird;</li>
<li>Vorbereitung einer Steuererklärung im Bewusstsein, dass diese unvollständig ist;</li>
<li>Verbuchung von privaten Aufwendungen und anderer geschäftsmässig nicht begründeten Aufwendungen;</li>
<li>Organstellung in einer Gesellschaft, welche Selbstveranlagungssteuern nicht deklariert.</li>
</ul>
<p>Durch die Abwicklung von Geschäften über Offshore-Strukturen unterbleibt die Besteuerung am Ort der tatsächlichen Leitung oder die Steuerfaktoren werden nicht der wirtschaftlich berechtigten, sondern einer vorgeschobenen Person zugerechnet. Das hat zur Folge, dass eine Veranlagung der direkten Steuern entweder unterbleibt oder unvollständig ist. Dasselbe gilt für die Ansiedlung einer Briefkastenfirma in einem Niedrigsteuerkanton, deren tatsächliche Leitung in einem anderen Kanton liegt.<a title="" href="#_ftn41" name="_ftnref41"><sup>41</sup></a></p>
<p>Die Vorbereitung einer Steuererklärung aufgrund der Angaben der steuerpflichtigen Person gehört zwar grundsätzlich zu den berufstypischen Handlungen eines Steuerberaters. Weiss dieser jedoch, dass die von ihm vorbereitete Steuererklärung unvollständig ist oder hält er es zumindest für möglich, fördert er die Steuerhinterziehung der steuerpflichtigen Person. Da sich der Nutzen des Tatbeitrages aus Sicht des Haupttäters, des Steuerpflichtigen, beurteilt, weist die unvollständige Steuererklärung einen deliktischen Sinnbezug auf.<a title="" href="#_ftn42" name="_ftnref42"><sup>42</sup></a></p>
<p>Besonders gefährlich ist die Verbuchung von privaten Aufwendungen und anderer geschäftsmässig nicht begründeter Aufwendungen als Geschäftsaufwand. Sofern derartige geldwerten Leistungen nicht abgerechnet (Verrechnungssteuer und Mehrwertsteuer) oder in den Steuererklärungen der leistenden juristischen Person bzw. der Empfänger der geldwerten Leistungen nicht offengelegt werden, sind nicht nur die Hinterziehungstatbestände verschiedener Steuerarten, sondern auch der Tatbestand des Steuerbetrugs und der Urkundenfälschung erfüllt.<a title="" href="#_ftn43" name="_ftnref43"><sup>43</sup></a></p>
<p>Da im System der Selbstveranlagungssteuer diejenige Person Täterin ist, welche die Deklarationspflicht pflichtwidrig nicht erfüllt hat, bergen die Organstellung einer juristischen Person Strafbarkeitsrisiken. Dasselbe gilt, wenn zum Auftrag des Steuerberaters auch die Erfüllung der Deklarationspflichten der Verrechnungssteuer, der Stempelabgaben und der Mehrwertsteuer gehören.</p></article>
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