<article class="rz"><h2>1. Einleitung</h2>
<p>«Aber es kommt noch ein anderes unpassendes Gleichniss. Ihr sagt: Ein Steuermann fehle gleich sehr, mag er ein Schiff mit Spreu oder ein Schiff mit Gold umschlagen lassen; ebenso, fehlt auch Derjenige gleich, welcher seinen Vater und seinen Sclaven widerrechtlich schlägt. Aber seht Ihr nicht, dass es die Kunst des Steuermanns nichts angeht, welche Art von Gütern er geladen hat. – Deshalb hat es auf das gute oder schlechte Steuern keinen Einfluss, ob das Schiff mit Spreu oder mit Gold beladen ist; aber den Unterschied zwischen dem Verwandten und dem Sclaven kann man kennen und soll ihn kennen. Deshalb kommt bei dem Steuern nichts, bei den Pflichten aber viel darauf an, in welcher Art gefehlt wird. Und selbst bei dem Steuermann ist der Fehler, wenn das Schiff durch seine Nachlässigkeit untergegangen ist, grösser, wenn es Gold als wenn es Spreu geladen hatte; denn bei jedem Geschäft verlangt man die Anwendung der gewöhnlichen Klugheit und Vorsicht; Alle, welche ein Geschäft betreiben, müssen sie haben, und deshalb können selbst in diesem Sinne die Fehler nicht als gleich gelten.»<a title="" href="#_ftn1" name="_ftnref1"><sup>01</sup></a></p>
<p>Der vorliegende Artikel knüpft nicht an die Schuld des Steuermanns, sondern des Steuerpflichtigen an. Auf die von Cicero aufgeworfene philosophische Frage, ob alle Fehler einander gleich sind, wird hier nicht näher eingegangen. Fest steht jedoch, dass das schweizerische Steuerstrafrecht für gleiche Taten ggf. unterschiedliche Strafen anordnen kann. Dies ist auf gesetzlich verankerte Strafmilderungsgründe zurückzuführen, welche dafür sorgen, dass persönliche Umstände und Einzelfälle berücksichtigt werden können. Ziel dieses Beitrags ist es daher, eine Übersicht über die Strafmilderungsgründe im Nachsteuerverfahren zu verschaffen sowie aktuelle Praxisentwicklungen vor allem im Kanton Zürich aufzuzeigen.</p>
<h2>2. Abgrenzung von Strafminderung und Strafmilderung</h2>
<h3>2.1 Strafzumessung</h3>
<p>Zunächst herrscht in der Literatur Einigkeit darüber, dass auch im Steuerstrafrecht für die Bemessung von Strafen im Nachsteuer- und Bussenverfahren die Art. 47 ff. StGB heranzuziehen sind. So hält etwa Locher fest, dass auch Bussen wegen Ungehorsamsdelikten, wie bspw. die Steuerhinterziehung nach Art. 175 DBG, heute als echte Strafen gelten, weshalb die Ausblendung von Art. 47 StGB im Steuerstrafrecht nicht zu überzeugen vermag.<a title="" href="#_ftn2" name="_ftnref2"><sup>02</sup></a> Art. 47 StGB regelt die Festsetzung der Strafe innerhalb des von den einzelnen Bestimmungen vorgesehenen (ordentlichen) Strafrahmens.<a title="" href="#_ftn3" name="_ftnref3"><sup>03</sup></a> Nehmen wir als Beispiel die Hinterziehungsbusse gemäss Art. 175 Abs. 2 DBG bzw. Art. 56 Abs. 1 StHG. Der Strafrahmen sieht eine Busse in Höhe von einem Drittel bis zum Dreifachen des hinterzogenen Steuerbetrages vor,<a title="" href="#_ftn4" name="_ftnref4"><sup>04</sup></a> wobei die Busse «in der Regel» dem Einfachen der hinterzogenen Steuer (sog. Regelstrafmass) entspricht.<a title="" href="#_ftn5" name="_ftnref5"><sup>05</sup></a> Je nach Verschulden, Vorleben und persönlichen Verhältnissen der steuerpflichtigen Person, kann das Regelstrafmass jedoch gegen unten oder oben bis zur Höchst- bzw. Mindestgrenze angepasst werden. Um den Strafrahmen bei der Bemessung der Strafe verlassen zu können, müssen Strafmilderungsgründe nach Art. 48 StGB vorliegen.</p>
<h3>2.2 Begriff der Strafminderung</h3>
<p>Die Strafminderung bildet das Pendant zur Straferhöhung. Innerhalb des gesetzlich vorgegebenen Strafrahmens können Bussen durch eine Strafminderung oder -erhöhung tiefer bzw. höher als das gesetzliche Regelstrafmass angesetzt werden.<sup><a title="" href="#_ftn6" name="_ftnref6">06</a></sup> Die Unter- bzw. Obergrenzen des jeweiligen Strafrahmens dürfen dabei grundsätzlich nicht unter- bzw. überschritten werden. Wie oben besprochen beträgt der gesetzliche Strafrahmen für Steuerhinterziehungsbussen gemäss Art. 175 Abs. 2 DBG bzw. Art 56 Abs. 1 StHG zwischen einem Drittel und dem Dreifachen des hinterzogenen Steuerbetrages. Das Regelstrafmass beläuft sich dabei auf das Einfache der hinterzogenen Steuer. Bei Bussen, die einen Drittel bis zum Einfachen des hinterzogenen Steuerbetrages betragen, liegt somit eine Strafminderung vor. Strafen zwischen dem Regelstrafmass und der Höchstgrenze von bis zu dreifacher Höhe der hinterzogenen Steuer stellen dagegen eine Straferhöhung dar.</p>
<h3>2.3 Begriff der Strafmilderung</h3>
<p>Während Strafminderungen die Strafzumessung nur innerhalb des gesetzlich vorgesehenen Strafrahmens beeinflussen können, kann die Strafmilderung eine Unterschreitung des gesetzlich vorgegebenen Strafrahmens bewirken.<a title="" href="#_ftn7" name="_ftnref7"><sup>07</sup></a> Das Pendant hierzu bildet die Strafschärfung, wodurch Strafzumessungen auch weitaus höher ausfallen können als gesetzlich vorgesehen. Im soeben erwähnten Beispiel der Steuerhinterziehungsbusse spricht man von einer Strafmilderung, wenn eine Busse tiefer als die Untergrenze von einem Drittel des hinterzogenen Steuerbetrages angesetzt wird.</p>
<h3>2.4 Terminologische Unschärfe des Steuerstrafrechts</h3>
<p>Diese grundsätzliche Definition ist in dreierlei Hinsicht zu relativieren:</p>
<p>Erstens wird im Steuerstrafrecht häufig von Strafmilderung gesprochen, obwohl der gesetzlich vorgegebene Strafrahmen nicht unter- oder überschritten wird. Damit erfasst der Begriff «Strafmilderung» jegliche Abweichung vom gesetzlichen Regelstrafmass.<a title="" href="#_ftn8" name="_ftnref8"><sup>08</sup></a></p>
<p>Zweitens wird im Schrifttum gelegentlich statt «Strafmilderung» die Bezeichnung «Verschuldensminderung» verwendet.<a title="" href="#_ftn9" name="_ftnref9"><sup>09</sup></a> Dies lässt sich vermutlich auf den oben erklärten Umstand zurückführen, dass die Begriffe Strafminderung und -milderung oftmals fälschlicherweise, als Synonyme verwendet werden. Die Strafzumessung nach Art. 47 StGB sieht bereits eine verschuldensbasierte Allokation der Strafe innerhalb des gesetzlich vorgegebenen Rahmens vor.<a title="" href="#_ftn10" name="_ftnref10"><sup>10</sup></a> Auf Grund des Doppelverwertungsverbotes ist es grundsätzlich untersagt, dass die gleichen Umstände, die im Rahmen der Strafzumessung nach Art. 47 StGB strafmindernd berücksichtigt worden sind, gleichzeitig eine Strafmilderung nach Art. 48 StGB herbeiführen können.<a title="" href="#_ftn11" name="_ftnref11"><sup>11</sup></a> Dies führt direkt über zum dritten Punkt dieser Auflistung.</p>
<p>Die Strafmilderungsgründe nach Art. 48 StGB werden auch im Rahmen von Art. 47 StGB bereits mitberücksichtigt.<a title="" href="#_ftn12" name="_ftnref12"><sup>12</sup></a> Somit ist es teilweise schwierig abzugrenzen, welche Umstände strafmindernd und welche strafmildernd berücksichtigt werden.</p>
<h3>2.5 Doppelverwertungsverbot</h3>
<p>In diesem Kontext ist auf das Doppelverwertungsverbot weiter auszuführen. Insbesondere vor Gericht versuchen Steuerpflichtige oftmals das Argument des Doppelverwertungsverbots geltend zu machen.<a title="" href="#_ftn13" name="_ftnref13"><sup>13</sup></a> Im Schweizer Recht ist das Doppelverwertungsverbot zwar nicht gesetzlich geregelt,<a title="" href="#_ftn14" name="_ftnref14"><sup>14</sup></a> das Bundesgericht definiert das Doppelverwertungsverbot jedoch wie folgt:</p>
<blockquote>
<p>«Bei der Strafzumessung innerhalb des gesetzlichen Strafrahmens gilt nach allgemeinen strafrechtlichen Grundsätzen an sich das Doppelverwertungsverbot, wonach Umstände, die zur Anwendung eines tieferen oder höheren Strafrahmens führen, innerhalb des geänderten Strafrahmens nicht noch einmal als Strafminderungs- oder Straferhöhungsgrund berücksichtigt werden dürfen, weil dem Täter sonst der gleiche Umstand zweimal zugute gehalten oder zu Last gelegt würde».<a title="" href="#_ftn15" name="_ftnref15"><sup>15</sup></a></p>
</blockquote>
<h2>3. Analoge Anwendbarkeit von Art. 47 und 48 StGB im Steuerstrafrecht</h2>
<p>Nach ständiger bundesgerichtlicher Rechtsprechung muss die genaue Höhe der Busse unter Berücksichtigung der Bestimmungen des Allgemeinen Teils des schweizerischen Strafgesetzbuches (StGB) festgelegt werden, die im Steuerstrafrecht Anwendung finden sollen, sofern das DBG keine entsprechenden Bestimmungen enthält (vgl. Art. 333 Abs. 1 StGB). Die Anwendbarkeit des Allgemeinen Teils des StGB auf die Tatbestände des DBG ergibt sich, wie soeben erwähnt, aus Art. 333 Abs. 1 StGB. Für die Tatbestände des kantonalen Steuerstrafrechts ist der Allgemeine Teil des StGB nicht von Bundesrechts wegen anwendbar. Die Lehre befürwortet trotzdem aus horizontalen und vertikalen Harmonisierungsgedanken eine Anwendung des Allgemeinen Teils des StGB auf die die Tatbestände des kantonalen Steuerstrafrechts.<a title="" href="#_ftn16" name="_ftnref16"><sup>16</sup></a></p>
<p>Gemäss Art. 106 Abs. 3 StGB muss die Busse unter Berücksichtigung der persönlichen Verhältnisse des Täters festgesetzt werden, damit die Strafe dem begangenen Verschulden entspricht. Es gelten die Grundsätze für die Strafzumessung nach Art. 47 StGB. Diese werden im Steuerstrafrecht analog angewandt, wobei die wichtigsten zu berücksichtigenden Elemente die Höhe der hinterzogenen Steuer, die Vorgehensweise, die Beweggründe sowie die persönlichen und wirtschaftlichen Umstände des Täters sind. Die Strafmilderungsgründe von Art. 48 StGB sind ebenfalls analog anwendbar.<a title="" href="#_ftn17" name="_ftnref17"><sup>17</sup></a> Dem Erfahrungswert der Autorenschaft folgend ist es jedoch im Steuerstrafrecht schwierig strafmildernde Umstände geltend zu machen, da der Wortlaut von Art. 48 StGB nur sehr bedingt auf steuerstrafrechtliche Sachverhalte übertragen werden kann.</p>
<blockquote>
<p>Art. 48 StGB lautet:<br />Das Gericht mildert die Strafe, wenn:<br />a. der Täter gehandelt hat:<br />1. aus achtenswerten Beweggründen,<br />2. in schwerer Bedrängnis,<br />3. unter dem Eindruck einer schweren Drohung,<br />4. auf Veranlassung einer Person, der er Gehorsam schuldet oder von der er abhängig ist;<br /><br />b. der Täter durch das Verhalten der verletzten Person ernsthaft in Versuchung geführt worden ist;<br /><br />c. der Täter in einer nach den Umständen entschuldbaren heftigen Gemütsbewegung oder unter grosser seelischer Belastung gehandelt hat;<br /><br />d. der Täter aufrichtige Reue betätigt, namentlich den Schaden, soweit es ihm zuzumuten war, ersetzt hat;<br /><br />e. das Strafbedürfnis in Anbetracht der seit der Tat verstrichenen Zeit deutlich vermindert ist und der Täter sich in dieser Zeit wohl verhalten hat.</p>
</blockquote>
<p>Gemäss Art. 48a StGB kann der gesetzliche Strafrahmen nur bei Vorliegen einer dieser Strafminderungsgründe unterschritten werden. Wie bereits dem Wortlaut des Gesetzestexts zu entnehmen ist, haben im Steuerrecht einige der in Art. 48 StGB enthaltenen Strafminderungsgründe deshalb keine praktische Tragweite.<a title="" href="#_ftn18" name="_ftnref18"><sup>18</sup></a> Dies hat einzelne Kantone dazu bewegt, in ihre Verwaltungsanweisungen eine andere, leicht angepasste Auflistung von «Strafmilderungsgründen» aufzunehmen. Dies ist zum Beispiel im Kanton Luzern der Fall, wo eine sehr detaillierte Abstufung der vorgesehenen Strafmilderungsgründe vorhanden ist. Es ist an dieser Stelle darauf hinzuweisen, dass vorliegend nicht zwischen Strafminderung und Strafmilderung unterschieden wird. Je nach Strafzumessung führen einige dieser Strafmilderungsgründe nur zu einer Strafminderung, da die Untergrenze eines gesetzlichen Strafrahmens bspw. bei einer 50%-igen Reduktion der Strafe nicht zwingend unterschritten werden muss.</p>
<p>Das Steuerbuch des Kantons Luzern<a title="" href="#_ftn19" name="_ftnref19"><sup>19</sup></a> sieht folgende Abstufung zur Strafminderung und-milderung vor:</p>
<p><img src="https://images.ctfassets.net/bgpaxzxi3eyz/CYBGpeLEyT5JMrEYqZFbW/bbae083eb68c65d61d885cbb1e276047/2025_GrafikA9-2.png" alt="Tabelle der Strafmilderungsgründe mit jeweiliger prozentualer Angabe zum Umfang der Reduktion" width="900" height="363" /></p>
<p>Diese Darstellung ist insofern unbefriedigend bzw. missverständlich, als die Unterscheidung zwischen Strafminderung und Strafmilderung ausgeklammert wird. Eine kumulative Anwendung verschiedener Strafmilderungsgründe kann dazu führen, dass die Strafe tiefer als die Untergrenze von einem Drittel der hinterzogenen Steuer angesetzt wird. Dafür sollte aber zwingend die Vorschrift von Art. 48 StGB eingehalten werden. Die im Steuerbuch des Kantons Luzern enthaltene Vermengung von Strafzumessungs- mit Strafmilderungsgründen erweist sich unseres Erachtens als höchst problematisch.</p>
<h2>4. Umriss wichtiger Strafmilderungsgründe</h2>
<p>Wie oben bereits erläutert wurde, sind im Steuerstrafrecht nicht alle Strafmilderungsgründe von praktischer Bedeutung. Es folgen daher Erläuterungen zu ein paar wenigen, ausgesuchten Strafmilderungsgründen nach Art. 48 StGB, welche in der Steuerrechtspraxis unseres Erachtens tatsächlich analoge Anwendung finden können. Auf Ausführungen zu den übrigen Bestimmungen in Art. 48 StGB wird im Rahmen dieses Aufsatzes bewusst verzichtet.</p>
<h3>4.1 Handeln in schwerer Bedrängnis (Art. 48 lit. a Ziff. 2 StGB)</h3>
<p>Art. 48 lit. a Ziff. 2 StGB steht in einem gewissen Spannungsfeld zum Steuererlassverfahren. Der Kerninhalt dieser Bestimmung (Handeln in schwerer Bedrängnis) gilt zugleich auch als Grundvoraussetzung des Steuererlassverfahrens. Dadurch ergeben sich einige Abgrenzungsschwierigkeiten.<a title="" href="#_ftn20" name="_ftnref20"><sup>20</sup></a></p>
<p>In einem (inzwischen etwas älteren aber aus unserer Sicht wichtigen) Bundesgerichtsurteil vom 21. März 1969 entschied das Bundesgericht: «Der Beschwerdeführer verlangt eine Herabsetzung der Bussen auch deshalb, weil er durch das Zusammentreffen eidgenössischer und kantonaler Nach- und Strafsteuern ungebührlich belastet werde. In den Richtlinien der eidg. Steuerverwaltung ist festgehalten, dass eine Herabsetzung unter Umständen auch dann zu empfehlen sei, wenn sich die Kumulation eidgenössischer, kantonaler und kommunaler Steuerstrafen als ‘stossende Härte’ auswirken müsste (Archiv Bd. 26 S. 425). Indessen handelt es sich hierbei mehr um eine Vorwegnahme des Erlassverfahrens als um einen Strafmilderungsgrund, wie die eidg. Steuerverwaltung in ihrer Vernehmlassung zur Beschwerde zutreffend bemerkt. Ob die Bezahlung von Nachsteuern und Bussen für den Steuerpflichtigen eine untragbare Härte bedeuten würde, kann in der Regel erst im Stadium des Bezuges, auf Grund der dann bestehenden Verhältnisse, zuverlässig festgestellt werden. In den Art. 124 und 125 WStB, die im achten Abschnitt mit dem Titel ‘Steuerbezug’ stehen, ist denn auch vorgesehen, dass Erlassgesuche im Bezugsstadium, in einem besonderen Verfahren und von einer eigens dafür eingesetzten Behörde, beurteilt werden. Auf jeden Fall können Schwierigkeiten, in die der Steuerpflichtige durch die Bezahlung von Nachsteuern und Bussen geraten könnte, dann nicht schon beim Entscheid über die Festsetzung der Nachsteuern und Bussen berücksichtigt werden, wenn im Zeitpunkt dieses Entscheides die Verhältnisse, die für die Beurteilung eines Erlassgesuches von Bedeutung wären, nicht genügend bekannt sind. So verhält es sich hier. Der Gesamtbetrag der eidgenössischen, kantonalen und kommunalen Nachsteuern und Bussen, welche der Beschwerdeführer zu gleicher Zeit zu entrichten haben wird, ist unbekannt, und es besteht auch keine Gewissheit über die Höhe seines derzeitigen Vermögens und Einkommens. Der Beschwerdeführer ist für den Fall, dass die Kumulation von Nachsteuern und Bussen für ihn angesichts seiner heutigen Verhältnisse eine grosse Härte bewirken sollte, auf den Weg des Erlassgesuches zu verweisen.»<a title="" href="#_ftn21" name="_ftnref21"><sup>21</sup></a></p>
<p>Damit statuiert das Bundesgericht eine klare Subsidiarität von Art. 48 lit. a Ziff. 2 StGB gegenüber dem Steuererlassverfahren.</p>
<h3>4.2 Handeln auf Veranlassung einer Person, welcher der Täter Gehorsam schuldet oder von der er abhängig ist (Art. 48 lit. a Ziff. 4 StGB)</h3>
<p>In der strafrechtlichen Literatur wird als Beispiel für ein Abhängigkeitsverhältnis das Konkubinat angegeben.<a title="" href="#_ftn22" name="_ftnref22"><sup>22</sup></a> Das Baselbieter Steuerbuch erwähnt strafmindernde Fälle, in denen steuerpflichtige Personen vom (gewalttätigen) Partner dazu genötigt werden, an vollendenten Steuerhinterziehungsdelikten mitzuwirken.<a title="" href="#_ftn23" name="_ftnref23"><sup>23</sup></a> Allerdings wird hier das Abhängigkeitsverhältnis im Rahmen der Strafzumessung und dem Verschulden nach Art. 47 StGB berücksichtigt, was wiederum zu einer Strafminderung innerhalb des gesetzlichen Strafrahmens führen würde und somit nicht einer Strafmilderung entspricht. Donatsch/Frei zitieren hierzu exemplarisch eine «von ihrem Gatten völlig abhängigen Ehefrau», und äussern die Meinung, dass im Falle eines erheblichen Abhängigkeitsverhältnisses die Möglichkeit bestehen muss, diese Tatsache effektiv schuldmildernd anstatt -mindernd zu berücksichtigen.<a title="" href="#_ftn24" name="_ftnref24"><sup>24</sup></a> Unseres Erachtens sollte Art. 48 lit. a Ziff. 4 StGB nur beschränkt oder in seltenen Fallkonstellationen im Steuerstrafrecht Anwendung finden, da für Ehegatten ohnehin die Sonderbestimmungen nach Art. 180 DBG bzw. Art. 57 Abs. 4 StHG gelten.</p>
<h3>4.3 Fällen in denen der Täter aufrichtige Reue betätigt, namentlich den Schaden, soweit es ihm zuzumuten war, ersetzt hat (Art.48 lit. d StGB)</h3>
<p>Hierunter fallen alle Bemühungen des Steuerpflichtigen, das geschehene Unrecht wieder gutzumachen.<a title="" href="#_ftn25" name="_ftnref25"><sup>25</sup></a> Fraglich ist, ob Kooperationsbemühungen der Steuerpflichtigen im Nachsteuerverfahren sowie eine umgehende Begleichung einer Steuerbusse oder Geldstrafe als Akte der aufrichtigen Reue gewertet werden können. Eine wichtige Voraussetzung für die Strafmilderung nach Art. 48 lit. d StGB ist, dass die Bemühungen der fehlbaren Person freiwillig erfolgen.<a title="" href="#_ftn26" name="_ftnref26"><sup>26</sup></a> Da Steuerpflichtige auch im Nachsteuerverfahren einer Mitwirkungspflicht unterstehen, kann unseres Erachtens nicht von freiwilligen Bemühungen ausgegangen werden.<a title="" href="#_ftn27" name="_ftnref27"><sup>27</sup></a></p>
<p>Demgegenüber wird die (straflose) Selbstanzeige als ein besonderer Strafmilderungsgrund angesehen und wird wiederum aus der «aufrichtigen Reue» hergeleitet.<a title="" href="#_ftn28" name="_ftnref28"><sup>28</sup></a> In der Lehre wird jedoch kontrovers diskutiert, ob die Selbstanzeige tatsächlich ein Ausdruck von Reue darstellt.<a title="" href="#_ftn29" name="_ftnref29"><sup>29</sup></a> Donatsch/Frei zeigen unseres Erachtens überzeugend auf, dass das Vorliegen von tatsächlicher Reue nicht vorausgesetzt wird, um einen gänzlichen Erlass der Strafe erwirken zu können. Es muss lediglich eine gültige Selbstanzeige vorliegen (es gelten die üblichen Voraussetzungen), jedoch ohne dass diese zwingend einen Ausdruck der Reue darstellen muss.<a title="" href="#_ftn30" name="_ftnref30"><sup>30</sup></a></p>
<p>Bei der wiederholten (strafbaren) Selbstanzeige wird die Busse nach demselben Prinzip gemildert, jedoch nur noch auf einen Fünftel des hinterzogenen Steuerbetrages ermässigt. Die Voraussetzungen sind ansonsten grundsätzlich dieselben wie diejenigen, die für die straflose Selbstanzeige gelten.<a title="" href="#_ftn31" name="_ftnref31"><sup>31</sup></a></p>
<h3>4.4 Fälle in denen das Strafbedürfnis in Anbetracht der seit der Tat verstrichenen Zeit deutlich vermindert ist und der Täter sich in dieser Zeit wohl verhalten hat (Art. 48 lit. e StGB)</h3>
<p>Besonders lange Verfahrensdauern können ebenfalls dazu führen, dass die Strafzumessung gemildert wird. Erfahrungswerte der Autorenschaft zeigen, dass einige Kantone (wie bspw. der Kanton Zürich) bei ungewöhnlich langen Verfahrensdauern Bussenverfahren sogar gänzlich einstellen können. Auch das Bundesgericht hat bereits Reduktionen um je 10% bzw. kumuliert 20% bei Busse im Nachsteuerverfahren gestützt (lediglich unter dem Gesichtspunkt der Ermessensüberschreitung bzw. des -missbrauchs der Vorinstanz).<a title="" href="#_ftn32" name="_ftnref32"><sup>32</sup></a> Begründet wird dieser Strafmilderungsgrund mit einem über die Zeit stetig geringer werdenden Strafbedürfnis. In der Regel kommt dieser Strafmilderungsgrund ab einer verstrichenen Zeitspanne von zwei Dritteln der Verjährungsfrist zur Anwendung.<a title="" href="#_ftn33" name="_ftnref33"><sup>33</sup></a></p>
<h3>4.5 Besonders leichte Fälle</h3>
<p>Grundsätzlich muss der Schweregrad einer Tat in jedem Fall einzeln und den individuellen Umständen entsprechend entschieden werden. Entsprechend gibt es in den Kantonen unterschiedliche Praxen zum Umgang mit besonders leichten Fällen. Wie im Folgenden aufgezeigt wird, können in der Praxis auch leichte Fälle eine Strafmilderung rechtfertigen, obwohl dies nicht explizit in Art. 48 StGB aufgeführt wird.<a title="" href="#_ftn34" name="_ftnref34"><sup>34</sup></a></p>
<p>Im Kanton Luzern sieht § 211 Abs. 5 StG LU eine besondere Strafmilderung vor: «In besonders leichten Fällen kann von der Erhebung einer Busse abgesehen werden». Besonders leichte Fälle werden dabei wie folgt definiert: «Ein besonders leichter Fall liegt vor, wenn ein besonders leichtes Verschulden nachgewiesen wird (z.B. sehr leichte Fahrlässigkeit) oder wenn die Busse CHF 1'200 (bei Versuch CHF 750) nicht übersteigt. In besonderen Fällen, z.B. bei schwerem Verschulden oder Wiederholung, kann aber auch eine kleine Busse ausgesprochen werden. Massgebend für die Errechnung dieser Beträge ist jeweils die ganze Nachsteuerperiode, also die gesamte hinterzogene Steuer. Wenn auf eine Busse nach Luzerner Steuerrecht aus einem der genannten Gründe verzichtet wird, wird in der Regel auch keine Busse nach DBG verhängt. Daneben kann auf die Aussprechung der Nachsteuer und der Busse nach DBG dann verzichtet werden, wenn die Busse nach Luzerner Steuerrecht CHF 1'200 (bei Versuch CHF 750) zwar übersteigt und demnach auch angeordnet wird, Nachsteuer und Busse nach DBG zusammen aber den Betrag von CHF 100 nicht übersteigen.»<a title="" href="#_ftn35" name="_ftnref35"><sup>35</sup></a></p>
<p>Anders als im Kanton Luzern regelt beispielsweise der Kanton Basel-Landschaft den besonders leichten Fall nicht explizit. Im Baselbieter Steuerbuch wird erläutert:</p>
<p>«Dies hat zur Konsequenz, dass bei Vorliegen eines massgeblichen Verschuldens der vorgesehene Strafrahmen einzuhalten und zumindest eine Steuerbusse von einem Drittel der hinterzogenen Steuer auszusprechen ist (§ 151 Abs. 3 StG; a. A. Andreas Donatsch/Mirjam Frei, Allgemeine Strafmilderungs- und Strafbefreiungsgründe im Steuerstrafrecht, SteuerRevue Nr. 1/2010, S. 19, wonach auch eine Strafmilderung über den Drittel der hinterzogenen Steuer hinaus möglich sein sollte). Ist das Verschulden anlässlich der Verschuldensprüfung aber insgesamt als derart gering zu betrachten, dass nicht mehr von einem massgeblichen Verschulden gesprochen werden kann, besteht die Möglichkeit, auf die Erhebung einer Steuerbusse mangels Verschuldens ganz zu verzichten. Dies ist mit Blick auf das allgemeine Strafrecht in dieser Konstellation sogar geboten. Art. 52 StGB sieht vor, dass von einer Strafverfolgung abzusehen ist, wenn Schuld und Tatfolgen geringfügig sind. Zudem können auch die Wiedergutmachung sowie eine besondere Betroffenheit der Täterschaft den Verzicht auf eine Bestrafung zur Folge haben (Art 53 f. StGB).»<sup><a title="" href="#_ftn36" name="_ftnref36">36</a></sup></p>
<p>Grundsätzlich dürfte auch dieser Strafmilderungsgrund auf ein geringes Strafbedürfnis zurückzuführen sein.<a title="" href="#_ftn37" name="_ftnref37"><sup>37</sup></a></p>
<h2>5. Abzug bereits im Ausland bezahlter Steuern</h2>
<h3>5.1 Praxis im Kanton Zürich</h3>
<p>Nach Praxis des Kantons Zürich können bereits im Ausland bezahlte Steuern (in Fällen, bei denen bspw. der Lebensmittelpunkt falsch festgelegt worden ist) von der im Nachsteuerverfahren im Kanton Zürich erlassenen Busse bei vollendeten Steuerhinterziehungsdelikten abgezogen werden. Dabei wird die Unterzeichnung eines Revers vorausgesetzt. Dieser lautet ungefähr: «Hiermit bestätige ich ausdrücklich und unwiderruflich (Revers), dass ich für die Steuerperiode […] kein Verständigungsverfahren zwischen der Schweiz und […] einleiten werde oder auf anderem Wege die in […] bezahlten Steuern für die Steuerperiode […] zurückfordern werde, unter der Bedingung, dass diese bereits bezahlten Steuern im Bussenverfahren vollständig von einer allfälligen Busse abgezogen werden». Begründet wurde dies in der Vergangenheit von der Steuerverwaltung Zürich mit dem pönalen Charakter einer Busse. Durch die Bezahlung einer ausländischen Steuer(busse) könne der pönale Charakter, der einer Busse immer innewohnt, ebenfalls abgegolten werden. Unserer Erfahrung nach ist dies jedoch keine stetige Praxis der kantonalen Steuerverwaltung, sondern wird lediglich vereinzelt eingesetzt, um bspw. Härtefälle zu vermeiden.</p>
<h3>5.2 Gesetzliche Grundlage</h3>
<p>Im gegebenen Kontext stellt sich zunächst die Frage, ob der Abzug bereits im Ausland bezahlter Steuern einen Strafmilderungsgrund gemäss Art. 48 StGB darstellen kann.</p>
<p>In einem ähnlich gelagerten Fall entschied das Bundesgericht in BGE 144 IV 136, dass unter bestimmten Voraussetzungen durchaus gewisse Abzüge bei einer Hinterziehungsbusse vorgenommen werden dürfen. Im genannten Leitentscheid ging es allerdings nur um die Strafzumessung. Die Busse bewegte sich innerhalb des Strafrahmens von Art. 175 Abs. 2 DBG: «Dans ses déterminations adressées au Tribunal fédéral, le Service cantonal avance d'autres arguments pour justifier la quotité d'un tiers qu'il a retenue. Il relève ainsi avoir pour pratique de réduire de moitié l'amende lorsque la soustraction provient d'une distribution dissimulée de bénéfice (afin de tenir compte du fait qu'il y a aussi une reprise et une amende dans le chef de la société distributrice), ajoute avoir aussi pris en considération le fait que les revenus soustraits ont été grevés a posteriori d'un impôt anticipé qui n'était pas récupérable, et indique finalement avoir voulu prononcer une amende qui serait effectivement recouvrable. Or, aucun de ces éléments ne représente une circonstance atténuante au sens de l'art. 48 CP.»<a title="" href="#_ftn38" name="_ftnref38"><sup>38</sup></a></p>
<p>Solche Abzüge wie die hälftige Reduktion bei verdeckten Gewinnausschüttungen und die Berücksichtigung der Verrechnungssteuer stellen unbestritten keine Strafmilderungsgründe im Sinne von Art. 48 StGB dar.</p>
<p>Für die Frage, ob eine bereits im Ausland bezahlte Steuer als Strafmilderungsgrund i.S.v. Art. 48 StGB zu bewerten ist, hat unseres Erachtens das Gleiche zu gelten wie im zitierten Bundesgerichtsentscheid BGE 144 IV 136 oben. Die Aufzählung nach Art. 48 und 48a StGB ist abschliessend und da es weder Rechtsprechung noch konsistente Praxis hierzu zu geben scheint, ist es mit Blick auf die Rechtssicherheit unseres Erachtens nicht gerechtfertigt, hier einen Strafmilderungsgrund anzunehmen. Es erscheint äusserst fraglich, ob es sinnvoll ist, Steuerstrafen zu mildern, wenn im Ausland (unter fremder Steuerhoheit) «ersatzweise» Steuern bezahlt werden und damit der pönale Charakter einer Busse (oder Geldstrafe) in der Schweiz befriedigt ist. Von den oben aufgezählten Milderungsgründen käme im vorliegenden Kontext allenfalls Art. 48 lit. d StGB (aufrichtige Reue und Ersatz des Schadens) als gesetzliche Grundlage zur Strafminderung in Betracht. Die blosse Bezahlung einer Steuerbusse ist aber, wie oben beschrieben wurde, nicht als Ausdruck aufrichtiger Reue zu werten, sondern vielmehr als Erfüllung einer gesetzlichen Pflicht anzusehen.<sup><a title="" href="#_ftn39" name="_ftnref39">39</a></sup></p>
<p>Des Weiteren ist an dieser Stelle darauf hinzuweisen, dass Art. 185 DBG regelt, dass der Bezug der im Steuerstrafverfahren auferlegten Bussen nach den Bestimmungen über Steuerforderungen erfolgt. Daraus ist abzuleiten, dass die Vollstreckung von Bussen und Kosten eines Steuerstrafverfahrens eben nicht nach Art. 106 StGB, sondern nach dem Verfahren für Steuerforderungen (Art. 163–172 DBG) erfolgt.<a title="" href="#_ftn40" name="_ftnref40"><sup>40</sup></a> Der Verweis auf die Art. 163 ff. DBG hat zur Folge, dass Bussen wegen einer Übertretung gestundet, erlassen oder sichergestellt werden können, wenn deren Bezahlung mit einer erheblichen Härte verbunden wäre, zu einer Notlage führen könnte oder in ihrem Bezug gefährdet wäre. Besonders relevant ist in diesem Zusammenhang Art. 167 DBG, der den Erlass von Steuern und Bussen regelt.</p>
<p>Die «Verrechnung» einer Busse im Nachsteuerverfahren mit einer bezahlten Busse aus einem ausländischen Nachsteuerverfahren entspricht unseres Erachtens am ehesten einem Erlass der Busse i.S. Art. 167 Abs. 3 DBG, nicht jedoch einer Strafmilderung. Nach dieser Bestimmung dürfen Bussen im Nachsteuerverfahren nur in besonderen Fällen erlassen werden, oder auch aus Gründen der Verhältnismässigkeit.<a title="" href="#_ftn41" name="_ftnref41"><sup>41</sup></a> Zu beachten gilt es hier, dass ein Erlass nach Art. 167 Abs. 3 DBG grundsätzlich beantragt werden muss. Entsprechend sind die Autorin und der Autor der Meinung, dass eine gelebte und positive Praxis zum Erlass von Bussen im Nachsteuerverfahren auf Grund von im Ausland bezahlten Steuern nicht zu begrüssen ist.</p>
<p>In der Literatur wird ebenfalls darauf hingewiesen, dass Steuerbussen neben repressiven und präventiven Zwecken auch eine gewisse Kompulsivwirkung haben können. Diese Wirkung ist primär in der Strafandrohung beziehungsweise in der Mahnung enthalten. Die Busse dient entsprechend nicht ausschliesslich dazu, die Befolgung von Mitwirkungspflichten zu erzwingen, sondern stellt eine echte Sanktion dar. Zwischen Verfahrenspflichtverletzungen bei verschiedenen Steuerhoheiten besteht Idealkonkurrenz, sodass für die gleiche Steuerperiode Bussen sowohl bezüglich der direkten Bundessteuer als auch der Kantons- und Gemeindesteuern ausgesprochen werden können.<a title="" href="#_ftn42" name="_ftnref42"><sup>42</sup></a> Hinsichtlich Rechtssicherheit und Gleichbehandlung ist somit kritisch anzumerken, dass für die Einstellung des Bussenverfahrens keine explizite rechtliche Grundlage existiert. Es bestehen hier erhebliche Unterschiede zwischen den in den Kantonen gelebten Praxen. Während der Kanton Zürich in unserem Beispiel beide Bussenverfahren (direkte Bundessteuer und Staats- und Gemeindesteuer) auf Grund der im Ausland bezahlten Steuern eingestellt hatte, wäre dies in anderen Kantonen möglicherweise nicht denkbar. Dies führt insbesondere bei der direkten Bundessteuer zu einer ungerechtfertigten Ungleichbehandlung.</p>
<h3>5.3 Faktische Strafmilderung?</h3>
<p>Selbst wenn der Abzug bereits im Ausland bezahlter Steuern nicht in den Katalog von Art. 48 StGB fällt, wirkt der Abzug faktisch ähnlich wie ein Strafmilderungsgrund. Es stellt sich sodann die Frage, ob die Strafzumessung innerhalb des Strafrahmens (Strafminderung) und die Strafmilderung eindeutiger unterschiedlich gehandhabt werden müssen. Je nach Höhe des Abzugs bzw. der bereits im Ausland bezahlten Steuerbetrags sind beide Fallkonstellationen denkbar. Bei einer Unterschreitung des gesetzlichen Strafrahmens handelt es sich aus Sicht des fehlbaren Steuerpflichtigen wohl um eine faktische Strafmilderung – unabhängig davon, ob es sich dabei auch im juristischen Sinne um eine Strafmilderung oder gar einen Erlass handelt. Stellt man sich auf den (formalistischen) Standpunkt, dass eine Strafmilderung mangels gesetzlicher Grundlage nicht möglich ist, können bereits im Ausland bezahlte Steuern nur innerhalb des gesetzlichen Strafrahmens abgezogen werden und ein darüber hinausgehender Abzug (unterhalb der gesetzlichen Untergrenze) ist immer und grundsätzlich ausgeschlossen, da Art. 48 StGB keine Strafmilderung aufgrund eines abgegoltenen pönalen Charakters einer Strafe vorsieht.</p>
<p>Stellt man sich hingegen auf den (pragmatischen) Standpunkt, dass im Steuerrecht Strafminderung und Strafmilderung oft vermengt bzw. als Synonyme verwendet werden, stehen beide Möglichkeiten (Strafminderung sowie Strafmilderung) für den Abzug bereits im Ausland bezahlter Steuern offen.</p>
<h3>5.4 Abschliessende Würdigung</h3>
<p>Auch wenn die Frage der gesetzlichen Grundlage nicht restlos geklärt ist, muss abschliessend festgestellt werden, dass die Praxis des Kantons Zürich im Einklang mit den vom Bundesgericht entwickelten Leitsätzen steht.</p>
<p>Das Bundesgerichtsurteil 9C_762/2023 vom 26. Juni 2024 betrifft einen Fall, in dem eine Nachsteuer und eine Busse wegen Steuerhinterziehung gegen den Steuerpflichtigen ausgesprochen wurden. Gemäss den Ausführungen des Bundesgerichts wäre die Steuerverwaltung von Amtes wegen verpflichtet gewesen, den Betrag der vom Beschwerdeführer für die betreffenden Steuerperioden voraussichtlich geschuldeten AHV-Beiträge (provisorisch) zu berechnen und die entsprechenden Rückstellungen, die den steuerbaren Gewinn mindern, zu berücksichtigen, damit die Veranlagung möglichst weitgehend der tatsächlichen finanziellen Situation des Steuerpflichtigen entspricht.<a title="" href="#_ftn43" name="_ftnref43"><sup>43</sup></a> Das Bundesgericht betont in diesem Entscheid mehrmals, dass die Veranlagung so weit wie möglich der tatsächlichen finanziellen Situation des Steuerpflichtigen entsprechen soll («faire correspondre le plus possible la taxation à la situation financière réelle du contribuable»).<a title="" href="#_ftn44" name="_ftnref44"><sup>44</sup></a></p>
<p>Die Berücksichtigung bzw. der Abzug von bereits im Ausland bezahlten Steuern steht somit im Einklang mit dem im Bundesgerichtsurteil 9C_762/2023 vom 26. Juni 2024 erwähnten Grundgedanken.</p>
<p>Aus Sicht der Autorin und des Autors muss allerdings stets im Auge behalten werden, dass ein Bussenerlass aufgrund von im Ausland bezahlter Steuern keinen Strafmilderungsgrund darstellt, weil Art. 48 StGB abschliessend regelt, welche Strafmilderungsgründe im Steuerstrafrecht geltend gemacht werden können.</p></article>
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