Ruth Bloch-Riemer
Angelica M. Schwarz
Übersicht über die wichtigsten Neuerungen in der Wegleitung über den massgebenden Lohn in der AHV, IV und EO (WML)
Nachfolgende Ausführungen befassen sich mit den Beiträgen an die Alters- und Hinterlassenenvorsorge (AHV), die Invalidenvorsorge (IV) sowie an die Erwerbsersatzordnung (EO). Dabei ist insbesondere auf die Wegleitung über den massgebenden Lohn in der AHV, IV und EO, welche auf den 1. Januar 2019 vollständig überarbeitet wurde, einzugehen. Ein besonderer Fokus gilt den Änderungen, welche sich im Vergleich zur Vorjahresversion (Wegleitung über den massgebenden Lohn in der AHV, IV und EO in der Fassung vom 1. Januar 2018) ergeben haben.
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Die Wegleitung über den massgebenden Lohn in der AHV, IV und EO (WML) wurde per 1. Januar 2019 vollständig überarbeitet. Neben strukturellen Veränderungen fanden gegenüber der Vorversion der WML wesentliche Erweiterungen im zweiten Teil (Arten der Entgelte und ihre beitragsrechtliche Behandlung) statt. Dies betrifft namentlich die Ausführungen hinsichtlich der beitragsrechtlichen Behandlung von Leistungen und Beiträgen in der beruflichen Vorsorge (z.B. die beitragsrechtliche Behandlung von reglementarischen Leistungen von bzw. Beiträge an Einrichtungen der beruflichen Vorsorge sowie die beitragsrechtliche Behandlung von Beiträgen der Arbeitgebenden sowie der Arbeitnehmenden an die berufliche Vorsorge). Weitere Änderungen wurden im vierten Teil (Beispiele von Erwerbstätigen und die beitragsmässige Behandlung ihrer Entgelte) der WML vorgenommen, wobei hier insb. Ausführungen zu neuen Berufsgruppen (z.B. Influencer) hinzugefügt bzw. zu älteren Berufsgruppen (z.B. Bankeinnehmer) entfernt wurden.
Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass die neue Strukturierung sowie die vorgenommenen Ergänzungen zu Gunsten der Übersichtlichkeit und Klarheit begrüssenswert erscheinen.
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Einleitung
Die Sozialversicherung stellt eine wichtige Institution in der schweizerischen Rechts- und Sozialordnung dar. Das Sozialversicherungssystem wird in fünf Bereiche bzw. Sozialwerke unterteilt: die Alters-, Hinterlassenen und Invalidenvorsorge (Dreisäulensystem), der Schutz vor Folgen einer Krankheit und eines Unfalls, der Erwerbsersatz für Dienstleistende und bei Mutterschaft, die Arbeitslosenversicherung sowie die Familienzulagen. Die Leistungen der einzelnen Sozialversicherungszweige werden vorab durch paritätische Beitragszahlungen der Arbeitnehmenden und Arbeitgebenden finanziert.01
Nachfolgende Ausführungen befassen sich mit den Beiträgen an die Alters- und Hinterlassenenvorsorge (AHV), die Invalidenvorsorge (IV) sowie an die Erwerbsersatzordnung (EO). Dabei ist insbesondere auf die Wegleitung über den massgebenden Lohn in der AHV, IV und EO, welche auf den 1. Januar 2019 vollständig überarbeitet wurde, einzugehen. Ein besonderer Fokus gilt den Änderungen, welche sich im Vergleich zur Vorjahresversion (Wegleitung über den massgebenden Lohn in der AHV, IV und EO in der Fassung vom 1. Januar 2018) ergeben haben.
Die AHV, die IV und die EO stellen zusammen mit der Arbeitslosenversicherung (ALV) im Rahmen der sog. ersten Säule eine Volksversicherung dar, die Schutz im Alter und für Hinterlassene sowie bei Invalidität, Arbeitslosigkeit und Militärdienst sowie Mutterschaft bietet. Sie ist traditionell der zentrale Pfeiler der sozialen Vorsorge in der Schweiz und verfolgt den Zweck, den wegen der versicherten Risiken zurückgehenden oder wegfallenden Arbeitsverdienst der versicherten Personen wenigstens teilweise zu ersetzen, um deren Grundbedürfnisse, im Sinne eines Existenzminimums, zu sichern.
Zuständig für den Bezug der Beiträge sowie die Auszahlung der Leistungen der AHV sind die Ausgleichskassen bzw. für die Arbeitslosenversicherung die Arbeitslosenkasse. Beiträge an die erste Säule werden von unselbstständig erwerbstätigen, selbstständig erwerbstätigen und nichterwerbstätigen Personen erhoben.
Massgebender Lohn
Der Lohn, auf dem Beiträge entrichten werden müssen, wird als massgebender Lohn bezeichnet. Bei einer unselbständigen Erwerbstätigkeit umfasst dies jedes Entgelt, welches für geleistete Arbeit vergütet wird (Art. 5 Abs. 2 des Bundesgesetztes über die Alters- und Hinterlassenenversicherung vom 20. Dezember 1946; SR 831.10; AHVG). Als Arbeit gilt eine auf Erwerb gerichtete Tätigkeit, wobei unerheblich ist, ob diese rechtswidrig ist (z.B. Schwarzarbeit) oder gegen die guten Sitten verstösst.
In unselbständiger Stellung ist grundsätzlich erwerbstätig, wer kein spezifisches Unternehmerrisiko trägt und von einem Arbeitgeber in wirtschaftlicher bzw. arbeitsorganisatorischer Hinsicht abhängig ist. Merkmale für das Bestehen eines Unternehmerrisikos sind namentlich das Tätigen erheblicher Investitionen, die Verlusttragung, das Handeln in eigenem Namen und auf eigene Rechnung, das Beschaffen von Aufträgen oder die Beschäftigung von Personal. Ein Weisungsrecht oder ein Unterordnungsverhältnis stellen Merkmale dar, die für ein Abhängigkeitsverhältnis sprechen. In jedem Fall hat eine Beurteilung des Einzelfalls unter Würdigung der gesamten Umstände zu erfolgen. Eine Vermutung für unselbständige oder selbständige Erwerbstätigkeit besteht mithin nicht. Unbeachtlich ist die Rechtsnatur des Vertragsverhältnisses zwischen den Parteien.
Das Entgelt besteht primär in Geld- oder Naturalleistungen. Der Begriff des massgebenden Lohnes bestimmt sich ausschliesslich nach dem AHV-Recht. Dieser geht mithin weiter als der zivilrechtliche Lohnbegriff. Immerhin stellt der Lohn des Arbeitsvertragsrechts immer auch massgebender Lohn im Sinne des AHV-Rechts dar (jedoch nicht umgekehrt).02 Erhält eine versicherte Person ausnahmsweise für eine in unselbständiger Stellung geleistete Arbeit kein Entgelt, so darf nicht auf ein fiktives Einkommen abgestellt werden. In diesem Fall sind keine Beiträge zu entrichten.
Zum massgebenden Lohn gehören namentlich die Stunden-, Tag-, Wochen- und Monatslöhne, Gratifikationen, Dienstaltersgeschenke, Risiko- und Erfolgsprämien, geldwerte Vorteile aus Mitarbeiterbeteiligungen, Trinkgelder, regelmässige Naturalbezüge wie Verpflegung und Unterkunft, Ferien- und Feiertagsentschädigungen, Lohnfortzahlung infolge Unfall oder Krankheit (ausser Versicherungsleistungen), Lohnfortzahlungen und Erwerbsersatz für Dienstleistende und bei Mutterschaft, Taggelder der Arbeitslosenversicherung (ALV), Taggelder der IV, Taggelder der Militärversicherung oder Entschädigungen der Arbeitgebenden für die normalen Fahrtkosten für den Arbeitsweg und für die üblichen Verpflegungskosten der Arbeitnehmenden.03 Nicht zum massgebenden Lohn gehören etwa der Militärsold und Sold an Zivilschutzleistende, Versicherungsleistungen bei Unfall, Krankheit oder Invalidität, Leistungen der Sozialhilfe, Familienzulagen, Naturalgeschenke, die weniger als CHF 500.- im Jahr ausmachen oder Zuwendungen für die Aus- und Weiterbildungen, sofern sie in engem Zusammenhang mit der beruflichen Tätigkeit stehen.04
Was in der Praxis als massgebender Lohn behandelt wird, wird seit über 20 Jahren in einer vom Bundesamt für Sozialversicherungen (BSV) herausgegebenen Wegleitung – der sog. WML – festgehalten. Sie wird jährlich aktualisiert und wurde per 1. Januar 2019 umfassend überarbeitet. Die WML reflektiert insbesondere die (stetig gewachsene) gerichtliche und behördliche Praxis. Im Einzelfall ist sie in der Anwendung zunächst eine wertvolle Orientierungshilfe. Es ist jedoch nicht auszuschliessen, dass im konkreten praktischen Fall auch einmal noch weitergehende Überlegungen in die abschliessende Beurteilung durch den Praktiker und/oder die Ausgleichskassen einfliessen können.
Auswahl der wichtigsten Neuerungen in der WML 2019
Im Vergleich zur Wegleitung über den massgebenden Lohn in der AHV, IV und EO in der Fassung vom 1. Januar 2018 (WML 2018) hat die Wegleitung über den massgebenden Lohn in der AHV, IV und EO in der Fassung vom 1. Januar 2019 (WML 2019) zwei grundlegende Änderungen erfahren:
- Zum einen betrifft dies die Arten der Entgelte und ihre beitragsrechtliche Behandlung, wobei hier insb. auf die beitragsrechtliche Behandlung von Entgelten der Arbeitgebenden bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses sowie auf die beitragsrechtliche Behandlung von Leistungen und Beiträge im Zusammenhang mit der beruflichen Vorsorge einzugehen ist.
- Zum anderen wurden die Regelungen zur beitragsrechtlichen Behandlung bestimmter Tätigkeiten überarbeitet.
Erwähnenswert ist zudem, dass die WML 2019 eine neue Strukturierung sowie Nummerierung erfahren hat und schliesslich zur erleichterten Orientierung und als Übergangshilfe zur WML 2018 eine Konkordanztabelle am Ende der WML 2019 eingefügt wurde.
Beitragsrechtliche Behandlung von Entgelten der Arbeitgebenden bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses
In Bezug auf Entgelte der Arbeitgebenden bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses sieht die WML 2019 – inhaltlich unverändert – vor, dass im Falle der vollständigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses die Entgelte der Arbeitgebenden zum massgebenden Lohn gehören, soweit sie nicht ausdrücklich davon ausgenommen sind. Derartige Ausnahmen werden etwa statuiert in
- Art. 8bis der Verordnung über die Alters- und Hinterlassenenversicherung (SR 831.101; AHVV): Sozialleistungen bei ungenügender beruflicher Vorsorge, oder
- Art. 8ter AHVV: Sozialleistungen bei Entlassungen aus betrieblichen Gründen.
Neu sieht die WML 2019 vor, dass die gleichen Grundsätze auch anwendbar sind, wenn das in Frage stehende Entgelt nicht vom Arbeitgeber selbst, sondern von Dritten wie z.B. von einer Muttergesellschaft oder einem Fonds ausgerichtet wird, sofern es seinen Grund im früheren Arbeitsverhältnis hat. Als Beispiel wird die von einem patronalen Fonds geleistete Überbrückungsrente genannt.05 Damit wird eine Unklarheit beseitigt bzw. eine wirtschaftliche Realität abgebildet, die bislang in der Praxis hin und wieder zu Fragen Anlass gegeben hat.
Beitragsrechtliche Behandlung von reglementarischen Leistungen von Einrichtungen der beruflichen Vorsorge
Das Kapitel bezüglich der Leistungen und Beiträge im Zusammenhang mit der beruflichen Vorsorge wurde in der WML 2019 neu strukturiert und in weiten Teilen ausgebaut. Wie bisher ist vorgesehen, dass reglementarische Leistungen von Einrichtungen der beruflichen Vorsorge nicht zum massgebenden Lohn gehören, wenn die begünstigte Person bei Eintritt eines Vorsorgefalles oder bei der teilweisen oder vollständigen Auflösung der Vorsorgeeinrichtung die Leistungen persönlich beanspruchen kann.
Die WML 2019 nennt neu beispielhaft nachfolgende Kriterien, die für eine Beitragsbefreiung reglementarischer Leistungen erfüllt sein müssen:
- Die versicherte Person muss einen verbindlichen Rechtsanspruch auf die Leistung haben, weshalb eine «Kann»-Vorschrift nicht genügt.
- Die reglementarische Bestimmung muss schon vor Eintritt des versicherten Risikos bestehen.
- Der Leistungsanspruch muss bestimmbar sein; namentlich muss die Bemessungsgrundlage genügend bestimmbar sein.
- Die reglementarische Leistung muss berufsvorsorgerechtlicher Natur sein.
- Die reglementarische Leistung muss ihre Grundlage in einem Reglement haben.06
Als reglementarisch gelten namentlich Leistungen aufgrund des Pensionskassenreglements (inkl. Vorsorgeplan), der Statuten oder der Gründungsurkunde der Vorsorgeeinrichtung, des Teilliquidationsreglements oder des Verteilungsplans bei Gesamtliquidation. Diese Dokumente müssen von einem paritätisch zusammengesetzten Organ erlassen und von der Aufsichtsbehörde genehmigt sein. Bei Einrichtungen des öffentlichen Rechts gelten die von der öffentlich-rechtlichen Körperschaft erlassenen Bestimmungen als reglementarisch.07
Bereits die WML 2018 nannte Anwendungsfälle von reglementarischen Leistungen wie
- Leistungen von Vorsorgeeinrichtungen im Sinne von Art. 48 des Bundesgesetztes über die beruflichen Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge (SR 831.40; BVG)08 und Art. 80 BVG09;
- die Überweisung eines reglementarischen Vorsorgeguthabens bei Auflösung eines Arbeitsverhältnisses an die Vorsorgeeinrichtung der neuen Arbeitgebenden oder auf eine Freizügigkeitseinrichtung im Sinne von Art. 4 des Bundesgesetztes über die Freizügigkeit in der beruflichen Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge (SR 831.42; FZG) (in der Form eines Freizügigkeitskontos oder einer Freizügigkeitspolice nach Art. 10 der Verordnung über die Freizügigkeit in der beruflichen Alters-, Hinterlassenen - und Invalidenvorsorge [SR 831.425; FZV]);
- die Überweisung eines reglementarischen Vorsorgeguthabens bei Auflösung eines Arbeitsverhältnisses an die Vorsorgeeinrichtung der neuen Arbeitgebenden oder auf eine Freizügigkeitseinrichtung im Sinne von Art. 4 FZG (in der Form eines Freizügigkeitskontos oder einer Freizügigkeitspolice nach Art. 10 FZV); sowie
- im Rahmen einer Teilliquidation aufgrund des Teilliquidationsreglements erbrachte Leistungen. Das gleiche gilt sinngemäss für Wohlfahrtsfonds ohne Teilliquidationsreglement, sofern die Grundsätze der Gleichbehandlung und der Angemessenheit eingehalten werden (vgl. Art. 89a Abs. 8 Ziff. 3 des Schweizerischen Zivilgesetzbuchs [SR 210; ZGB]).10
Die WML 2019 wurde um folgendes Beispiel ergänzt:
Leistungen, die im Rahmen einer Gesamtliquidation einer Vorsorgeeinrichtung aufgrund des von der Aufsichtsbehörde genehmigten Verteilungsplans erbracht werden (gleiches gilt für Wohlfahrtfonds mit Ermessensleistungen).11
Dies erscheint kohärent, zumal die Leistungen in diesem Fall nicht vom Arbeitgeber ausbezahlt werden und auch nicht direkt eine Entschädigung für eine Tätigkeit darstellen.
Beitragsrechtliche Behandlung von reglementarischen Beiträgen an Einrichtungen der beruflichen Vorsorge
Gemäss WML 2019 werden reglementarische Beiträge der Arbeitgebenden an Einrichtungen der beruflichen Vorsorge, welche die Voraussetzungen der Steuerbefreiung gemäss Art. 56 lit. e des Bundesgesetzes über die direkte Bundessteuer (SR 642.11; DBG) erfüllen, nicht zum massgebenden Lohn dazugerechnet.
Als reglementarisch gelten Beiträge:
- die zwingend in einem Reglement vorgeschrieben sind (auch hier genügt eine «Kann»-Vorschrift nicht);
- die vor Eintritt der versicherten Risiken verbindlich im Reglement festgelegt und spätestens im Versicherungsfall zu entrichten sind;
- deren Umfang feststeht (ist etwa vorgesehen, dass die Arbeitgebenden sich am Einkauf der Arbeitnehmenden beteiligen, nicht aber in welchem Umfang, liegen keine zwingend vorgeschriebenen Beiträge an die Vorsorgeeinrichtung vor); sowie
- deren anwendbare normative Grundlage dem Arbeitgeber grundsätzlich entzogen, jedenfalls nicht ad hoc im Einzelfall abänderbar ist.12
Beitragsrechtliche Behandlung von reglementarischen Beiträgen der Arbeitnehmenden an die berufliche Vorsorge
Wie bisher gehören Beiträge an die berufliche Vorsorge, welche die Arbeitnehmenden selber tragen, zum massgebenden Lohn.13
Neu statuiert die WML 2019, dass freiwillig durch die Arbeitgebenden über ihren reglementarischen Anteil hinaus übernommene Beiträge an die berufliche Vorsorge ebenfalls zum massgebenden Lohn gehören. Als Beispiel wird der Fall genannt, in welchem der Arbeitgeber zusätzlich zum reglementarischen Anteil von 50% freiwillig den Arbeitnehmerbeitrag finanziert.14 Dies betrifft indes nicht diejenigen Fälle, in welchen das Reglement ohnehin bereits vorsieht, dass der Arbeitgeber mehr als 50% der Gesamtbeiträge übernimmt.
Beispiele von Erwerbstätigen und die beitragsmässige Behandlung ihrer Entgelte
Der vierte Teil der WML 2019 befasst sich - wie bereits auch schon der vierte Teil der WML 2018 - mit Beispielen von Erwerbstätigen und die beitragsmässige Behandlung ihrer Entgelte.
- Neu enthält die WML 2019 eine Definition von mit der Hauswartung und ähnlichen Aufgaben betrauten Personen. Unter Hauswartung fallen insbesondere Tätigkeiten in Mehrfamilienhäusern ausserhalb der Wohnungen und in gewerblich genutzten Liegenschaften, welche nicht unter den Begriff des Hausdienstes (Art. 34d AHVV) gefasst werden. An der Beurteilung, wonach Hauswarte im Allgemeinen als Arbeitnehmende der Hauseigentümer bzw. der Hausverwaltung gelten, ändert sich jedoch nichts.15
- Journalisten und Pressefotografen werden neu als für Medien tätige Personen zusammengefasst. Deren Entgelte gehören nach wie vor zum massgebenden Lohn. Feste und veränderliche Vergütungen für die Mitarbeitenden von Radio und Fernsehen gehören ebenfalls zum massgebenden Lohn. Weiter wird festgehalten, dass Autorenhonorare (verstanden als Entschädigungen für die Schaffung oder den Vortrag eigener Werke) Einkommen aus selbständiger Erwerbstätigkeit sind (willkommene Klarstellung!). Entgelte als Influencer oder für die Publikation von Beiträgen (publizistischer oder kommerzieller Art) auf einem Blog, auf einer eigenen Website oder unter eigenem Namen auf anderen Internet-Plattformen (z.B. YouTube oder Instagram) stellen in der Regel Einkommen aus selbständiger Erwerbstätigkeit dar.16
- Ärzte, Zahnärzte und Tierärzte werden in der WML neu dem erweiterten Kreis der Gesundheitsberufe zugeordnet. Zu dieser Kategorie gehören namentlich auch Personen, welche in der Alternativmedizin, Entbindungspflege, Physiotherapie oder Psychotherapie tätig sind. Grundsätzlich gelten die allgemeinen Regeln über die Abgrenzung zwischen selbständiger und unselbständiger Erwerbstätigkeit, wobei vertragliche Vereinbarungen wichtige Hinweise geben können. Es sei an dieser Stelle bemerkt, dass die Rechtsnatur des Vertragsverhältnisses zwischen den Parteien nicht derart unbeachtlich zu sein scheint, wie die WML 2019 eingangs statuiert.17 Die WML 2019 unterscheidet nun deutlich zwischen diesem Berufskreis angehörenden Personen in unselbständiger und selbständiger Tätigkeit. Zum massgebenden Lohn gehört das Einkommen, welches eine Person in abhängiger Stellung erzielt. Ohne Bedeutung ist, ob die Tätigkeit haupt- oder nebenberuflich ausgeübt wird. Ebenfalls unbeachtlich ist die Art der Entlöhnung (Fixum oder Tarif). Zum Einkommen aus selbständiger Erwerbstätigkeit gehört das Einkommen der betroffenen Personen aus der eigenen freien Praxis. Dazu gehören auch Entgelte, die von einer Behörde oder von Privaten für die Untersuchung oder die Behandlung von ihnen zugewiesenen Personen ausgerichtet werden (dies ist etwa dann der Fall, wenn eine Firma ihr Personal von einem Arzt gegen Grippe impfen lässt).18
- Patentinhaber werden in der WML 2019 den Erfindern gleichgestellt. Deren einkommensrechtliche Behandlung bleibt im Wesentlichen jedoch unverändert.19
Würdigung
Die WML 2019 stellt nach wie vor eine wichtige Erkenntnisquelle dar, wenn es um die Frage geht, welche Einkommensbestandteile zum massgeblichen Lohn gehören. Die Ausführungen machen deutlich, dass die neue WML 2019 insbesondere im Bereich der beruflichen Vorsorge zu mehr Klarheit geführt hat. Auch die Ausführungen hinsichtlich der Beispiele von Erwerbstätigen und die beitragsmässige Behandlung ihrer Entgelte wurden der heutigen Zeit angepasst, indem neue Berufsgruppen (z.B. Influencer) hinzugefügt und ältere Berufsgruppen (z.B. Bankeinnehmer) entfernt wurden.
Entsprechend erscheint die WML 2019 im Vergleich zur WML 2018 etwas schlanker (Reduzierung um sechs Seiten). Gesamtheitlich betrachtet, können die neue Strukturierung sowie die vorgenommenen Ergänzungen zu Gunsten der Übersichtlichkeit und Klarheit als begrüssenswert bezeichnet werden. Nach wie vor werden aber Abgrenzungsfälle in der Praxis zu Fragen führen, welche letztlich mit der Ausgleichkasse bzw. über den Gerichtsweg zu klären sind.
01 Informationsstelle AHV/IV, Soziale Sicherheit in der Schweiz, Stand 1. Januar 2019, S. 17 f.
02 Bundesamt für Sozialversicherungen (BSV), Wegleitung über den massgebenden Lohn in der AHV, IV und EO (WML), Stand 1. Januar 2019, Rz. 1001 ff. (nachfolgend zitiert als WML 2019).
03 Merkblatt der Informationsstelle AHV/IV, «Lohnbeiträge an die AHV, die IV und die EO», Beitrag 2.01, Stand 1. Januar 2019, S. 7 f. (nachfolgend zitiert als Lohnbeiträge an die AHV, IV und EO).
04 Lohnbeiträge an die AHV, IV und EO, S. 9. In diesem Informationsblatt findet sich eine Auflistung von weiteren beispielhaft genannten Entgelten, welche zum massgebenden Lohn gehören bzw. nicht gehören (vgl. S. 7-9).
05 WML 2019, Rz. 2096 ff.
06 WML 2019, Rz. 2110.
07 WML 2019, Rz. 2111.
08 Es handelt sich hierbei um registrierte Vorsorgeeinrichtungen. Entsprechend sieht Art. 48 BVG vor, dass Vorsorgeeinrichtungen, die an der Durchführung der obligatorischen Versicherung teilnehmen wollen, sich bei der Aufsichtsbehörde, der sie unterstehen (Art. 61 BVG), in das Register für die berufliche Vorsorge eintragen lassen.
09 Art. 80 BVG bezieht sich auf Vorsorgeeinrichtungen, die nicht im Register für die berufliche Vorsorge eingetragen sind.
10 WML 2018, Rz. 2087 f.
11 WML 2019, Rz. 2114.
12 WML 2019, Rz. 2118.
13 WML 2019, Rz. 2122.
14 WML 2019, Rz. 2123.
15 WML 2019, Rz. 4032 f.
16 WML 2019, Rz. 4046 ff.
17 WML 2019, Rz. 1001 ff.
18 WML 2019, Rz. 4051 ff.
19 WML 2019, Rz. 4077.