Stefan Oesterhelt
Sirgit Meier
Kapitalbezüge aus Vorsorge (inkl. Teilbezüge)
Fallbeispiele und ausführliche Lösungshinweise von Stefan Oesterhelt und Sirgit Meier. Der Workshop war Teil des ISIS-Seminars «Vorsorge und Versicherung» vom 22.+23. September 2025.
Fall 1: Kapitalbezug nach Einkauf
1.1 Sachverhalt
X., Partner in einer Anwaltskanzlei, hat am 15.12.2024 einen Einkauf von CHF 500'000 in die 2. Säule getätigt. Er erreicht am 15.02.2025 das ordentliche Pensionsalter von 65 und scheidet per 31.12.2025 als Equity Partner aus. Er ist nunmehr als Senior Counsel mit einem reduzierten Pensum bei der Kanzlei tätig.
Am 03.01.2028 bezieht er eine Kapitalleistung von CHF 10 Mio.
Bereits am 15.3.2025 liess er sich die Säule 3a auszahlen.
Seine Frau bezog ihr Altersguthaben am 3. Januar 2025.
1.2 Fragen
- Welche Auswirkungen haben die Kapitalbezüge auf den Einkauf vom 15.12.2024?
- Wie werden die Kapitalbezüge besteuert?
- Wie wären die Kapitalleistungen gemäss Vorschlag des Bundesrates vom 29.1.2025 zu besteuern?
1.3 Variante 1
X. reduziert seine Erwerbstätigkeit per 01.02.2025 und überweist sein freiwerdendes Vorsorgeguthaben am 03.02.2025 auf zwei Freizügigkeitseinrichtungen. Am 31.12.2025 beendet er seine Arbeitstätigkeit und widmet sich fortan seinen Hobbys. (Subvariante: Er hält noch ab und an einen Vortrag an einem ISIS-Seminar und verfasst Fachpublikationen womit er CHF 10'000 p.a. verdient).
Am 03.01.2028 bezieht er CHF 5 Mio. Aus der ersten Freizügigkeitseinrichtung und am 03.01.2029 CHF 5 Mio. Aus der zweiten Freizügigkeitseinrichtung.
1.4 Frage
Wie werden die FZ-Leistungen besteuert?
1.5 Variante 2
X. hatte sich im Jahr 2015 scheiden lassen und musste seiner Ex-Frau Vorsorgeausgleich in Höhe von CHF 2 Mio. leisten. Im Dezember der Jahre 2022-2025 macht er jeweils im Umfang von CHF 500'000 Einkäufe in die 2. Säule. (Subvariante: um hinreichend Liquidität für die Einkäufe zu haben, erhöht X. im Jahr 2023 die Hypothek im Umfang von CHF 1 Mio.).
X. lässt sich per 30.06.2026 pensionieren.
Am 03.07.2026 macht er einen Kapitalbezug in Höhe von CHF 10 Mio.
1.6 Frage
Wie wird die Kapitalleistung von 10 Mio. besteuert?
Fall 2: Aufschub der Altersleistung
2.1 Sachverhalt
Helgo Schmidt ist zu 100 % bei der C-Consulting AG angestellt. Mit 62 Jahren reduziert er seine Erwerbstätigkeit bei der C-Consulting AG um 50%, lässt sein Altersguthaben jedoch in deren Pensionskasse stehen. Das Pensionskassenreglement sieht diese Möglichkeit vor.
Ein Jahr später tritt er aus der C-Consulting AG aus und beendet sein Erwerbsleben. Er lässt sein Altersguthaben aus der dortigen Pensionskasse auf zwei Freizügigkeitseinrichtungen übertragen.
2.2 Fragen
- Ist es zulässig, das Altersguthaben in der Pensionskasse der C-Consulting AG zu belassen?
- Welche steuerlichen Konsequenzen ergeben sich daraus?
- Ist die Überweisung der Austrittsleistung aus der Pensionskasse der B-Consulting AG auf ein Freizügigkeitskonto vorsorgerechtlich zulässig, wenn die Erwerbstätigkeit vollständig beendet wird?
- Welche steuerlichen Folgen ergeben sich in diesem Fall?
2.3 Variante
Helgo Schmidt bleibt über das Referenzalter hinaus bei der C-Consulting AG tätig und weiterhin in deren PK versichert. Mit 68 Jahren tritt er vollständig aus dem Erwerbsleben aus und überträgt sein Altersguthaben auf zwei Freizügigkeitseinrichtungen. Die Auszahlung der Leistungen möchte er in den folgenden zwei Jahren gestaffelt vornehmen.
2.4 Fragen
- Ist es aus vorsorgerechtlicher Sicht zulässig, das Guthaben der C-Consulting AG auf die Freizügigkeit zu transferieren?
- Wie werden die Leistungen steuerlich behandelt?
- Was passiert, wenn Helgo Schmidt mit 68 zwar bei der C-Consulting AG aufhört, aber weiterhin als Referent an diversen Veranstaltungen auftritt?
Fall 3: Teilpensionierung
3.1 Sachverhalt
Sandra Weber ist selbständig erwerbstätig und freiwillig einer Einrichtung der beruflichen Vorsorge (2. Säule) angeschlossen. Im Alter von 62 Jahren tätigt sie einen WEF-Vorbezug, um den Einbau einer neuen Küche zu finanzieren.
Mit 63 Jahren tritt sie etwas kürzer und senkt das versicherte Einkommen von durchschnittlich CHF 200'000 auf CHF 180'000, ohne eine Leistung zu beziehen.
Ein Jahr später, im Alter von 64 Jahren, folgt ein weiterer Schritt in Richtung Teilpensionierung. Sie versichert fortan ein Einkommen von CHF 150'000. Im gleichen Jahr plant sie, ihrer Tochter eine Schenkung zum Erwerb einer Liegenschaft zu machen und erkundigt sich, ob sie dafür ein Viertel ihres Altersguthabens in Kapitalform beziehen kann.
Mit 65 Jahren nimmt sie einen weiteren Teilpensionierungsschritt vor: Sie bezieht die Hälfte ihres Altersguthabens von insgesamt CHF 1’000'000 in Kapitalform. Gleichzeitig reduziert sie das versicherte Einkommen auf CHF 75'000, da sie weiterhin in reduziertem Umfang erwerbstätig bleibt.
Mit 66 Jahren beendet Sandra Weber ihre Erwerbstätigkeit endgültig und lässt sich das verbleibende Altersguthaben vollständig in Kapitalform auszahlen.
3.2 Fragen
- Wie ist die Reduktion des versicherten Einkommens im Alter von 63 Jahren aus vorsorgerechtlicher und steuerlicher Sicht zu beurteilen?
- Ist eine Teilpensionierung auch bei selbständig erwerbstätigen Personen möglich und wird sie steuerlich anerkannt?
- Ist eine Weiterführung der Vorsorge über das Referenzalter hinaus bei selbständiger Erwerbstätigkeit zulässig, und welche steuerlichen Konsequenzen ergeben sich daraus?
- Wird ein WEF-Vorbezug bei der Berechnung der maximal zulässigen Anzahl von Kapitalbezügen gemäss Art. 13a Abs. 2 BVG mitgezählt?
- Gilt das Gleiche, wenn es sich nicht um einen WEF-Vorbezug, sondern um einen Bezug eines Freizügigkeitskontos handelt?
3.3 Variante
Sandra Weber ist Inhaberin und gleichzeitig Angestellte ihrer eigenen Aktiengesellschaft. Ein Jahr vor Erreichen des Referenzalters senkt sie ihren Lohn von CHF 150'000 auf CHF 120'000. Beim Erreichen des Referenzalters reduziert sie ihr Einkommen weiter auf CHF 9'000. In beiden Fällen schiebt sie den Bezug ihres Altersguthabens auf. Ihr gesamtes Vorsorgeguthaben beträgt CHF 1’000'000.
Im Alter zwischen 66 und 68 Jahren plant sie, ihren Lohn jährlich um CHF 3'000 zu reduzieren und gleichzeitig je ein Drittel ihres Altersguthabens in Kapitalform zu beziehen.
3.4 Fragen
- Unter welchen Voraussetzungen ist der gestaffelte Bezug von Altersleistungen im Rahmen der beruflichen Vorsorge zulässig?
- Wie werden die gestaffelten Kapitalbezüge aus der beruflichen Vorsorge im Alter zwischen 66 und 68 Jahren besteuert?
Fall 4: Unrechtmässiger Bezug von Vorsorgeguthaben?
4.1 Sachverhalt
Max Minder ist beim Kanton Bern zu 100 % angestellt. 1,5 Jahre vor seiner Pensionierung entdeckt er ein attraktives Wohnmobil, mit dem er nach der Pensionierung durch Europa reisen möchte. Da ihm aktuell keine flüssigen Mittel zur Verfügung stehen, entscheidet er sich, seinen Beschäftigungsgrad für einen Monat auf 60 % zu reduzieren, um im Rahmen dieses Teilpensionierungsschritts eine entsprechende Kapitalleistung aus seiner Pensionskasse zu beziehen. Anschliessend erhöht er seinen Beschäftigungsgrad wieder auf 100 %.
4.2 Frage
Welche Konsequenzen ergeben sich vorsorge- und steuerrechtlich durch diese vorübergehende Teilpensionierung?
Fall 5: Wegzug ins Ausland
5.1 Sachverhalt
Guy Leroy, französischer Staatsbürger mit C-Ausweis, lebte und arbeitete bereits von 2014 bis 2016 sowie erneut von 2018 bis 2023 im Kanton Neuenburg. Ab 2016 wohnte er zusammen mit seiner Konkubinatspartnerin und dem gemeinsamen Kind in der Schweiz. Ab diesem Zeitpunkt tätigte er jährlich Einkäufe in die berufliche Vorsorge in der Höhe von CHF 20'000 bis CHF 60'000.
Im Jahr seines Wegzugs (2023) nahm Guy Leroy zwei weitere Einkäufe in die Pensionskasse vor – insgesamt in der Höhe von CHF 240'000. Den letzten Einkauf tätigte er vier Wochen vor seiner Rückkehr nach Frankreich.
Nach seinem Wegzug verlegte er seine gesamte Austrittsleistung auf zwei Freizügigkeitseinrichtungen im Kanton Schwyz.
Im Jahr 2025 bezieht Guy Leroy – der unterdessen zusammen mit seiner Familie in den Kanton Neuenburg zurückgekehrt ist und eine Liegenschaft gekauft hat – eines der beiden Freizügigkeitskonten im Rahmen eines WEF-Vorbezugs.
5.2 Frage
Welche vorsorge- und steuerrechtlichen Konsequenzen ergeben sich aus diesem Sachverhalt?
Fall 6: Abgangsentschädigung
6.1 Sachverhalt
Sabine Lohr ist Mitglied der Geschäftsleitung der M AG. Aufgrund einer internen Umstrukturierung wird ihr Arbeitsverhältnis per Ende Februar im Alter von 58 Jahren beendet. Im Vorjahr erzielte sie einen Bruttojahreslohn von CHF 200’000.–.
Zunächst wehrt sich Sabine Lohr gegen die Kündigung, akzeptiert diese jedoch nach Verhandlungen mit ihrer Arbeitgeberin. Die Einigung wird in einer schriftlichen Vereinbarung festgehalten. Diese sieht zum einen den sofortigen Wechsel zu einer anderen Konzerngesellschaft, der T AG, vor. Zum anderen wird ihr eine einmalige Zahlung von CHF 200’000.– brutto zugesprochen, welche von beiden Parteien als «Abfindung wegen Entlassung» bezeichnet wird – ohne weitere Präzisierung. Die Auszahlung erfolgt Ende Februar, am letzten Tag ihres Arbeitsverhältnisses mit der M AG.
Ebenfalls am letzten Arbeitstag bestätigt die bisherige Pensionskasse, dass Sabine Lohr eine ordentliche Vorsorgelücke (Arbeitgeber- und Arbeitnehmerbeiträge inkl. Zinsen) in Höhe von CHF 245’000.– für die Zeit zwischen dem 58. und dem 65. Altersjahr aufweist.
Sabine Lohr tritt am 1. März ihre neue Stelle bei der T AG an. Dort verdient sie einen Bruttojahreslohn von CHF 100’000.–, was der Hälfte ihres früheren Gehalts entspricht.
6.2 Frage
Wie ist die von Sabine Lohr erhaltene «Abfindung wegen Entlassung» von brutto CHF 200’000.— zu besteuern?
6.3 Variante 1
Aufgrund der Entlassung per Ende Februar scheidet Sabine Lohr definitiv aus dem Erwerbsleben aus und tritt vorzeitig in den Ruhestand. Nach Verhandlungen im Zusammenhang mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses und zur Schliessung der Vorsorgelücke zwischen dem 58. Lebensjahr und dem reglementarischen Referenzalter von 65 Jahren verpflichtet sich die Arbeitgeberin zur Zahlung einer Abgangsentschädigung in Höhe von CHF 245’000.–.
Diese Entschädigung wird im Januar 2025 direkt an die Pensionskasse von Sabine Lohr überwiesen.
6.4 Fragen
- Wie ist die von Sabine Lohr erhaltene «Abfindung wegen Entlassung» in der Höhe von brutto CHF 200'000 zu besteuern?
- Erfolgt die steuerliche Behandlung dieser Abfindung gleich, wenn Sabine Lohr einen Teil ihrer Altersleistung als Rente und einen Teil – beispielsweise CHF 200'000 – als Kapitalleistung bezieht?
6.5 Variante 2
Im Rahmen der Umstrukturierung der P1 AG, welche eine Massenentlassung gemäss Art. 335d OR darstellt, wird ein Sozialplan mit Entschädigungsregelungen für sämtliche entlassenen Mitarbeitenden beschlossen.
6.6 Frage
Welche steuerlichen Folgen ergeben sich?
Fall 7: Rückzahlung eines WEF-Bezugs
7.1 Sachverhalt
Der in Bassersdorf (ZH) wohnhafte A. tätigte am 24.10.2017 zum Erwerb von Wohneigentum einen Vorbezug aus beruflicher Vorsorge (WEF-Vorbezug) von CHF 950'000, worauf nach § 37 StG ZH eine Sondersteuer in Höhe von CHF 93'755 erhoben wurde.
Am 24.12.2020 zahlt A. den vollen WEF-Vorbezug von CHF 950'000 an die Vorsorgeeinrichtung zurück (Variante: A. eine Teilrückzahlung in Höhe von CHF 250 000).
7.2 Fragen
- Wie wird der WEF-Vorbezug vom 24.10.2017 besteuert?
- Welche steuerlichen Folgen hat die Rückzahlung vom 24.12.2020?