Dominique Frison
Jennifer Herren
Quellensteuern
Workshop von Dominique Frison und Jennifer Herren anlässlich des ISIS)-Seminars vom 22. Mai 2025 mit dem Titel «Quellensteuern»
Fall 1: Nachträgliche ordentliche Veranlagung bei Nichtansässigen
1. Sachverhalt
Julia Müller ist bei dem international tätigen Konzern N AG angestellt. 2023 war sie für die deutsche Konzerngesellschaft in Stuttgart (D) tätig. Seit 1. Januar 2024 ist sie bei der schweizerischen Schwestergesellschaft mit Sitz in der Stadt Bern angestellt. Ihr Bruttolohn beträgt CHF 500'000. Weiter erhält sie im Juni 2024 einen Bonus in der Höhe von CHF 50'000 für ihre Tätigkeit bei der deutschen Konzerngesellschaft ausbezahlt. Frau Müller ist keine leitende Angestellte.
Frau Müller wohnt in Deutschland zusammen mit ihrem Ehemann und dem gemeinsamen Kind in einem Einfamilienhaus in Grenzach-Wyhlen. Grundsätzlich kehrt Frau Müller jeden Tag nach der Arbeit an ihren rund 100 km entfernten Wohnort zurück. Jeden zweiten Freitag arbeitet sie von ihrem Homeoffice in Grenzach-Wyhlen aus (24 Tage p.a.). Weiter kann sie 2024 an 70 Tagen aus beruflichen Gründen nicht an ihren Wohnort zurückkehren. Die Nichtrückkehrtage werden in der Schweiz erbracht.
Der Ehemann von Frau Müller arbeitet beim deutschen Unternehmen V AG mit Büros in Villingen-Schwenningen (D). Er erzielt einen Bruttolohn von umgerechnet CHF 50'000. Die Familie gehört keiner Landeskirche an.
Neben dem unselbständigen Erwerbseinkommen erzielen die Ehegatten Müller 2024 Wertschriftenerträge von CHF 10'000. Der Eigenmietwert (berechnet nach Schweizer Steuerrecht) für das Haus in Grenzach-Wyhlen beträgt CHF 25'000.
Frau Müller hat 2024 einen Einkauf in die 2. Säule in der Höhe von 50'000 getätigt und einen Säule 3a-Beitrag von CHF 7'000 geleistet. Ihre Fahrkosten beliefen sich auf CHF 20'000 und die Kinderdrittbetreuungskosten auf CHF 10'000.
Fragen
- In welchem Verfahren erfolgt die Besteuerung in der Schweiz?
- Für welches Einkommen ist Frau Müller in der Schweiz steuerpflichtig?
- Wie wird die Steuer erhoben und berechnet?
- Welcher Quellensteuertarif ist anwendbar?
- Wie hoch ist die geschuldete Quellensteuer?
- Unter welchen Voraussetzungen kann Frau Müller eine nachträgliche ordentliche Veranlagung beantragen? Sind die Voraussetzungen vorliegend erfüllt?
- Frau Müller empfindet es als stossend, dass Abzüge u.U. ins Leere fallen. Sie beruft sich deshalb eventualiter auf Art. 99b DBG. Ist eine nachträgliche ordentliche Veranlagung von Amtes wegen vorzunehmen?
- Subeventualiter macht Frau Müller geltend, ihr sei der getätigte Einkauf in die 2. Säule sowie der Säule 3a-Beitrag zurückzuerstatten, falls ihr der Abzug im Rahmen einer nachträglichen ordentlichen Veranlagung verwehrt wird. Kann ihr Subeventualantrag gutheissen werden?
- Variante:
Frau Müller wohnt mit ihrer Familie in Paris (Frankreich) und kehrt lediglich am Wochenende an ihren französischen Wohnsitz zurück. Unter der Woche bewohnt sie eine 2-Zimmerwohnung in der Stadt Bern. Homeoffice kann sie aufgrund ihres Aufgabenbereichs nicht machen. Die Miete beläuft sich auf CHF 10'000 pro Jahr. Für die übrigen Sachverhaltselemente kann auf den Grundsachverhalt verwiesen werden. Wie wird Frau Müller in der Schweiz besteuert und sind die Voraussetzungen der nachträglichen ordentlichen Veranlagung erfüllt?
Fall 2: Nachträgliche ordentliche Veranlagung, Ansässigkeit UK
1. Sachverhalt
Frau Smith wird zum 1. Januar 2025 lokal bei einer Firma in Zürich angestellt. Die Familie von Frau Smith verbleibt in London ansässig und sie kehrt regelmässig zur Familie zurück. Aufgrund der Aufenthaltstage qualifiziert Frau Smith in der UK nicht als ansässig. Frau Smith ist beruflich viel unterwegs und verbringt ca. 130 Arbeitstage ausserhalb der UK oder der Schweiz. In der Schweiz mietet Frau Smith eine Wohnung in Zug.
Fragen
- Wie wird Frau Smith in der Schweiz besteuert?
- Kann in der Schweiz eine Steuererklärung eingereicht werden?
- Wo werden die Drittlandtage besteuert?
- Welche weiteren Risiken sehen Sie?
Fall 3: Leitender Angestellter mit Ansässigkeit in Deutschland
1. Sachverhalt
Tim Bieri ist ein Schweizer Staatsangehöriger mit Wohnsitz in München (Deutschland). In München wohnt er zusammen mit seinem Ehemann und den zwei gemeinsamen Kindern. Herr Bieri ist Geschäftsführer der IT AG mit Sitz in der Stadt St. Gallen und erzielt 2025 einen Bruttojahreslohn von CHF 300'000. Drei Tage in der Woche arbeitet Herr Bieri in den Büros der IT AG in St. Gallen, die restlichen zwei Tage im Homeoffice in München. Die Nächte von Montag auf Dienstag sowie von Dienstag auf Mittwoch verbringt er jeweils in einem Hotel in St. Gallen.
Fragen
- In welchem Verfahren erfolgt die Besteuerung in der Schweiz?
- Für welches Einkommen hat die Schweiz das Besteuerungsrecht?
Fall 4: Neuberechnung und Ausscheidung von Auslandtagen
1. Sachverhalt
Eva Schmid wohnt mit ihrem Konkubinatspartner und ihrem Sohn aus einer vergangenen Beziehung in Berlin (Deutschland). Sie arbeitet im Marketing eines internationalen Unternehmens im Gesundheitssektor mit Sitz in der Stadt Basel. Sie arbeitet jede zweite Woche von ihrem Homeoffice in Deutschland aus. Für die Wochen, in welchen sie in Basel arbeitet, stellt ihr der Arbeitgeber eine Dienstwohnung zur Verfügung. Ihr Bruttojahreslohn beträgt im Steuerjahr 2024 CHF 150'000.
Das zuständige deutsche Finanzamt besteuert die im Steuerjahr 2024 in Deutschland erbrachten Arbeitstage. Daraus resultiert bezüglich der 2024 nicht in der Schweiz erbrachten Arbeitstage eine internationale Doppelbesteuerung. Frau Schmid meldet sich direkt nach Erhalt des deutschen Steuerbescheids im Mai 2025 bei der Steuerverwaltung des Kantons Basel-Stadt und beantragt die Rückerstattung der in der Schweiz erhobenen Quellensteuern im Umfang der Doppelbesteuerung. Sie stört sich ausserdem an der Tatsache, dass sie in zwei Staaten Steuern bezahlt und diese anschliessend zurückfordern muss. Aus Liquiditätsgründen möchte sie in beiden Staaten direkt nur die geschuldete Steuer bezahlen.
Fragen
- Für welches Einkommen hat die Schweiz bzw. der Kanton Basel-Stadt das Besteuerungsrecht?
- Kann Frau Schmid für künftige Jahre erreichen, dass die Schweiz von Anfang an nur die Arbeitstage besteuert, für welche sie das Besteuerungsrecht hat?
- Welche Berechnungsmethoden existieren für die Berechnung der Ausscheidung von Auslandtagen?
- Gestützt auf welche Bestimmung und innert welcher Frist kann Frau Schmid eine Rückerstattung der Quellensteuern für das Steuerjahr 2024 beantragen?
- Was passiert, wenn Frau Schmid die Frist für die Einreichung des Rückerstattungsantrags verpasst? Bestehen noch (weitere) Möglichkeiten, die internationale Doppelbesteuerung zu beseitigen?
Fall 5: Grenzgänger Deutschland
1. Sachverhalt
Herr Meier ist mit seiner Familie in Singen (DE) ansässig. Herr Meier unterschreibt einen Arbeitsvertrag mit einer in Zürich ansässigen Firma und beginnt die Tätigkeit zum 1. Januar 2024. Aufgrund seiner Rolle reist Herr Meier viel (insgesamt 50 Reisetage pro Jahr). Ausserdem arbeitet Herr Meier pro Monat an 4 Tagen im Homeoffice in Deutschland (48 Tage pro Jahr).
Im April des Folgejahres verlegt die Familie Müller aus persönlichen Gründen den Wohnsitz von Singen nach Freiburg im Breisgau (152 Kilometer pro Weg).
Fragen
- Qualifiziert Herr Meier als Grenzgänger?
- Wenn ja, welche Unterlagen werden benötigt und wie erfolgt die Besteuerung in der Schweiz?
- Haben die Reisetage sowie die Homeoffice Tage einen Einfluss auf die Besteuerung?
- Kann Herr Meier in der Schweiz eine Steuererklärung einreichen?
- Hat die Wohnsitzverlegung einen Einfluss auf die Besteuerung in der Schweiz?
Fall 6: Grenzgänger Frankreich
1. Sachverhalt
Frau Koller lebt mit der Familie in Frankreich. Zum 1. Januar 2024 tritt sie eine Arbeitsstelle bei einem Unternehmen in Basel an. Sie kehrt jeden Abend an den Familienwohnsitz in Frankreich zurück (Distanz zwischen Wohn- und Arbeitsort beträgt 90 Kilometer pro Weg). Es wird vereinbart, dass Frau Koller ein Tag pro Woche im Homeoffice arbeitet (48 Arbeitstage pro Jahr). Zusätzlich hat Frau Koller 10 Geschäftsreisen pro Jahr (5 Tage in Frankreich und 5 Tage in Drittstaaten). Ausserdem muss sie an 40 Tagen Pikettdienst leisten und kehrt deshalb am Abend nicht an ihren Wohnsitz zurück.
Frau Koller möchte mehr Zeit mit der Familie verbringen und in Absprache mit dem HR wird die Anzahl der Homeoffice Tage ab dem Folgejahr auf insgesamt 120 Tage im Jahr erhöht. Zusätzlich hat Frau Koller weiterhin 10 Geschäftsreisen pro Jahr und muss an 40 Tagen Pikettdienst leisten.
Fragen
- Qualifiziert Frau Koller als Grenzgängerin?
- Wie erfolgt die Besteuerung in der Schweiz?
- Wie werden die Homeoffice Tage / Reisetage sowie der Pikettdienst in der Schweiz besteuert?
- Kann in der Schweiz eine Steuererklärung eingereicht werden?
- Hat die Erhöhung der Homeoffice Tage einen Einfluss auf die Besteuerung in der Schweiz?