René Aeschlimann
Martin Leu
Sozialversicherungsrechtliche Themen bei Transaktionen
Workshop zum Thema «Sozialversicherungsrechtliche Themen bei Transaktionen» von René Aeschlimann und Martin Leu anlässlich des ISIS-Seminars «Aktuelle Steuerthemen bei M&A Transaktionen» vom 21. März 2024.
Teil 1 – Behandlungtypischer «Nebenabreden» im Kaufvertrag
Fall 1: Bonuszahlungen im Rahmen eines Share Deals
1. Sachverhalt
Peter Gründer ist CEO der SwissCo und Mehrheitsaktionär der HoldCo, beide mit Sitz in Zürich. Peter und die deutsche Mitaktionärin X-AG planen den Verkauf aller Aktien der HoldCo.
Zwei C-Level Angestellten der SwissCo, d.h. dem CFO und CMO, soll bei einem erfolgreichen Vollzug des Verkaufs ein Bonus ausbezahlt werden.
Entsprechend wird eine Bonusvereinbarung mit folgendem Wortlaut aufgesetzt:
«Im Fall eines Exits zahlt die Gesellschaft einen einmaligen Bonus von CHF 100'000 nach Maßgabe dieses Vertrags. […]
Der Bonus ist ein Bruttobetrag: Steuern und Abgaben für Sozialversicherungen (nur Arbeitnehmeranteil) sind durch den Arbeitnehmer zu tragen. Steuern und Abgaben werden von dem Bonus soweit erforderlich bzw. zulässig einbehalten und abgeführt.
Der Bonus ist ein Monat nach dem Exit fällig.»
Frage
Sozialversicherungsrechtliche Einschätzung der Bonuszahlung?
2. Sachverhalt Variante 1
Würde sich aus sozialversicherungsrechtlicher Sicht die Einschätzung ändern, wenn Peter Gründer als CEO der deutschen OpCo tätig ist und ebenfalls im Ausland seinen Wohnsitz hat?
Fragen
- Werden die bonusberechtigten Mitarbeiter bei einem Lohn von dritter Seite von «Arbeitgebern» mit Sitz im Ausland zu Arbeitnehmenden ohne beitragspflichtigen Arbeitgeber (ANobAG) für die Bonuszahlung?
- Wie wäre die Abrechnung vorzunehmen?
- Welche Ausgleichskasse wäre zuständig (Wohnsitz vs. Sitz SwissCo)?
- Könnte die Abrechnung für die Bonuszahlung über eine andere Schweizer Tochtergesellschaft der X-AG abgerechnet werden?
- Alternativen?
3. Sachverhalt Variante 2
Der Wortlaut in der entsprechenden Bonusvereinbarung wird wie folgt geändert:
«Im Fall eines Exits zahlt die Gesellschaft einen einmaligen Bonus nach Massgabe dieses Vertrags. […]
Der Bonus ist ein Brutto-Bruttobetrag: Steuern und Abgaben für Sozialversicherungen (Arbeitgeber- und Arbeitnehmeranteil) sind im Bonus, bestimmt nach Massgabe dieses Vertrages, enthalten. Steuern und Abgaben werden soweit erforderlich bzw. zulässig einbehalten und abgeführt.
Der Bonus ist ein Monat nach dem Exit fällig.»
Frage:
Sozialversicherungsrechtliche Einschätzung der Vereinbarung?
4. Sachverhalt Variante 3
Die zwei C-Level Angestellten der SwissCo, d.h. der CFO und der CMO, sollen bei einem erfolgreichen Vollzug des Verkaufs weiterhin einen Anspruch auf einen Bonus erhalten.
Aber die Bonusvereinbarung wird mit folgendem «neuen» Wortlaut aufgesetzt:
«Im Fall eines Exits soll die Gesellschaft ein Bonus von CHF 100'000 nach Maßgabe dieses Vertrags auszahlen. […]
Der Bonus ist ein Bruttobetrag: Steuern und Abgaben für Sozialversicherungen (nur Arbeitnehmeranteil) sind durch den Arbeitnehmer zu tragen. Steuern und Abgaben werden von dem Bonus soweit erforderlich bzw. zulässig einbehalten und abgeführt.
Der Bonus ist wird gestaffelt ausbezahlt und ist an ein im Auszahlungszeitpunkt ungekündigtes Arbeitsverhältnis geknüpft.»
Frage
Sozialversicherungsrechtliche Einschätzung?
Fall 2: Entschädigung für Einhaltung eines Konkurrenzverbot
1. Sachverhalt
Ausgangssachverhalt siehe «Fall 1: Bonuszahlungen im Rahmen eine Share Deals»
Der Verkauf der Anteile an der HoldCo durch Peter Gründerund die X-AG wird erfolgreich vollzogen.
Peter Gründer kann sich, wie auch der CFO und CMO, im Rahmen eines (Re‑)Investments an der Käufergesellschaft rückbeteiligen.
Im Aktionärsbindungsvertrag, welcher Peter mit den Käufern abschliesst, wird ein zweijähriges Konkurrenzverbot für den Fall des Ausscheidens als CEO vereinbart. Gleiches gilt auch für die beiden C-Level Angestellten, d.h. den CFO und CMO.
Frage
Sozialversicherungsrechtliche Einschätzung des Konkurrenzverbotes?
Fall 3: Umqualifikation steuerfreier Kapitalgewinn in Lohn
1. Sachverhalt
Ausgangssachverhalt siehe «Fall 1: Bonuszahlungen im Rahmen eine Share Deals»
Der Verkauf wird erfolgreich vollzogen. Peter Gründer «deklariert» seinen steuerfreien Kapitalgewinn in seiner privaten Steuererklärung.
Peter Gründer arbeitet nach dem Verkauf weiterhin als CEO der SwissCo.
Im Rahmen der Veranlagung konfrontiert die zuständige Steuerkommissarin Peter Gründer mit folgenden Themen:
- Der durch Peter Gründer bezogene Lohn sei nicht marktüblich angesetzt und entsprechend sei ein Teil des erzielten Kapitalgewinns in steuerbaren Lohn umzuqualifizieren.
- Seine Arbeitstätigkeit und seine Funktion als Verwaltungsrat bei der HoldCo wurden nicht separat entschädigt. Diese fehlende Entschädigung sei durch einen höheren Kapitalgewinn abgegolten worden. Entsprechend soll eine Umqualifikation des Kapitalgewinns in steuerbaren Lohn erfolgen.
Fragen
- Steuerrechtliche und sozialversicherungsrechtliche Einschätzung?
- Wie verhält sich die Sozialversicherungsbehörde bei einer einkommenssteuerlichen Aufrechnung?
Teil 2 – Mitarbeiterbeteiligungenbei einem Share Deal
Fall 1: Qualifikation als Mitarbeiterbeteiligung
1. Sachverhalt
Ausgangssachverhalt siehe «Fall 1: Bonuszahlungen im Rahmen eine Share Deals»
Neben Peter Gründer und der X-AG sind folgende Minderheitsaktionäre beteiligt:
- Verwaltungsräte, die in keinem sonstigen Arbeitsverhältnis zur Gruppe stehen
- C-Level Mitarbeiter, welche ihre Aktien durch Wandlung eines Wandeldarlehens erhielten
- Mandatierte externe Experten, die im Rahmen ihrer Beratungstätigkeit in Aktien bezahlt werden
- Als selbständig erwerbend registrierte «Contractor», welche ausschliesslich für die SwissCo als Aussendienstmitarbeiter im Verkauf tätig sind (aber grundsätzlich weitere Auftraggeber mandatieren könnten)
- Personen nach Ziff. 4, die zu einem späteren Zeitpunkt als formelle Arbeitnehmer angestellt wurden (ihre Aktien aber im Rahmen der selbständigen Erwerbstätigkeit erhalten haben)
- Die Ehefrau von Peter Gründer, die am 14. Februar 2024 noch Aktien als Geschenk erhalten hat
- Zwei Studenten der juristischen Fakultät, die als Entschädigung für ihre Aushilfstätigkeit an Verkaufsmessen während den Semesterferien Aktien erhalten (ohne formellen Arbeitsvertrag)
- Der im Betrieb mitarbeitende Sohn von Peter Gründer als Ausgleich von Erbvorbezügen seiner Schwester
Fragen
- Handelt es sich aus sozialversicherungsrechtlicher Sicht um Mitarbeiteraktien?
- Besteht die Möglichkeit einer abweichenden Beurteilung seitens Ausgleichskasse?
Fall 2: Auswirkung bei Verkauf
1. Sachverhalt
Ausgangssachverhalt siehe «Fall 1: Bonuszahlungen im Rahmen eine Share Deals»
Die HoldCo wird wie geplant an einen Drittinvestor veräussert mit Vollzug des Kaufvertrages am 30. Januar 2024.
Im Sitzkanton der SwissCo in Zürich besteht ein Steuerruling für den Mitarbeiterbeteiligungsplan. Das Steueramt Zürich hat einen Formelwertansatz bestätigt (Formel: EBITDA x Multiple).
Die beiden C-Level Mitarbeiter haben ihre Aktien im Rahmen des Verkaufs ebenfalls veräussert. Beide Manager hielten im Zeitpunkt des Verkaufs jeweils 5% der Aktien der HoldCo und haben diese jeweils gestützt auf die Formel erworben:
- Der CFO mit Wohnsitz in Zürich hält seine Beteiligungen seit 2018.
- Der CMO mit Wohnsitz in St. Gallen hat seine Aktien im Jahr 2023 erworben.
- Beide Manager haben gleichviele Aktien (je 5%) und haben diese jeweils gestützt auf den ESOP zu einem EBITDA x Multiple Formelwert erworben.
- Formelwert im Verkaufszeitpunkt: CHF 30 Mio.
- Verkaufserlös der C-Level Mitarbeiter je CHF 50 Mio.
Fragen
- Wie werden die C-Level Mitarbeiter beim Verkauf der Anteile besteuert?
- Wie wird der Sachverhalt in der Praxis sozialversicherungsrechtlich gehandhabt?
- Zuständigkeiten und Prozess:
- Wann sind die Sozialversicherungsabgaben spätestens abzurechnen?
- Welche Ausgleichskasse ist zuständig?
2. Sachverhalt Variante
Sowohl der CFO wie auch der CMO erwarben ihre Aktien im Jahr 2020 und im gleichen Zeitpunkt und zum gleichen Kaufpreis (d.h. nicht zu Formelwert) wie der Drittinvestor, die X-AG, eingestiegen ist.
- Der CFO mit Wohnsitz in Zürich
- Der CMO mit Wohnsitz in St. Gallen
Der Verkauf im Jahr 2024 erfolgt zu einem Verkehrswert, welcher den Formelwert klar übersteigt.
Im Sitzkanton der SwissCo in Zürich besteht ein Steuerruling in welchem der Formelwertansatz bestätigt wird.
Die Steuerbehörde des Kantons St. Gallen hat in einem Ruling für den Einstieg des CMO in 2020 bestätigt, dass zwar Mitarbeiteraktien vorliegen, aber eine Verkehrswerttransaktion akzeptiert.
Fragen
- Kann die SwissCo für den CMO das Steuerruling des Kantons St. Gallen berücksichtigen, d.h. keine Deklaration eines Übergewinns?
- Macht es zur Beurteilung der Frage 1 einen Unterschied, wenn im Kanton Zürich kein Ruling eingeholt wurde?
- Falls für Zürich kein Ruling vorliegt, kann die Beurteilung für den CFO auch nach dem Ruling des Kantons St. Gallen erfolgen (für DBG wurde dort ja auch ein Verkehrswert bestätigt)?
Fall 3: Rückbeteiligung
1. Sachverhalt
Ausgangssachverhalt siehe «Fall 1: Bonuszahlungen im Rahmen eine Share Deals»
Die HoldCo wird wie geplant an einen Drittinvestor (Y-AG) veräussert. Peter Gründer sowie das Management der SwissCo erhalten die Möglichkeit sich an der Y-AG rückzubeteiligen.
Die Rückbeteiligung erfolgt zu «gleichen Preisen» wie die Y-AG.
Fragen
- Wie wird der Sachverhalt in der Praxis sozialversicherungsrechtlich gehandhabt?
- Würde sich etwas ändern, wenn das Management via einem ausländischen Pooling-Vehikel (z.B. einer Jersey LP) sich an der Y-AG rückbeteiligt?